Musterkläger (gem. § 9 Abs. 2 KapMuG vom Hanseatischen Oberlandesgericht zu bestimmen)
– Antragsteller – |
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte KWAG, Lofthaus 4, Am Winterhafen 3a, 28217 Bremen
gegen
1) |
MPC Capital Investments GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer Jörn Ulf Klepper und Stephan Langkawel, Palmaille 67, 22767 Hamburg |
– Antragsgegnerin – |
2) |
TVP Treuhand und Verwaltungsgesellschaft für Publikumsfonds mbH & Co. KG, vertreten durch d. Verwaltung TVP Treuhand GmbH, diese vertreten durch ihre jeweils einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer Tobias Boehncke und Dr. Christian Gerlach, Palmaille 67, 22767 Hamburg |
– Antragsgegnerin – |
3) |
Reederei Claus-Peter Offen (GmbH & Co.) KG, vertreten durch d. persönl. haft. Gesellschafterin Verwaltungsgesellschaft Reederei Claus-Peter Offen mbH, diese vertreten durch die Geschäftsführer Claus-Peter Offen, Claus Oliver Offen, Jan Hendrik Offen und Andreas Baron von der Recke, Bleichenbrücke 10, 20354 Hamburg |
– Antragsgegnerin – |
Prozessbevollmächtigte zu 1 – 3:
Rechtsanwälte Könnecke, Naujok, Berliner Allee 42, 40212 Düsseldorf
beschließt das Landgericht Hamburg – Zivilkammer 5 – durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Dörffler, den Richter am Landgericht Dr. L. Clausen und den Richter am Landgericht Daniels am 08.03.2017:
I. |
Dem Hanseatischen Oberlandesgericht werden zum Zwecke der Herbeiführung eines Musterentscheids gemäß § 6 Abs. 1 KapMuG folgende Feststellungsziele vorgelegt:
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II. |
Dieser Vorlagebeschlusses und das Datum seiner Veröffentlichung sind gemäß § 6 Abs. 4 KapMuG im Klageregister öffentlich bekannt zu machen. |
Gründe:
I.
Die Antragssteller der inhaltlich identischen Musterverfahrensanträge begehren jeweils die Rückabwicklung einer Kommanditbeteiligung an der Beteiligungsgesellschaft CPO Nordamerika-Schiffe 1 mbH & Co. KG im Wege des Schadensersatzes aus Prospekthaftung im weiteren Sinne bzw. vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung von den Antragsgegnerinnen als Gründungskommanditistinnen einer Publikums-KG.
Bei der streitgegenständlichen Kapitalanlage handelt es sich um die Beteiligung an einem geschlossenen Schiffsfonds, der sich wiederum an fünf Ein-Schiffsgesellschaften beteiligte, die jeweils ein Containerschiff der Panamaxklasse mit 4.255 Containerstellplätzen betrieben. Die Antragssteller zeichneten über die Antragsgegnerin zu 2) als Treuhandkommanditistin jeweils eine mittelbare Beteiligung an dem Fonds. Bei den Antragsgegnerinnen handelt es sich um Gründungskommanditistinnen der Fondsgesellschaft (s. Prospekt, S. 48 ff.). Die Beklagte zu 1) war u.a. zugleich Anbieterin der Vermögensanlage und Prospektiererin des Beteiligungsangebots, die Beklagte zu 2) war zugleich Treuhandkommanditistin der Fondsgesellschaft, die Beklagte zu 3) u.a. zugleich Vertragsreederin.
Grundlage für den Vertrieb des Beteiligungsangebots war der von der Antragsgegnerin 1) herausgegebene und am 01.02.2008 aufgestellte Emissionsprospekt.
Die Antragssteller tragen vor, der Emissionsprospekt vom 01.02.2008 sei fehlerhaft, weil er in erheblichen Punkten unrichtig, unvollständig und irreführend sei und die in den beantragten Feststellungszielen im Einzelnen aufgeführten Mängel aufweise. Die Antragsteller sind der Ansicht, die Antragsgegnerinnen hafteten ihnen gegenüber nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne.
Die Antragssteller der Musterverfahrensanträge beantragen jeweils,
den hiesigen Feststellungsantrag nach § 3 Abs. 2 KapMuG im Klageregister zu veröffentlichen, das vorliegende Verfahren gemäß § 5 KapMuG zu unterbrechen und bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 S. 1 KapMuG den Musterfeststellungsantrag des Anlegers dem Oberlandesgericht Hamburg zur Entscheidung vorzulegen. |
Die Antragsgegnerinnen beantragen,
den Antrag auf Durchführung eines Musterverfahrens nach § 2 Abs. 1 KapMuG zurückzuweisen. |
Die Antragsgegnerinnen tragen vor, die Musterverfahrensanträge seien unzulässig. Die Feststellungsziele seien untauglich und enthielten keine Angabe geeigneter Beweismittel zum Beweis der geltend gemachten Feststellungsziele gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG. Die Anträge seien im Übrigen allein zum Zwecke der Prozessverschleppung gestellt worden. Wegen der ihrerseits erhobenen Einrede der Verjährung fehle es an der erforderlichen Entscheidungserheblichkeit einzelner Feststellungsziele. Es fehle ferner am Rechtsschutzinteresse der Anleger.
II.
1.
Das Landgericht Hamburg ist für die Entscheidung über den Vorlagebeschluss zuständig, weil die Zuständigkeit eines anderen Gerichts gemäß § 6 Abs. 2 KapMuG nicht gegeben ist. Ausweislich des Klageregisters nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz sind bis zum Zeitpunkt des Vorlagebeschlusses keine gleichgerichteten Musterverfahrensanträge bekannt gemacht worden.
2.
Die Musterverfahrensanträge sind in ihren Feststellungszielen statthaft, denn die geltend gemachten Anträge fallen in den Anwendungsbereich des § 1 KapMuG. Es werden vorliegend insbesondere Schadensersatzansprüche wegen Verwendung falscher oder irreführender öffentlicher Kapitalmarktinformationen geltend gemacht, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG musterverfahrensfähig sind. Bei den Angaben aus dem Emissionsprospekt vom 01.02.2008 handelt es sich unzweifelhaft um eine öffentliche Kapitalmarkinformation i.S.d. §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 2 Abs. 2 KapMuG.
3.
Die Kammer hat gemäß § 3 Abs. 4 KapMuG von der gemäß § 3 Abs. 2 KapMuG grundsätzlich vorgesehenen öffentlichen Bekanntmachung der Musterverfahrensanträge im Klageregister abgesehen, weil die Voraussetzungen für eine Vorlage an das Hanseatische Oberlandesgericht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KapMuG bereits vorliegen. Es liegen bei der Kammer 10 anhängige Verfahren mit gleichgerichteten Musterverfahrensanträgen unter folgenden Aktenzeichen vor:
305 O 453/15
305 O 116/16
305 O 156/16
305 O 359/16
305 O 369/16
305 O 370/16
305 O 429/16
305 O 430/16
305 O 452/16
305 O 462/16
Die Kammer weist mit Hinblick auf § 8 Abs. 4 KapMuG bereits jetzt darauf hin, dass bei ihr zahlreiche weitere Verfahren mit anderen Klägervertretern bezüglich der Beteiligungsmöglichkeit an der Beteiligungsgesellschaft CPO Nordamerika-Schiffe 1 mbH & Co. KG anhängig sind, in denen bislang keine Musterverfahrensanträge gestellt wurden, deren Entscheidung jedoch von den o.g. Feststellungszielen abhängt. Die Kammer wird das Hanseatische Oberlandesgericht zu gegebener Zeit über eine etwaige Aussetzung dieser Verfahren zu informieren haben.
4.
Die Musterverfahrensanträge sind mit ihren geltend gemachten Feststellungszielen nicht (auch nicht teilweise) gemäß § 3 Abs. 1 KapMuG unzulässig.
a.) Die Feststellungsziele zu Ziffer I. Nr. 1 des Tenors sind nicht zu beanstanden.
aa.) Die „Verantwortlichkeit“ im Sinne dieses Feststellungsziels ist im Wege der Auslegung so zu verstehen, dass damit nicht allein die Prospektverantwortlichkeit im engeren Sinne, sondern eben gerade auch die Passivlegitimation im Hinblick auf die geltend gemachten Prospekthaftungsansprüche im weiteren Sinne gemeint sein soll. Dies ergibt sich schon aus dem jeweiligen Klagebegehren der Antragsteller.
bb.) Ob die Antragsgegnerinnen bei der Veröffentlichung des Prospekts nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne schuldhaft gehandelt haben, betrifft die Frage, ob die behaupteten Prospektfehler von ihnen zu vertreten sind. Die Frage des Verschuldens wird in allen Fällen gleich zu beurteilen sein und stellt daher ein musterfeststellungsfähiges Feststellungsziel dar. Soweit die Antragsgegnerinnen den für dieses Feststellungsziel angeführten Fondsprospekt als ungeeignetes Beweismittel i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG rügen, folgt die Kammer dem nicht.
cc.) Das Feststellungsziel der Haftung der Antragsgegnerinnen wegen ihrer Verletzung ihrer Aufklärungspflicht ist nach Ansicht der Kammer nicht zu beanstanden. Es betrifft ebenfalls die Frage, ob sie für Prospekthaftungsansprüche im weiteren Sinne haftbar gemacht werden können, was zulässig ist (s.o.).
b.) Soweit die Antragsgegnerinnen weiter die Ungeeignetheit der angegebenen Beweismittel zum Beweis der geltend gemachten Feststellungsziele gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG rügen, folgt die Kammer dem nicht. Eine Zurückweisung der Musterfeststellungsanträge wegen ungeeigneter Beweismittel kommt nur in Betracht, wenn das Gericht hiervon überzeugt ist und deshalb die Durchführung eines Musterverfahrens als sinnlos erscheinen muss. Die Annahme einer Ungeeignetheit wird nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen (Kruis in: Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. Aufl. 2014, § 3 Rn. 68). Eine Ablehnung kommt nur dann in Betracht, wenn kein einziges geeignetes Beweismittel im Musterverfahrensantrag bezeichnet worden ist. Andernfalls ist der Antrag uneingeschränkt zuzulassen (Kruis a.a.O., § 3 Rn. 70). Die Antragssteller der Musterverfahrensanträge haben sowohl den Emissionsprospekt als auch Sachverständigenbeweis zum Beweis der geltend gemachten Feststellungsziele angeboten, was nach Ansicht der Kammer die Durchführung eines Musterverfahrens nicht von vornherein als sinnlos erscheinen lässt. Der Einwand der Antragsgegnerinnen greift daher nicht durch.
c.) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerinnen sind die Anträge nicht gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 4 KapMuG wegen Prozessverschleppung unzulässig. Eine Verschleppungsabsicht i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 4 KapMuG setzt ein rechtsmissbräuchliches Vorgehen voraus, welches eine Verfahrensverzögerung zum Ziel hat. Ein solches Vorgehen vermag die Kammer vorliegend nicht zu erkennen. Allein aufgrund der Tatsache, dass der Rechtsstreit durch das Musterverfahren objektiv verzögert wird, genügt nach Ansicht der Kammer nicht, weil andernfalls stets durch die Beantragung eines Musterverfahren eine Prozessverschleppung zu bejahen wäre. Dem Gesetzgeber kam es allerdings nicht auf die Beschleunigung jedes einzelnen Verfahrens an, sondern auf die Beschleunigung der Gesamtheit aller Verfahren (vgl. Kruis a.a.O., § 3 Rn. 78). Eine Prozessverschleppungsabsicht der Antragssteller ist auch nicht deshalb zu erkennen, weil die erkennende Kammer (Urteile vom 08.03.2017; Az. 305 O 495/15, 305 O 537/15, 305 O 549/15) oder andere Kammern (Urteil vom 05.10.2015; Az. 318 O 343/14) des Landgerichts bereits durch Urteil über Verfahren entschieden haben, in denen der streitgegenständliche Emissionsprospekt inhaltlich auf Prospektfehler zu überprüfen war. Dass den Antragsstellern der Musterverfahrensanträge dadurch die Möglichkeit eines Kapitalmusterverfahrens genommen würde, sieht das Gesetz nicht vor.
d.) Die Antragsgegnerinnen können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, einzelne Feststellungsziele bezogen auf die fehlerhafte Darstellung der mit dem Beteiligungsangebot verbundenen Risiken seien gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG unzulässig, weil die Antragssteller jedenfalls mit Erhalt von Geschäfts- und Treuhandberichten frühzeitig informiert worden seien. Die Kammer folgt insoweit der Auffassung der Antragsgegnerinnen, dass hierdurch die Entscheidung des zugrunde liegenden Rechtsstreits nicht von den geltend gemachten Feststellungszielen abhänge, weil Schadensersatzansprüche aufgrund dieser übermittelten Information verjährt seien, nicht.
e.) Die Antragsgegnerinnen können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, den Antragstellern der Musterverfahrensanträge fehle das erforderliche Rechtsschutzinteresse. Hierfür tragen die Antragsgegnerinnen keine konkreten Anhaltspunkte vor. Im Übrigen wird auf die Ausführungen zur behaupteten Prozessverschleppungsabsicht unter lit. c.) verwiesen, die sinngemäß auch für den Einwand des fehlenden Rechtsschutzinteresses gelten.
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Rechtsbehelfsbelehrung:
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 6 Abs. 1 Satz 2 KapMuG.
Dörffler | Dr. L. Clausen | Daniels | ||
Vorsitzende Richterin am Landgericht |
Richter am Landgericht |
Richter am Landgericht |
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