Auf Antrag der Kläger und der Beklagten wird gemäß § 3 Abs. 2 KapMuG folgender Musterverfahrensantrag im Bundesanzeiger unter der Rubrik „Klageregister nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz“ (Klageregister) öffentlich bekannt gemacht:
I. Beklagte:
Volkswagen AG vertr. d. d. Vorstand, Berliner Ring 2, 38440 Wolfsburg.
II. Bezeichnung des von dem Musterverfahrensantrag betroffenen Emittenten von Wertpapieren oder von Anbietern von sonstigen Vermögensanlagen:
Volkswagen AG vertr. d. d. Vorstand, Berliner Ring 2, 38440 Wolfsburg.
III. Bezeichnung des Prozessgerichtes:
Landgericht Braunschweig
IV. Aktenzeichen des Prozessgerichtes:
5 O 158/16
V. Feststellungsziele des Musterverfahrensantrags klägerseits:
1. Es wird festgestellt, dass es sich bei der Entscheidung der Antragsgegnerin zum Einbau der Manipulationssoftware in ihren Dieselfahrzeigen, um den tatsächlichen Stickoxid-Ausstoß zu verschleiern, in den Jahren 2005 und 2006 um eine Insiderinformation im Sinne von § 13 WpHG handelt und diese Insiderinformation die Antragsgegnerin unmittelbar im Sinne von § 37b Abs. 1 WpHG betrifft.
2. Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin im Jahre 2011 über die Verwendung einer Manipulationssoftware in ihren Dieselfahrzeugen, um den tatsächlichen Stickoxid-Ausstoß zu verschleiern, durch einen ihrer Techniker informiert worden ist, es sich bei dieser Tatsache im eine Insiderinformation im Sinne von § 13 WpHG handelt und diese Insiderinformation die Antragsgegnerin unmittelbar im Sinne von § 37 Abs. 1 WpHG betrifft.
3. Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin bereits im Mai 2014 Kenntnis von Tests der CARB und der Tatsache, dass einige der Fahrzeuge der Beklagten die zulässigen Grenzwerte um den Faktor 15 bis 35 überstiegen, hatte.
4. Es wird festgestellt, dass die Beklagte der CARB gegenüber im Mai 2014 die Kenntnis der überhöhten Messwerte und im Oktober 2014 bestätigte, dass die Messwerte einiger in den USA vertriebenen Fahrzeuge der Beklagten erheblich über den Höchstwerten lagen und eine Software vorstellte, die die Emissionen reduzieren sollte.
5. Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin spätestens im Dezember 2014 durch eigene Untersuchungen feststellte, dass der tatsächliche Stickoxid-Ausstoß ihrer Dieselfahrzeuge erheblich über den Prüfstand werten liegt, es sich dabei um eine Insider Information im Sinne von § 13 WpHG handelt und diese Insiderinformation die Antragsgegnerin unmittelbar im Sinne von § 37b Abs. 1 WpHG betrifft.
6. Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin bereits Anfang September 2015 gegenüber der EPA (United States Environmental Protection Agency) und CARB (California Air Resources Board) zugab, dass in ihren Dieselfahrzeugen eine Manipulationssoftware installiert worden ist, um den tatsächlichen Stickoxid-Ausstoß ihrer Dieselfahrzeuge zu verschleiern, es sich dabei um eine Insiderinformation im Sinne von § 13 WpHG handelt und diese Insiderinformation die Antragsgegnerin unmittelbar im Sinne von § 37b Abs. 1 WpHG betrifft.
7. Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin am 18.09.2015 eine Mitteilung der EPA erhielt, in der der Antragsgegnerin mitgeteilt worden ist, dass ein Verstoß der Antragsgegnerin gegen den Clean Air Act festgestellt worden ist, es sich dabei um eine Insiderinformation im Sinne von § 13 WpHG handelt und diese Insiderinformation die Antragsgegnerin unmittelbar im Sinne von § 37b Abs. 1 WpHG betrifft.
8. Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin es unterlassen hat, die unter Nr. 1-5 genannten Insiderinformation unverzüglich im Sinne von § 37b Abs. 1 WpHG zu veröffentlichen.
9. Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin ihre Pflicht zur unverzüglichen Veröffentlichung von Insiderinformationen nach § 15 Abs. 1 WpHG verletzt hat.
10. Es wird festgestellt, dass die Antragsgegnerin nicht von der Veröffentlichungspflicht nach § 15 Abs. 3 S. 1 WpHG befreit war.
11. Es wird festgestellt, dass das Unterlassen der Veröffentlichung der vorbezeichneten Insiderinformationen (Anträge 1-5) sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB ist.
VI. Feststellungsziele des Musterverfahrensantrags beklagtenseits:
1. | a) | Es wird festgestellt, dass die im Frühjahr 2014 in den USA vorgenommenen Abgasuntersuchungen der US-Umweltbehörden CARB und EPA, die hierbei festgestellten Unregelmäßigkeiten sowie die anschließenden Gespräche zwischen der Beklagten und den US-Umweltbehörden über die technischen Ursachen der festgestellten Unregelmäßigkeiten und über etwaige Lösungen Bestandteile eines komplexen und gestreckten Sachverhalts darstellen, die sich erst am 18. Sept. 2015 mit dem öffentlichen Bekanntwerden der unzulässigen Beeinflussung von Schadstoffmessungen bei Diesel-Fahrzeugen der VW-Gruppe aufgrund der an diesem Tag veröffentlichten Notice of Violation sowie der diesbezüglichen Pressekonferenz der EPA an demselben Tag zu einer kursrelevanten Insiderinformation i.S.d. §§ 13, 15 WpHG verdichtet hatten, die jedoch infolge der Veröffentlichung durch die EPA bereit öffentlich bekannt und daher nicht publizitätspflichtig war. |
b) | Es wird festgestellt, dass eine über die Insiderinformation gemäß Antrag zu 1.a hinausgehende weitere publizitätspflichtige Insiderinformation im Zusammenhang mit der unzulässigen Beeinflussung von Schadstoffmessungen bei Diesel-Fahrzeugen der VW-Gruppe erst am 22. Sept. 2015 vorlag, nachdem Volkswagen die wirtschaftlichen Auswirkungen des öffentlich bekannt gewordenen Compliance-Verstoßes ermittelt und eine vorsorgliche Rückstellung gebildet hatte. | |
c) | Es wird festgestellt, dass Volkswagen die Insiderinformation gemäß Antrag zu 1.b am 22. Sept. 2015 unverzüglich i.S.d. § 15 Abs. 1 WpHG veröffentlicht hat. | |
d) | Es wird festgestellt, dass es vor dem 18. Sept. 2015 keine Umstände oder Ereignisse im Zusammenhang mit der unzulässigen Beeinflussung von Schadstoffmessungen bei Diesel-Fahrzeugen der VW-Gruppe gab, die als wesentliche Zwischenschritte eigenständige publizitätspflichtige Insiderinformationen i.S.d. § 15 WpHG darstellen. | |
e) | Es wird festgestellt, dass es vor dem 18. Sept. 2015 keine Umstände oder Ereignisse im Zusammenhang mit der unzulässigen Beeinflussung von Schadstoffmessungen bei Diesel-Fahrzeugen der VW-Gruppe gab, die ein erhebliches Kursbeeinflussungspotential hatten und daher publizitätspflichtige Insiderinformationen i.S.d. § 15 WpHG darstellen. | |
2. | Es wird festgestellt, dass die Beklagte jedenfalls ab Kenntnis der nach US-amerikanischem Umweltrecht als unzulässiges Defeat Device einzustufenden Softwareveränderung, nach § 15 Abs. 3 WpHG zum Schutz ihrer berechtigten Interessen von der Ad-hoc-Publizitätspflicht befreit war. | |
3. | Es wird festgestellt, dass zudem eine Schadenszurechnung nach dem Grundsatz des rechtmäßigen Alternativverhaltens entfällt, weil die Selbstbefreiungsvoraussetzungen nach § 15 Abs. 3 WpHG vorlagen. | |
4. | Es wird festgestellt, dass der Vorstand der Beklagten nicht schuldhaft i.S.d. § 37b WpHG handelte, da er die ihm sukzessive zur Kenntnis gebrachten Informationen über die Abgasuntersuchungen der US-Behörden und deren technische Ursachen stets fehlerfrei beurteilte und auf der Grundlage der ihm vorliegenden und von ihm sorgfältig analysierten Einschätzungen seiner Rechtsberater davon ausgehen durfte, die Dieselthematik zeitnah ohne kursrelevante Verwerfungen für das Gesamtunternehmen im Verhandlungswege mit den US-Behörden lösen zu können. | |
5. | Es wird festgestellt, dass die Beklagte den Kapitalmarkt nicht grob unrichtig i.S.d. § 826 BGB informierte, indem sie vor dem 22. Sept. 2015 davon absah, eine Ad-hoc-Mitteilung im Zusammenhang mit den Abgasuntersuchungen der US-Behörden und deren technische Ursachen zu veröffentlichen. | |
6. | Es wird festgestellt, dass die Beklagte weder sittenwidrig noch vorsätzlich i.S.d. § 826 BGB handelte, indem sie nicht vor dem 22. Sept. 2015 eine Ad-hoc-Mitteilung im Zusammenhang mit den Abgasuntersuchungen der US-Behörden und deren technische Ursachen veröffentlichte. |
VII. Knappe Darstellung des Lebenssachverhaltes:
Die Kläger machen als Aktionäre der Beklagten Ansprüche gegen diese wegen unterlassener Ad-hoc-Mitteilungen im Hinblick auf den sog. Abgasskandal (Manipulationen bei der Software von Dieselmotoren) und damit verbundene mögliche Strafforderungen US-amerikanischer Umweltbehörden geltend. Die Kläger meinen, die Beklagte hätte eine Ad-hoc-Publizitätspflicht frühzeitig nach Bekanntwerden der Manipulationen an den Dieselmotoren getroffen. Der Vorstand der Beklagten hätte spätestens seit Frühjahr 2014 aufgrund von Prüfungen US-amerikanischer Umweltbehörden von den Manipulationen Kenntnis erlangt. Der Beklagten sei auch bekannt, dass die US-amerikanischen Umweltbehörden bei Verstößen gegen Abgasvorschriften hohe Geldstrafen verhängen dürften, was erheblichen Einfluss auf die Werthaltigkeit der Aktie habe. Daher hätte die Beklagte spätestens 2014 zum Schutz der Aktionäre eine Ad-hoc-Mitteilung darüber abgeben müssen. Wäre die Beklagte ihrer Mitteilungspflicht nachgekommen, so hätten die Kläger am 29.07.2015 und am 24.08.2015 keine VW Aktien erworben.
VIII. Zeitpunkt des Eingangs des Musterverfahrensantrages beim Prozessgericht:
Der Musterverfahrensantrag der Kläger ist am 25.01.2016 bei Gericht eingegangen. Beklagtenseits ist der Antrag am 29.03.2016 eingegangen.
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