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Musterfeststellungsklage kommt und die Regierung findet ihren Entwurf gut gelungen

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Die Musterfeststellungsklage kommt – Politik streitet weiter

Am 14. Juni 2018 hat der Deutsche Bundestag mit den Stimmen der Fraktionen der Großen Koalition und gegen die Stimmen aller Oppositionsfraktionen den seit Jahren angekündigten Gesetzentwurf zur Einführung einer zivilprozessualen Musterfeststellungsklage beschlossen (Bundestagsdrucksache 19/2507). Grundlage des Gesetzes war ein identischer Gesetzentwurf der Bundesregierung. Der Entwurf lehnt sich an das bereits bestehende Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) an. Ziele des Gesetzes sollen die Überwindung des „rationalen Desinteresses“ von Verbraucherinnen und Verbrauchern, ihre Rechte gerichtlich einzuklagen, und die Entlastung der Justiz durch eine verbindliche Entscheidung über wesentliche Rechts- und Tatsachenfragen sein.Das Gesetz soll am 1. November 2018 in Kraft treten.

Beispiel einer Musterfeststellungsklage

Tausende Verbraucher haben einen Stromlieferungsvertrag mit einem großen Anbieter geschlossen. Für einen Wechsel war den Kunden ein Jahr kostenlos Strom versprochen worden. Dieses Versprechen wird aber heimlich durch den Anbieter zum schlechteren verändert. Alle haben den gleichen Fall als Sachverhalt, nur einen unterschiedlich hohen Schaden. Der unterschiedlich hohe Schaden kommt durch den verschiedenen Stromverbrauch der Verbraucher und ihrer Familien zustande.

Bisherige Rechtslage

Jeder Verbraucher muss einzeln klagen und sich mit dem Sachverhalt und dem Schaden auseinandersetzen. Unterschiedliche Gerichte könnten unterschiedlich urteilen. Folge: viele Verbraucher verzichten auf Klagen, da die Kosten und Nervenbelastung zu hoch sind. Wer klagt schon, wenn es um einige hundert Euro geht gegen einen Riesen? Welcher Anwalt arbeitet sich überhaupt in einen solchen Sachverhalt ordentlich ein. Das bedeutete auch: Konzerne haben einfach gemacht was sie wollten, da sich die Kunden sowieso kaum wehren konnten. Das soll sich ändern.

Neue Rechtslage

Ab dem 01.11.2018 gibt es die sogenannte Musterfeststellungsklage (MFK). Darin ist vorgesehen, dass bestimmte Verbände im Namen von Verbrauchern einen Schaden gerichtlich feststellen lassen können oder einen Vergleich abschließen. Sind in einem Fall viele Verbraucherinnen und Verbraucher betroffen, so können bestimmte Verbände für sie künftig in einem Musterverfahren Grundsatzfragen gerichtlich verbindlich und gebündelt klären lassen. Das ist vor allem bei sogenannten Massengeschäften der Fall – wie Preiserhöhungen von Banken oder Energielieferanten, aber auch unfairen Vertragsklauseln von Reiseveranstaltern oder Fluggesellschaften. Nur anerkannte und besonders qualifizierte Verbände können künftig stellvertretend für Verbraucher gegen ein Unternehmen in einem Musterverfahren klagen. Betroffene müssen sich dafür in einem Klageregister anmelden. Dafür ist kein Anwalt erforderlich. Das bringt allen Beteiligten Vorteile: Verbraucherinnen und Verbraucher können ihre Rechte einfacher durchsetzen. Unternehmen erhalten Rechtssicherheit.  Eine sogenannte Musterfeststellungsklage (MFK) ist zulässig, wenn der klagende Verband glaubhaft macht, dass mindestens zehn Verbraucher betroffen sind. Zudem müssen sich zwei Monate nach der öffentlichen Bekanntmachung der MFK mindestens 50 Verbraucher in einem vom Bundesamt für Justiz geführten Klageregister angemeldet haben. Die Anmeldung ist kostenfrei, es ist kein Anwalt erforderlich. Sie ist bis zum ersten Verhandlungstermin möglich.

Das Musterfeststellungsverfahren kann durch Vergleich oder Urteil beendet werden. Verbraucher tragen keinerlei Verfahrenskosten. Ein rechtskräftiges Musterfeststellungsurteil ist grundsätzlich bindend für zwischen dem im Klageregister angemeldeten Verbraucher und dem beklagten Unternehmen.

Den Linken geht das Gesetz nicht weit genug

Befürchtungen der Fraktion Die Linke, wonach die Ziele der Musterfeststellungsklage nicht erreicht werden, werden von der Bundesregierung nicht geteilt. Nach Auffassung der Bundesregierung schreckt das Erfordernis einer gesonderten Individualklage im Anschluss an die gerichtliche Feststellung des Anspruchs Verbraucher nicht von einer Anmeldung zu dem Musterverfahren ab, heißt es unter anderem in der Antwort (19/4891) auf eine Kleine Anfrage der Linken (19/4392). Das Anmeldeverfahren sei niedrigschwellig ausgestaltet und für die Verbraucherinnen und Verbraucher mit keinerlei Kosten verbunden. Die Anmeldung könne ohne Einschaltung eines Rechtsanwalts erfolgen.

Zurück zu dem Ausgangsbeispiel: nach dem Musterfeststellungsverfahren muss jeder Kunde des Energielieferanten erneut klagen und seinen eigenen Schaden feststellen lassen. Das findet die Linke zu viel und hätte am liebsten, dass das gesamte Verfahren mittels Musterfeststellungsklage erledigt werden würde.

Auch die Befürchtung, dass das Ziel der Musterfeststellungsklage, die Gerichte zu entlasten, verfehlt zu werden droht, und sich überdies in diesem Zusammenhang eine von Seiten der Wirtschaft befürchtete Klageindustrie etablieren kann, teile die Bundesregierung nicht. Sie erwarte, dass die Wahrscheinlichkeit einer einvernehmlichen Regelung zwischen den Parteien aufgrund einer erfolgreichen Musterentscheidung steigt. Sie könne insbesondere als Grundlage für Einigungen der Parteien im Rahmen der außergerichtlichen Streitschlichtung dienen. Einer individuellen Klage bedürfte es dann nicht mehr, wie die Bundesregierung schreibt.

Fazit:

Die Musterfeststellungsklage ist ein mutiger Versuch die Zivilprozessordnung als Gesetz weiter zu reformieren. Die Regelungen des über 100 Jahre alten Gesetzes werden schonend angepasst, um Verbrauchern die Durchsetzung ihrer Rechte zu erleichtern. Massenverfahren können so effektiver bearbeitet werden. Insgesamt wird sich eine größere Rechtstreue von wirtschaftlich starken Unternehmen ergeben, weil diese befürchten müssen dass ihr Verhalten entdeckt und korrigiert werden kann. Das ist bisher kaum der Fall, weil die Rechtsprechung mangels Klagen von Verbrauchern das Thema kaum aufgreift. Die politische Diskussion ist erfreulich, aber eher theoretisch. Man wird abwarten wie die Praxis läuft und das Gesetz eventuell anpassen müssen. In der Süddeutschen Zeitung macht allerdings Astrid Stadler, Jura-Professorin aus Konstanz, auch auf den Nachteil deutlich, dass das Verfahren lange dauern kann. Man bräuchte einen langen Atem (SZ vom 17.10.2018).

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