Hanseatisches Oberlandesgericht
Az.: 6 Kap 2/21
Verkündet am 14.04.2022
Ludwig, JAng
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Beschluss
Musterentscheid
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In der Sache
Gregor von Eicken, Lange Hamm 19, 26434 Hooksiel
– Musterkläger –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Heiss & Leppla Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Pettenkoferstraße 37, 80336 München, Gz.: 886/17LEsu
gegen
1) |
Lloyd Fonds AG, vertreten durch d. Vorstand, Amelungstraße 8-10, 20354 Hamburg
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2) |
Lloyd Treuhand GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer, Amelungstraße 8 – 10, 20354 Hamburg
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3) |
Aquarii GmbH & Cie. KG, vertreten durch d. Komplementärin, die Verwaltung NSC Schifffahrtsgesellschaft mbH, diese vertreten durch d. Geschäftsführer, Van-der-Smissen-Straße 9, 22767 Hamburg
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Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2:
Rechtsanwälte Lindenpartners, Friedrichstraße 95, 10117 Berlin, Gz.: 11562/19
Prozessbevollmächtigte zu 3:
Rechtsanwälte Heuking, Kühn, Lüer, Wojtek, Neuer Wall 63, 20354 Hamburg
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beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht – 6. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Buchholz, die Richterin am Oberlandesgericht Agger und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Hinrichs auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 24.03.2022:
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1. |
Der Feststellungsantrag zu Ziff. 6. des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Hamburg vom 15. 11. 2018 (328 OH 9/18) ist unbegründet. |
2. |
Die Feststellungsanträge zu Ziff. 2., 3., 4., 5., 7., 8., 9. und 10. des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Hamburg vom 15. 11. 2018 (328 OH 9/18) werden als im Musterverfahren unzulässig zurückgewiesen. |
3. |
Die Feststellungsanträge zu Ziff. 1 lit. a) bis e) des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Hamburg vom 15. 11. 2018 (328 OH 9/18) sind gegenstandslos. |
4. |
Dem Vertreter des Musterklägers, Rechtsanwalt Dr. Leppla, wird gemäß § 41 a RVG eine Gebühr mit einem Gebührensatz von 0,2 nach dem Wert der Summe der ausgesetzten Verfahren bewilligt. Im Übrigen wird der Antrag zurückgewiesen. |
5. |
Der Wert sämtlicher ausgesetzter Verfahren beträgt € 1.009.225. |
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Gründe:
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I.
Das vorliegende Musterverfahren bezieht sich auf den am 20. 12. 2007 erstellten Prospekt des Lloyd Fonds Flottenfonds XI.
Der Musterkläger und die Beigeladenen machen in den ausgesetzten Ausgangsverfahren als Anleger des Lloyd Fonds Flottenfonds XI gegen die Musterbeklagten Schadensersatzansprüche wegen der Verwendung eines fehlerhaften Prospekts und damit einhergehender Verletzungen vorvertraglicher Aufklärungspflichten nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne geltend.
Der Musterkläger und die Beigeladenen erklärten durch eine formularmäßige Beitrittserklärung ihren mittelbaren Beitritt über die Treuhandkommanditistin, die Musterbeklagte zu 2), an dem Lloyd Flottenfonds XI, umgesetzt durch den Erwerb von Kommanditanteilen (jeweils zu 50 %) an der „MS „BARBADOS“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG“ und an der „MS „BONAIRE“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG“ (im Folgenden auch: Emittentinnen).
Die Musterbeklagten haben jeweils am 14. 12. 2007 (neben der jeweiligen Komplementärin der Emittentinnen, die an den ausgesetzten Verfahren nicht beteiligt ist) die Gesellschaftsverträge der beiden Emittentinnen unterzeichnet (die Musterbeklagte zu 3) noch unter ihrer damaligen Firma NSC Schifffahrtsgesellschaft mbH & Cie. KG), und zwar als Kommanditistinnen mit einer Einlage von 200.000 Euro (Musterbeklagte zu 3)) bzw. 25.000 Euro (Musterbeklagte zu 1)) bzw. 5.000 Euro (Musterbeklagte zu 2)). Die Gesellschaftsverträge sind auf Seiten 105 ff. des Prospekts (Anlage MK 2) abgedruckt.
Auf Seiten 62 f. des Prospekts wird die Musterbeklagte zu 3) als Gründungskommanditistin bezeichnet. Es wird dargestellt, dass die Emittentinnen ursprünglich von der Musterbeklagten zu 3) einerseits und der Verwaltung RERO Schiffsneubau 12 GmbH bzw. der Verwaltung RERO Schiffsneubau 13 GmbH andererseits gegründet worden seien, dass die Musterbeklagte zu 1) jeweils am 30. 5. 2006 als Kommanditistin in die jeweilige Gesellschaft eingetreten sei und dass die Musterbeklagte zu 2) mit dem Gesellschaftsvertrag vom 14. 12. 2007 als weitere Kommanditistin in die jeweilige Gesellschaft eingetreten sei.
Auf Seiten 5 und 6 des Prospekts wird die Musterbeklagte zu 1) als Anbieterin und Verantwortliche der Vermögensanlage bezeichnet. Auf Seite 6 des Prospekts wird die Musterbeklagte zu 2) als Treuhänderin und die Musterbeklagte zu 3) als Vertragsreeder bezeichnet.
Auf Grundlage des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Hamburg vom 15. 11. 2018 (Geschäfts-Nr. 328 OH 9/18) sind dem Senat folgende Feststellungsziele vorgelegt worden:
1. |
Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt „Lloyd Fonds Flottenfonds XI“ über eine Beteiligung an der MS „BARBADOS“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG und an der MS „BONAIRE“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG in der Fassung vom 20. 12. 2007 (nachfolgend „Verkaufsprospekt“) einzeln und / oder kumulativ unrichtige, irreführende und/oder unvollständige wesentliche Angaben durch folgende Aussagen enthält: a. Die Schiffsklasse der Fondsschiffe, die der Panamax-Vollcontainerschiffe mit einer Tragfähigkeit von 4.330 TEU, wird als die Klasse der größten Schiffe dargestellt, die den Panama-Kanal befahren können, ohne dass der Prospekt darauf hinweist, dass zum Zeitpunkt der Prospekterstellung allgemein und insbesondere den Beklagten bekannt war, dass eine Verbreiterung des Panama-Kanals beschlossen war, die aus Sicht des Datums der Prospekterstellung im Jahre 2014 abgeschlossen sein sollte und das Befahren des Panama-Kanals mit deutlich größeren Schiffen eine Tragfähigkeit von bis zu 14.000 TEU ermöglicht. b. Der Prospekt bepreist die Festvercharterung für die ersten 5 Jahre der Betriebsdauer bis in das Jahr 2014. Er verschweigt, dass im Jahr 2014 absehbar das Ende der Festcharter und die Eröffnung des verbreiterten Panama-Kanals zusammenfallen. c. Angesichts der damals feststehenden Eröffnung des verbreiterten Panama-Kanals sind unverändert hohe prognostizierte Charterraten unrealistisch. d. Die Schiffe der Panamax-Klasse haben außerhalb des Einsatzes im Panama-Kanal bauartbedingte Wettbewerbsnachteile, da sie aufgrund der auf die damaligen Schleusen des Panama-Kanals angepassten Größe relativ zu lang, relativ zu schmal und relativ zu hoch sind, was zu erhöhten Kosten bei den Hafengebühren und im Betrieb wegen des Zwangs größerer Mengen an Ballastwasser zu höheren Treibstoffkosten führt. e. Der Prospekt bezieht sich bei der Darstellung der Marktchancen der Schiffe des Fonds auf die Marktstudie für Containerschiffe der Größenklasse um 4.300 TEU des Instituts für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) aus dem November 2007. Er verschweigt dabei die Warnung des IWF, dass die Marktentwicklung bei ausbleibender deutlicher Steigerung der Importe Chinas und bei ausbleibender Abkoppelung der globalen Wirtschaft von der US-amerikanischen Entwicklung negativ entwickeln kann, er verschweigt dabei Feststellungen in der Marktstudie zu deutlichen Zuwachsraten im Flottenwachstum, er verschweigt die Feststellung in der Marktstudie, wonach von einer altersbedingten Verschrottung im Wettbewerbsmarkt nicht auszugehen war. |
2. |
Es wird festgestellt, dass zwischen den Treugebern der MS „BONAIRE“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG und der MS „BARBADOS“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG und den Beklagten ein (vor-)vertragliches Schuldverhältnis zustande kam. |
3. |
Es wird festgestellt, dass die Verletzung von Pflichten aus dem (vor-)vertraglichen Schuldverhältnis im Sinne des Feststellungsziels gemäß Ziff. 2 den § 311 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BGB und / oder § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB unterfällt. |
4. |
Es wird festgestellt, dass Ansprüche wegen Pflichtverletzung im Sinne des Feststellungsziels gemäß Ziff. 3 in Anspruchskonkurrenz zur spezialgesetzlichen Prospekthaftung stehen. |
5. |
Es wird festgestellt, dass die spezialgesetzliche Verjährung nicht die für Ansprüche wegen Pflichtverletzung im Sinne des Feststellungsziels gemäß Ziff. 3 geltende Regelverjährung des BGB verdrängt. |
6. |
Es wird festgestellt, dass die Verwendung des Verkaufsprospekts – einzeln und / oder kumulativ – durch die Beklagten gegenüber den Treugebern der MS „BONAIRE“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG und der MS „BARBADOS“ Schifffahrtgesellschaft mbH & Co. KG Verletzungen von Pflichten darstellen im Sinne des Feststellungsziels gemäß Ziff. 3. |
7. |
Es wird festgestellt, dass die Vorschrift des § 280 Abs. 1 Satz 2 BGB auch gilt für Pflichtverletzungen der Beklagten im Sinne des Feststellungsziels gemäß Ziff. 3 |
8. |
Es wird festgestellt, dass die Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens auch gilt für Pflichtverletzungen der Beklagten im Sinne des Feststellungsziels gemäß Ziff. 3. |
9. |
Es wird festgestellt, dass ein unterbliebener Hinweis der Beklagten nach Abschluss der Beteiligung der Treugeber an der MS „BONAIRE“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG und der MS „BARBADOS“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG auf die Unrichtigkeit und/oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts eine Pflichtverletzung im Sinne des Feststellungsziels gemäß Ziff. 3 darstellt. |
10. |
Es wird festgestellt, dass die Beklagten die Treugeber der MS „BONAIRE“-Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG und der MS „BARBADOS“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG vor Vertragsschluss darüber informieren mussten, dass a. zum Zeitpunkt der Prospekterstellung bekannt war, dass der Panama-Kanal aus damaliger Sicht verbreitert werden würde, wobei die Verbreiterung im Jahr 2014 abgeschlossen sein sollte. b. als Folge daraus anstatt bisher 4.400 TEU die maximale Tragfähigkeit 14.000 TEU betragen werde, mit der Schiffe den Panama-Kanal würden passieren können. c. die Schiffe der Panamax-Klasse bauartbedingte Nachteile im Betrieb außerhalb des Panama-Kanals haben, indem höhere Treibstoffkosten und höhere Hafengebühren existieren. d. zum Ende der Festvercharterung aus damaliger Sicht die Verbreiterung des Panama-Kanals abgeschlossen sein würde, so dass die Wettbewerbschancen der Panamax-Schiffe weggefallen sein werden und damit die Prognose unveränderter Charterraten für die Zeit nach 2014 unrealistisch ist. |
Der Musterkläger hat die im Vorlagebeschluss des Landgerichts Hamburg aufgeführten Feststellungsziele mit Schriftsatz vom 9. 10. 2019 begründet. Er hat dabei im Wesentlichen aufgeführt, dass der im Prospekt angeführte Umstand, dass Panamax-Schiffe (wie das MS „BARBADOS“ und das MS „BONAIRE“) die größten Schiffe seien, die den Panama-Kanal passieren könnten, irreführend sei. Durch den bei Prospekterstellung bereits bekannten Umstand, dass der Panama-Kanal verbreitert werden solle (was im Prospekt aber verschwiegen worden sei), habe es sich nicht bzw. allenfalls für einen geringen Zeitraum um einen Wettbewerbsvorteil gehandelt. Die auf den (alten) Panamakanal angepasste Bauart der Schiffe sei auf anderen Routen sogar von Nachteil. Es komme hinzu, dass die geplante Verbreiterung des Panama-Kanals zeitlich mit dem Auslaufen der Festcharter zusammentreffe, so dass die für die Zeit danach unverändert hohen prognostizierten Charterraten unrealistisch seien.
Der Musterkläger hat weiter vorgetragen, dass die Marktchancen der Schiffe im Prospekt zu positiv dargestellt seien. Risiken, die in der im Prospekt allgemein erwähnten ISL-Studie aus dem November 2007 dargestellt seien, würden im Prospekt verschwiegen. Auch das in der ISL-Studie dargestellte Flottenwachstum werde im Prospekt verschwiegen. Da gerade die Schiffe der Größenklasse des MS „BARBADOS“ und des MS „BONAIRE“ relativ jung seien, sei in dieser Größenklasse kaum mit einer Verschrottung zu rechnen.
Hinsichtlich des weiteren Vortrags des Musterklägers zu den behaupteten inhaltlichen Prospektfehlern wird auf seine Schriftsätze vom 9. 10. 2019, vom 14. 8. 2020 und vom 1. 10. 2021 Bezug genommen.
Die Musterbeklagten haben vorgetragen, dass im Prospekt der Begriff der „Panamax-Schiffe“ lediglich neutral im Glossar dargestellt sei, ohne dass mit einem besonderen Wettbewerbsvorteil geworben worden sei. Es sei im Übrigen bei Fertigstellung des Prospekts noch gar nicht absehbar gewesen, wann der Panama-Kanal tatsächlich verbreitert und freigegeben würde. Die Schiffe hätten auch außerhalb des Panama-Kanals sinnvolle Einsatzgebiete und seien auch dort eingesetzt worden. Die Prognose der Anschlusscharterraten sei tatsachenbasiert und mindestens vertretbar gewesen.
Die Musterbeklagten haben weiter vorgetragen, dass die ISL-Studie im Prospekt nicht wörtlich hätte wiedergegeben werden müssen. Die wesentlichen Informationen und Einschätzungen seien im Prospekt aufgeführt worden. Der Prospekt gehe auch auf den Trend zum Größenwachstum der Schiffe und auf das prognostizierte jährliche Flottenwachstum ein.
Hinsichtlich des weiteren Vortrags der Musterbeklagten zu den behaupteten inhaltlichen Prospektfehlern wird auf den Schriftsatz der Musterbeklagten zu 1) und 2) vom 4. 5. 2020, den sich die Musterbeklagte zu 3) zu eigen gemacht hat, Bezug genommen, ferner auf die Schriftsätze der Musterbeklagten zu 3) vom 29. 4. 2021, vom 30. 9. 2021 und vom 7. 12. 2021 sowie der Musterbeklagten zu 1) und 2) vom 6. 10. 2021.
Im Verlauf des Verfahrens haben die Beteiligten auch Stellung genommen zu den Auswirkungen der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.1.2021 (XI ZB 35/18 – juris) zur Frage, ob eine Haftung der Musterbeklagten als Gründungsgesellschafter aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB auf die Verwendung eines Prospekts als solche gestützt werden kann. Die Beteiligten haben insoweit Rechtsausführungen gemacht. Die Musterbeklagten sind der Auffassung, dass der Anwendungsbereich der spezialgesetzlichen Prospekthaftung eröffnet sei und daher eine Prospekthaftung im weiteren Sinne nicht in Betracht komme. Der Musterkläger ist der Auffassung, dass es sich um unterschiedliche Haftungsgrundlagen handele, die nebeneinander anzuwenden seien.
Der Senat nimmt hinsichtlich der weiteren Argumentation außer auf die bereits genannten Schriftsätze auch auf den Schriftsatz des Musterklägers vom 7. 12. 2021 Bezug.
Mit Schriftsatz vom 14. 8. 2020 haben die Musterklägervertreter die Bewilligung der besonderen Gebühr nach § 41a RVG mit einem Gebührensatz von 0,3 beantragt.
II.
Die Feststellungsanträge zu Ziff. 2., 3., 4., 5., 7., 8., 9. und 10. des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Hamburg vom 15. 11. 2018 (320 OH 9/19) sind im Musterverfahren unzulässig.
Nach der Rechtsprechung des BGH, der der Senat folgt, sind Feststellungsziele, die sich nicht auf die Verwendung einer öffentlichen Kapitalmarktinformation beziehen, sondern allgemein auf vorvertragliche und gesellschaftsvertragliche Aufklärungspflichten, deren Erfüllung durch die Verwendung einer öffentlichen Kapitalmarktinformation sie nicht voraussetzen, unstatthaft (vgl. BGHZ 228, 237, zitiert nach juris, Tz. 19).
Das betrifft das Feststellungsziel 2, weil die Frage, ob zwischen den Anlegern und den Musterbeklagten ein (vor-)vertragliches Schuldverhältnis zustande kam, unabhängig davon zu beantworten wäre, ob eine öffentliche Kapitalmarktinformation verwandt worden ist.
Das trifft auch auf das Feststellungsziel 3 zu, weil dort auf das (vor-)vertragliche Schuldverhältnis im Sinne von Feststellungsziel 2 Bezug genommen wird. Der Senat hat erwogen, das Feststellungsziel 3 so auszulegen, dass die in ihm angesprochene Pflichtverletzung nur in der Verwendung eines unrichtigen oder unvollständigen Verkaufsprospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung bestehen kann. Feststellungsziele sind so auszulegen, dass ein prozessual zulässiges Ergebnis erreicht wird (vgl. BGHZ 228, 237, zitiert nach juris, Tz. 21; BGH, Beschluss vom 11. 1. 2022, XI ZB 11/20, zitiert nach juris, Tz. 17). Der Senat hat davon abgesehen, weil bei dieser Auslegung die sich dann ergebende Fragestellung bereits durch das Feststellungsziel 6 abgedeckt ist. Das Feststellungsziel 3 ist gegenüber dem Feststellungsziel 6 weiter gefasst und soll einen anderen bzw. weiteren Inhalt haben. Insoweit ist das Feststellungsziel aber unzulässig.
Das trifft dann auch auf die Feststellungsziele 4, 5, 7, 8, 9 und 10 zu, weil diese wiederum auf dem Feststellungsziel 3 aufbauen. Zu den Fragestellungen, wie sie sich aus den Feststellungszielen 9 und 10 ergeben (die inhaltlich fast gleichlautend sind mit den Feststellungszielen 9 und 10 des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Hamburg vom 11. 6. 2015, 334 OH 1/15, zitiert nach juris), hat der BGH ausdrücklich in seiner soeben zitierten Entscheidung BGHZ 228, 237 (zitiert nach juris, Tz. 19) entschieden, dass sie im Musterverfahren unzulässig sind.
Zulässig ist allerdings das Feststellungsziel 6. Dort wird zwar auch auf das Feststellungsziel 3 Bezug genommen. Es geht aber ausdrücklich um die Frage, ob die Verwendung des Verkaufsprospekts eine Verletzung von Pflichten (aus einem (vor-)vertraglichen Schuldverhältnis) darstellt. Damit bezieht sich dieses Feststellungsziel in ausreichendem Maße auf die Verwendung einer öffentlichen Kapitalmarktinformation.
Das Feststellungsziel 6 ist aber wegen des Vorrangs der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nicht begründet.
Eine Haftung der Musterbeklagten als Gründungsgesellschafter aus § 311 Abs. 2, § 241 Abs. 2, § 280 Abs. 1 BGB kann nicht auf die Verwendung eines Prospekts als solche gestützt werden. Ein Anspruch auf dieser Grundlage wird vielmehr durch die Regelungen der spezialgesetzlichen Prospekthaftung – hier gemäß § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung – verdrängt (vgl. BGH, Beschluss vom 12.10.2021, XI ZB 26/19, Rn. 21 m. w.N.).
Auf den Prospekt vom 20. 12. 2007 findet die Regelung des § 8g VerkProspG in der vom 1. Juli 2005 bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (im Folgenden: a. F.) in Verbindung mit § 32 Abs. 2 Satz 1 VermAnlG Anwendung. Damit ist auch der Anwendungsbereich der § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG in der bis zum 31. Mai 2012 geltenden Fassung (im Folgenden: a.F.) eröffnet.
Nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG a. F. haften neben denjenigen, die für den Prospekt im Sinne des § 8g VerkProspG a. F. die Verantwortung übernommen haben, im Falle von dort enthaltenen unrichtigen oder unvollständigen wesentlichen Angaben auch diejenigen, von denen der Erlass des Prospekts ausgeht (§ 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG a. F.).
Die Musterbeklagte zu 1 ist schon deshalb Prospektverantwortliche nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BörsG a. F., weil sie sich im Prospekt auf Seite 5 selbst als Prospektverantwortliche bezeichnet.
Die Musterbeklagten zu 2 und 3 sind verantwortlich nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG a. F. Davon sind die Personen und Unternehmen erfasst, von denen die wirtschaftliche Initiative ausgeht und die hinter dem Prospekt stehen und seine eigentlichen Urheber sind. Veranlasser ist, wer hinter dem Emittenten steht und neben der Geschäftsleitung besonderen Einfluss ausübt. Von einer Prospektverantwortlichkeit eines Hintermannes ist unter anderem dann auszugehen, wenn dieser auf die Konzeption des konkreten, mit dem Prospekt beworbenen und vertriebenen Modells maßgeblich Einfluss genommen hat und damit letztendlich auch für die Herausgabe des Prospektes verantwortlich ist. Dabei können die gesellschaftsrechtliche Funktion des Hintermannes sowie ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse für eine Einflussnahme auf die Konzeption des Modells sprechen. Nicht entscheidend ist, ob eine Mitwirkung unmittelbar bei der Gestaltung des Prospektes gegeben ist; ausschlaggebend dagegen ist, ob der Prospekt mit Kenntnis des Verantwortlichen in den Verkehr gebracht worden ist (zum Vorstehenden insgesamt BGH, Beschluss vom 19.01.2021, XI ZB 35/18, zitiert nach juris, Tz. 24). Wie der Bundesgerichtshof zuletzt entschieden hat, reicht bereits die Stellung als Gründungsgesellschafter der Beteiligungsgesellschaft für die Verantwortlichkeit nach § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG a. F. aus (BGH, Beschluss vom 12.10.2021, XI ZB 26/19, zitiert nach juris, Tz. 23).
Die Musterbeklagte zu 3) ist Gründungskommanditistin in diesem Sinne. Auf Seite 62 des Prospekts wird dargestellt, dass sie (zusammen mit der Verwaltung RERO Schiffsneubau 12 GmbH bzw. der Verwaltung RERO Schiffsneubau 13 GmbH) jeweils die Emittentinnen gegründet habe. Die Emittentinnen firmierten (wie aus Seite 66 f. des Schriftsatzes der Musterbeklagten zu 1) und 2) vom 4. 5. 2020 hervorgeht) zunächst als 2. RERO Schiffsneubau 12 GmbH & Co. KG bzw. als 2. RERO Schiffsneubau 13 GmbH & Co. KG. Die Musterbeklagte zu 3) wird auf Seite 62 des Prospekts ausdrücklich als Gründungsgesellschafterin bezeichnet.
Die Musterbeklagte zu 2) ist jedenfalls wie eine Gründungsgesellschafterin zu behandeln. Sie hat zwar nicht an der ursprünglichen Gründung der Emittentinnen teilgenommen. Sie wird aber im Prospekt auf Seiten 105 ff. als eine der vier Gesellschafterinnen (nämlich eine der drei Kommanditistinnen) genannt, die die maßgeblichen – im Prospekt abgedruckten – Gesellschaftsverträge der beiden Emittentinnen jeweils vom 14. 12. 2007 unterschrieben haben. Die Musterbeklagte zu 2) wird jeweils in § 3 Abs. 2 lit. c) des jeweiligen Gesellschaftsvertrages als Kommanditistin der jeweiligen Emittentin genannt. Auf Seiten 62 f. des Prospekts wird erwähnt, dass sie mit Gesellschaftsvertrag vom 14. 12. 2007 (also vor Prospekterstellung) in die Emittentin eingetreten sei. Auch wenn die Eintragung im Handelsregister nach dem zitierten Vortrag der Musterbeklagten zu 1) und 2) (Seiten 66 f. des Schriftsatzes vom 4. 5. 2020) erst am 21. 5. 2008 bzw. am 16. 4. 2008 erfolgt ist, wurde die Musterbeklagte zu 2) im Prospekt wie eine Gründungsgesellschafterin dargestellt. Aus Sicht der Anleger, die den Prospekt zur Kenntnis genommen haben, war sie damit – bezogen auf die konkret beworbene Kapitalanlage – wirtschaftlich mit einer Gründungskommanditistin vergleichbar. Maßgeblich ist, ob das wirtschaftliche Eigeninteresse der Musterbeklagten zu 2) mit dem wirtschaftlichen Eigeninteresse einer Gründungsgesellschafterin vergleichbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11. 1. 2022, XI ZB 11/20, zitiert nach juris, Tz. 23). Das ist hier der Fall.
Da der Antrag zu dem Feststellungsziel 6 in der Sache unbegründet ist, ist der Vorlagebeschluss hinsichtlich der Feststellungsziele 1 a) bis e) gegenstandslos. Gegenstandslos wird der dem Musterverfahren zugrundeliegende Vorlagebeschluss hinsichtlich eines Feststellungsziels, wenn die Entscheidungserheblichkeit dieses Feststellungsziels aufgrund der vorausgegangenen Prüfung im Musterverfahren entfallen ist (vgl. BGHZ 213, 65, zitiert nach juris, Tz. 106; BGH, Beschluss vom 11. 1. 2022, XI ZB 11/20, zitiert nach juris, Tz. 26, m.w.N.).
Das ist hier für das Feststellungsziel 1, das verschiedene inhaltliche Prospektfehler zum Gegenstand hat, der Fall. Auch wenn das Feststellungsziel 3 im Musterverfahren unzulässig ist, wird aus ihm doch deutlich, dass es um eine Haftung der Musterbeklagten im Rahmen der Prospekthaftung im weiteren Sinne geht. Es wird als Anspruchsgrundlage ausdrücklich § 311 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 BGB und / oder § 280 Abs. 1 Satz 1 BGB erwähnt. Der Vorlagebeschluss ist daher dahin auszulegen, dass die Prospektfehler ausschließlich als anspruchsbegründende Voraussetzung einer Haftung der Musterbeklagten unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung festgestellt werden sollen (vgl. auch BGH, Beschluss vom 11. 1. 2022, XI ZB 11/20, zitiert nach juris, Tz. 27 m.w.N.). Da eine solche Haftung aus Rechtsgründen nicht gegeben ist, kommt es auf Feststellungen zu Prospektfehlern nicht mehr an.
Dem Musterklägervertreter Rechtsanwalt Dr. Leppla war gemäß § 41a RVG eine Gebühr mit einem Gebührensatz von 0,2 – und nicht wie von ihm beantragt von 0,3 – nach dem Wert der Summe der ausgesetzten Verfahren zu bewilligen. Es handelt sich um ein KapMuG-Verfahren durchschnittlichen Umfangs und mittlerer Schwierigkeit, weswegen hier der Mittelwert anzusetzen ist.
Eine Kostenentscheidung ist wegen § 16 Abs. 2 KapMuG nicht veranlasst.
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Dr. Buchholz | Agger | Dr. Hinrichs |
Vorsitzender Richter am Oberlandesgericht |
Richterin am Oberlandesgericht |
Richter am Oberlandesgericht |
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