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Musterverfahrensantrag 8 O 492/19 gegen Warth & Klein Grant Thornton AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

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Beglaubigte Abschrift

8 O 492/​19

Landgericht Düsseldorf

Beschluss

In dem Rechtsstreit

der Montrachet Investments S.A. MMG Tower, vertreten durch die Directores, das 23rd. floor Costa del Este, P.O.Box 0816-1547, Avenida Paseo del Mar, Panama City, Panama,

Klägerin,

Prozessbevollmächtigte: Frau Rechtsanwältin Daniela A. Bergdolt, Nibelungenstraße 84, 80639 München,
Rechtsanwälte Dr. Späth, Kurfürstendamm 102, 10711 Berlin,
gegen

die Warth & Klein Grant Thornton AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, vertreten durch den Vorstand, Johannstraße 39-40, 40476 Düsseldorf,

Beklagte,

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Wirtz und Kraneis,
Sachsenring 83, 50677 Köln,

hat die 8. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf
am 24.11.2022
durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Schmitz, die Richterin am Landgericht Dr. Ehlers und die Richterin Hirt

beschlossen:

A)

Dem Oberlandesgericht Köln werden gemäß § 6 Abs. 1 KapMuG zum Zwecke der Herbeiführung eines Musterentscheids folgende Feststellungsziele vorgelegt:

I.

Es wird festgestellt, dass die getgoods.de Vertriebs GmbH (vormals HTM GmbH Handy-Trends+More) spätestens zum 31.08.2012 zahlungsunfähig war.

II.

Es wird festgestellt, dass eine Zahlungsunfähigkeit der getgoods.de Vertriebs GmbH (vormals HTM GmbH Handy-Trends+More) im Zeitraum ihres Eintretens eine bilanzielle Überschuldung der getgoods.de AG zur Folge hatte.

III.

Es wird festgestellt, dass die getgoods.de AG spätestens zum 31.12.2012 bilanziell überschuldet war.

IV.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte die Zahlungsunfähigkeit der getgoods.de Vertriebs GmbH (vormals HTM GmbH Handy-Trends+More) spätestens zum 31.08.2012 hätte erkennen müssen.

Es wird festgestellt, dass die Zahlungsunfähigkeit der getgoods.de Vertriebs GmbH (vormals HTM GmbH Handy-Trends+More) für die Beklagte erkennbar gewesen wäre, wenn sie die Konten der getgoods.de Vertriebs GmbH (vormals HTM GmbH Handy-Trends+More), insbesondere die laufenden Kontostände ausgewertet hätte.

V.

Es wird festgestellt, dass der Vertrag zwischen der Beklagten und der getgoods.de AG, mit dem die Beklagte es übernommen hat, den Jahresabschluss der getgoods.de AG für das Jahr 2012 zu prüfen, ein Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter war und die Zeichner der Anleihe WKN A1PWVS in den Schutzbereich dieses Vertrages einbezogen waren.

VI.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte ihre Verpflichtung aus dem Vertrag über die Prüfung des Jahresabschlusses mit der getgoods.de AG verletzt hat, indem sie dem Jahresabschluss für das Jahr 2012 ein uneingeschränktes Testat erteilt hat.

VII.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte in dem Testat unter dem Jahresabschluss für das Jahr 2012 bei der getgoods.de AG einen inhaltlich unrichtigen Bestätigungsvermerk im Sinne von §§ 332 Abs. 1 HGB i.V.m. § 322 HGB erteilt hat.

1.

Es wird festgestellt, dass die Erteilung eines uneingeschränkten Testats unter dem Jahresabschluss der getgoods.de AG bei Kenntnis der laufenden Kontostände der getgoods.de AG und ihrer Töchter billigend in Kauf nimmt, dass dieses Testat unrichtig ist.

2.

Es wird festgestellt, dass die Erteilung eines uneingeschränkten Testats unter dem Jahresabschluss der getgoods.de AG ohne die Kenntnis der laufenden Kontostände der getgoods.de AG billigend in Kauf nimmt, dass dieses Testat unrichtig ist.

VIII.

Es wird festgestellt, dass die Kausalitätsvermutung des aufklärungsrichtigen Verhaltens für die Anleger der Anleihe WKN A1PWVS greift.

IX.

Es wird festgestellt, dass der testierte Jahresabschluss der getgoods.de AG für das Jahr 2012 zu einer positiven Anlagestimmung geführt hat.

X.

Es wird festgestellt, dass für einen Abschlussprüfer für die Bestimmung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt die Verlautbarungen des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) maßgeblich sind.

XI.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt einen uneingeschränkt positiven Bestätigungsvermerk unter den Jahresabschluss für das Jahr 2012 der getgoods.de AG nicht hätte erteilen dürfen.

XII.

Es wird festgestellt, dass für die Beklagte als Wirtschaftsprüferin und als Mitglied im IDW ein Verstoß gegen die Inhalte der Verlautbarungen des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) ein bewusstes Inkaufnehmen einer falschen Testierung darstellt.

XIII.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte sich sittenwidrig i.S.v. § 826 BGB verhalten hat, weil sie sich grob fahrlässig der Einsicht in die Unrichtigkeit ihres Bestätigungsvermerks verschlossen hat.

XIV.

Es wird festgestellt, dass eine für den Lauf der kenntnisabhängigen Verjährungsfrist maßgebliche Kenntnis der Anleihegläubiger der geetgoods.de AG von den Ansprüchen gegen die Beklagte begründenden Umständen erst mit Kenntnis des Gutachtes der Graf Treuhand GmbH Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung vom 29.01.2015 möglich war.

B)

Dieser Vorlagebeschluss ist gemäß § 6 Abs. 4 KapMuG im Klageregister des Bundesanzeigers öffentlich bekannt zu machen.

Gründe:

I.
Der Kläger begehrt von der Beklagten als Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Schadensersatz wegen des Erwerbs von Anleihen der getgoods.de AG.

Die Beklagte ist eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft mit Sitz in Düsseldorf. Sie hatte den Auftrag zur Prüfung des Jahresabschlusses für das Jahr 2012 sowohl für die getgoods.de AG, als auch für den Konzern und die getgoods.de Vertriebs GmbH. Sie erteilte die Testate für die jeweiligen Abschlüsse. Die Klägerin behauptet, die NGM AG habe die Anleihen im Auftrag und auf Rechnung der Klägerin gezeichnet. Sie behauptet ferner, die getgoods.de Vertriebs GmbH sei spätestens zum 31.08.2012 zahlungsunfähig gewesen. Daher seien die in den Abschlüssen der AG und des Konzerns eingestellten Aktivposten gegenüber der GmbH nicht mehr werthaltig gewesen. Bei einer entsprechenden Berichtigung der Abschlüsse sei die AG bereits Ende Februar 2012, spätestens seit dem 01.06.2013 überschuldet gewesen.

Der Beklagte habe die wahre Bilanzsituation erkennen können, so dass ihre Bestätigungsvermerke falsch seien. Die Beklagte hafte daher aus Pflichtverletzung eines Vertrages mit Schutzwirkung zugunsten Dritter – hier der Anleihegläubiger – sowie aus § 826 BGB und aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. diversen Schutzgesetzen.

II.
Der Antrag ist zulässig.

Die 8. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf ist für die Vorlage zuständig, weil der erste zur Veröffentlichung ins Klageregister gelangte Musterverfahrensantrag am 14.05.2020 zum Verfahren 8 O 492/​19 beim Landgericht Düsseldorf einging. Der früheste Eingang eines Musterverfahrensantrages am Landgericht Frankfurt/​Oder war am 28.09.2020 in 19 O 189/​20.

Das Quorum gemäß § 6 Abs. 1 KapMuG ist erreicht. Es sind derzeit in folgenden Verfahren (alle Landgericht Frankfurt/​Oder) Musterverfahrensanträge zu nachfolgenden Daten veröffentlicht worden:

19 O 204/​20 12.03.2021
19 O 189/​20 12.03.2021
19 O 210/​20 12.03.2021
19 O 234/​20 12.03.2021
19 O 9/​21 15.03.2021
19 O 70/​21 18.05.2021
19 O 84/​21 20.07.2021
19 O 76/​21 21.07.2021
19 O 101/​21 02.08.2021
19 O 130/​21 23.08.2021

Die vorgenannten Musterverfahrensanträge sind in der Form der jeweils im Bundesanzeiger veröffentlichten Beschlussfassung für das Oberlandesgericht als Anlagen beigefügt (vgl. Hess, Reuschle, Rimmelspacher, Kölner Kommentar zum KapMuG, 2. Aufl., § 6 Rn. 67).

Der vorläufige Streitwert in dem Verfahren 8 O 492/​19 beträgt 6.692.753,61 EUR (Leistungsantrag zu 1.).

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 6 Abs. 1 S. 2 KapMuG).

 

Dr. Schmitz                Dr. Ehlers                Hirt

 

Beglaubigt
Urkundsbeamter/​in der Geschäftsstelle
Landgericht Düsseldorf

 

 

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