Musterverfahrensantrag gegen Deutsche Bank Privat- u. Geschäftskunden AG

Published On: Dienstag, 01.11.2016By

Landgericht Freiburg im Breisgau

Beschluss

5 OH 6/16

In Sachen

Dr. Renate Schulz-Weiling, Kirchweg 3, 79299 Wittnau
– Antragstellerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Kälberer & Tittel, Knesebeckstraße 59-61, 10719 Berlin, Gz.: 345/15 JS50

gegen

Deutsche Bank Privat- u. Geschäftskunden AG, vertreten durch d. Vorstand Wilhelm von Haller, Rainer Burmester, Alp Dalkilic, Joachim von Plotho, Theodor-Heuss-Allee 72, 60486 Frankfurt/Main
– Antragsgegnerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Noerr LLP, Charlottenstraße 57, 10117 Berlin, Gz.: B-2529-2015

Streithelferin:
Lloyd Fonds AG, vertreten durch d. Vorstand Dr. Torsten Teichert, Amelungstraße 8-10, 20354 Hamburg

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte lindenpartners, Friedrichstraße 95, 10117 Berlin, Gz.: 09420/16

wegen Antrag nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KAPMUG)

 

hat das Landgericht Freiburg im Breisgau – 5. Zivilkammer – durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Emunds, den Richter am Landgericht Heller und den Richter Brändle am 07.10.2016 beschlossen:

I.

Auf Antrag der Klägerin wird der Musterverfahrensantrag vom 24.03.2016 im Bundesanzeiger unter der Rubrik „Klageregister nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz“ (Klageregister) mit nachfolgendem Inhalt öffentlich bekannt gemacht:

1.

Beklagte:

Deutsche Bank Privat- und Geschäftskunden AG, Theodor-Heuss-Allee 72, 60486 Frankfurt am Main, vertreten durch den Vorstand Wilhelm von Haller, Rainer Burmester, Alp Dalkilic, Joachim von Plotho;

2.

betroffener Emittent oder Anbieter von Kapitalanlagen:

Lloyd Fonds AG, Amelungstr. 8-10, 20354 Hamburg, vertreten durch den Vorstand Dr. Torsten Teichert;

3.

Prozessgericht nebst Aktenzeichen:

Landgericht Freiburg, 5 O 270/15;

4.

Feststellungsziele:

1.

Es wird festgestellt, dass der Emissionsprospekt über die Beteiligung am LLOYD FONDS SCHIFFSPORTFOLIO in der Fassung vom 09.11.2005 (nachfolgend „Emissionsprospekt“) unrichtig, irreführend und unvollständig ist, insbesondere wird festgestellt,

a)

dass die Anleger im Emissionsprospekt, insbesondere im Rahmen der tabellarischen Darstellungen auf S. 52, über die tatsächliche Höhe der Weichkosten in Höhe von insgesamt 46 Prozent des Eigenkapitals des Fonds unrichtig informiert werden und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

b)

dass im Emissionsprospekt nicht ordnungsgemäß über Sondervorteile der Fondsinitiatoren – insbesondere: bei der MS „MAXIMILIAN SCHULTE“ Shipping GmbH & Co. KG – aufgeklärt wird, der auf S. 93 des Emissionsprospektes enthaltene Hinweis, dass die Second Grove Bay Shipping Co. ein der Reederei Thomas Schulte GmbH & Co. KG nahestehendes Unternehmen ist, nicht ausreicht und dass insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

c)

dass die im Emissionsprospekt insbesondere auf S. 6 und S. 7 enthaltenen Aussagen, nach denen durch die Verteilung der Investitionen auf verschiedene Charterer und Größenklassen eine „Risikostreuung“ eintreten würde, falsch oder zumindest irreführend sind, und somit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

d)

dass im Emissionsprospekt kein ordnungsgemäßer und ausreichender Hinweis auf die gesellschaftliche Verflechtung der Musterbeklagten und der Tochtergesellschaft Fünfte PAXAS Treuhand-und Beteiligungsgesellschaft mbH – welche als mittelbar Beauftragte der Anleger deren Interessen auch im Zusammenhang mit dem Vertrieb des Fonds wahrnehmen soll – enthalten ist, so dass auch über die sich daraus ergebende Interessenkollision nicht ordnungsgemäß aufgeklärt wird, weshalb ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

e)

dass der Schiffsmarkt für Containerschiffe im Verkaufsprospekt zu positiv dargestellt wird, insbesondere der auf S. 38 enthaltene Hinweis, dass ein drastischer Einbruch der Charterraten nicht zu erwarten wäre, irreführend war, und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

f)

dass im Emissionsprospekt kein ordnungsgemäßer und ausreichender Hinweis dahingehend enthalten ist, dass die Schiffe des LLOYD FONDS SCHIFFSPORTFOLIO, da nur für den Zeitraum einer Anfangsbeschäftigung von fünf bzw. acht Jahren Charterverträge mit mittelfristigen Laufzeiten abgeschlossen waren, hohen Erlösausfallrisiken ausgesetzt waren, auch insoweit keine „Risikostreuung“ gegeben war, insbesondere die in der Tabelle auf S. 12 f. enthaltenen kalkulierten Anschlusscharterraten unvertretbar waren, der auf S. 21 enthaltene Hinweis, dass dies „zu geringeren Einnahmen der Emittentin und gegebenenfalls zu niedrigeren Auszahlungen an die Anleger“ führen könne, nicht hinreichend war und folglich ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

g)

dass im Emissionsprospekt ein Hinweis darauf fehlt, dass hinsichtlich der Schiffsbetriebskostensteigerungen mit äußerst geringen Werten kalkuliert wurde, insbesondere die auf S. 60 des Emissionsprospektes genannten Werte unvertretbar niedrig sind, und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

h)

dass im Emissionsprospekt kein ordnungsgemäßer und ausreichender Hinweis darauf enthalten ist, dass die Kaufpreise für die Schiffe des LLOYD FONDS SCHIFFSPORTFOLIO den Marktwert der Schiffe weit überstiegen und insbesondere die auf den S. 30 und 31 des Emissionsprospektes enthaltenen Aussagen, dass die Schiffe des Fonds „günstig“ oder „noch günstig“ wären, falsch oder zumindest irreführend sind und dass insoweit erhebliche Prospektfehler vorliegen;

i)

dass im Emissionsprospekt keine ordnungsgemäßen und ausreichenden Hinweise auf Wechselkursrisiken und den Abschluss von „Loan-to-Value“-Klauseln mit finanzierenden Banken enthalten sind, insbesondere die Hinweise auf S. 7 und S. 23, dass es sich um reines US-Dollar-Investment handele, irreführend waren, und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

j)

dass im Emissionsprospekt kein ordnungsgemäßer und ausreichender Hinweis auf das Innenhaftungsrisiko der Anleger und das Risiko des Wiederauflebens der Haftung enthalten ist, insbesondere die Angaben zur Haftung gemäß § 172, 171 HGB auf S. 15 und S. 18 sowie zur Haftung nach § 30 ff. GmbH gehen auf S. 18 des Emissionsprospektes falsch und irreführend sind und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

k)

dass im Emissionsprospekt kein ordnungsgemäßer und ausreichender Hinweis enthalten ist, dass aufgrund des hohen Weichkosten- und Fremdfinanzierungsanteils das Risiko eines Totalverlustes der von den Anlegern geleisteten Einlage deutlich ansteigt und die im Emissionsprospekt enthaltenen Hinweise – insbesondere auf S. 18 – nicht dazu geeignet sind, dieses gesteigerte Totalverlustrisiko ordnungsgemäß, ausreichend und richtig darzustellen und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt;

l)

dass die Sensitivitätsanalysen auf den S. 64 f. des Emissionsprospektes für eine sachgerechte Risikodarstellung unbrauchbar sind und insoweit ein erheblicher Prospektfehler vorliegt.

2.

Es wird festgestellt, dass die „Kurzinformation LLOYD FONDS SCHIFFSPORTFOLIO – Investieren mit Weitblick – Chancen auf allen Weltmeeren!“, Stand: Dezember 2005, unrichtig, irreführend und unvollständig ist, insbesondere wird festgestellt, dass die „Größenklasse der sehr flexibel einsetzbaren mittelgroßen Schiffe z.B. mit 3.500 TEU, die auf den Langstrecken noch den Panamakanal benutzen können und somit Strecke und damit Zeit sparen können“ tatsächlich keinen Wettbewerbsvorteil hat.

3.

Es wird festgestellt, dass die unter 1. a) bis 1.l), 2. aufgezeigten Prospektmängel jeweils für die Musterbeklagten bei der gebotenen sachkundigen Prüfung mit banküblicher Sorgfalt erkennbar waren.

4.

(…)

5.

Es wird festgestellt, dass durch den Umstand, dass die Anleger des LLOYD FONDS SCHIFFSPORTFOLIO letztmalig im Jahr 2010 eine Ausschüttung erhalten haben, keine hinreichenden Informationen über die unter 1. a) bis 1.l), 2. aufgeführten Prospektmängel erhalten haben, so dass dieser Umstand für sich allein keine für ein Verjährungsbeginn notwendige Kenntnis bzw. grobfahrlässige Nichtkenntnis herbeiführen kann.

6.

Es wird festgestellt, dass zu vermuten ist, dass die unter 1. a) bis 1.l), 2. aufgezeigten Prospektmängel jeweils kausal für die Zeichnungen von Anlegern sind, auch wenn ein Prospekt zu spät oder gar nicht an den Anleger übergeben wurde.

5.

Lebenssachverhalt:

Die Klägerin nimmt die beklagte Bank wegen fehlerhafter Kapitalanlageberatung u.a. im Zusammenhang mit einer Beteiligung an dem von der Streithelferin aufgelegten Lloyd Fonds Schiffsportfolio auf Schadensersatz in Anspruch.

Die Klägerin zeichnete am 11.01.2006 auf entsprechende Beratung und Empfehlung eines Mitarbeiters der Beklagten eine Beteiligung am Lloyd Fonds Schiffsportfolio in Höhe von 30.000 USD zzgl. eines Agios von 5 Prozent, insgesamt also 31.500,00 USD. Dabei erfolgte die Beteiligung nicht an einer Dachfondsgesellschaft, sondern mit einem prozentualen Anteil der Gesamtbeteiligungssumme an den jeweiligen Einschiffgesellschaften. Bei den Schiffen handelt es sich um sechs Neubauten und ein nur wenige Monate altes Schiff mit variierenden Größen vom Standardcontainer bis zur Panamax-Klasse. Die Schiffe waren zunächst für fünf bis acht Jahre fest verchartert und es waren Ausschüttungen von jährlich 7,5 bis 9 Prozent bezogen auf die Nominalbeteiligung geplant. Die Gesamtinvestition betrug 377.310.000,00 USD mit einem Eigenkapital von 139.910.000,00 USD und 237.400.000,00 USD Fremdkapital. Beratung und Vertrieb der Anlage erfolgte durch die Beklagte. Insgesamt erhielt die Klägerin, die ihre Einlage nebst Agio am 1.6.2006 vollständig bezahlte, Ausschüttungen von mindestens 3.690,76 EUR.

Die Klägerin behauptet, über die mit der Anlage verbundenen Risiken weder durch die persönliche Beratung der Beklagten, noch über den Prospektinhalt ausreichend aufgeklärt worden zu sein und beruft sich im Übrigen auf die Vermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens. Der Prospekt sei zwar vor der Zeichnung nicht übergeben worden, die Beratung habe aber auf Fehlern des Prospekts beruht. Der Berater habe sich anhand des Prospektes auf die Beratung vorbereitet und bei seiner Beratung – insbesondere zu vermeintlichen Vorteilen – Inhalte aus dem Prospekt zusammengefasst und mit eigenen Worten erläutert. Die im Prospekt enthaltenen Fehler, die in der Klageschrift im Einzelnen dargestellt werden (vgl. dazu obige Feststellungsziele), habe der Berater auch nicht richtiggestellt. Hilfsweise macht sich die Klägerin die Behauptung der Beklagten zu eigen, der Prospekt sei einige Tage vor der Zeichnung übergeben worden. Zur Beratung sei außerdem eine Kurzinformation über den Fonds, Stand Dezember 2005, genutzt worden, in der damit geworben werde, dass die Schiffe mit ihrer Größe den Vorteil haben, dass sie noch durch den Panamakanal passen. Dass diese Darstellung angesichts der seit 2004 bekanntermaßen geplanten Erweiterung des Panamakanals die Zukunft der Beteiligung nicht widerspiegele, sei nicht richtiggestellt worden.

Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung, bestreitet die Aufklärungsmängel und behauptet, die Klägerin habe den Prospekt einige Tage vor der Zeichnung erhalten.

6.

Zeitpunkt des Eingangs des Musterverfahrensantrages beim Prozessgericht:

31.03.2016

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