Marine Le Pen, Frankreichs Vorzeigepolitikerin des Rechtspopulismus, hat sich beim ersten Auftritt im Prozess um die angebliche Veruntreuung von EU-Geldern mal wieder als das unschuldige Opfer politischer Machenschaften inszeniert. „Ich habe nicht den geringsten Hauch eines Fehlers gemacht“, erklärte sie vor dem Pariser Strafgericht mit der Selbstsicherheit, die man nur von jemandem erwarten kann, der sich offenbar nie von Regeln oder Gesetzen beeinträchtigen lässt.
Der Prozess dreht sich um die raffiniert ausgedachte Beschäftigung von Assistenten, die anscheinend viel mehr mit der Parteiarbeit im Europaparlament zu tun hatten als mit ihren eigentlichen Aufgaben. Man könnte fast meinen, Assistenten wurden eingestellt, um tatsächlich zu assistieren – allerdings nicht der EU, sondern der RN-Partei und natürlich der unermüdlichen Le Pen selbst.
Besonders pikant: Sollte Le Pen tatsächlich verurteilt werden, könnte sie sich für bis zu zehn Jahre im Gefängnis eine Auszeit gönnen und hätte dann noch das Privileg, nie wieder bei Wahlen antreten zu müssen. Was für ein bedauerlicher Verlust für die französische Demokratie das doch wäre! Ihre geplante Präsidentschaftskandidatur für 2027 könnte damit ins Wanken geraten. Man kann sich die Tränen der Enttäuschung der Wählerschaft bereits vorstellen.
Ihr 96-jähriger Vater, der Patriarch Jean-Marie Le Pen, der offenbar noch immer nicht genug vom Rampenlicht hat, wurde aufgrund seines Alters vom Prozess befreit. Das EU-Parlament, das die Nebenklage führt, beziffert den Schaden auf schlappe drei Millionen Euro. Immerhin, eine Million hat die Partei schon zurückgezahlt – natürlich ohne ein Schuldeingeständnis, denn was wäre das für ein Präzedenzfall!
Den Stein ins Rollen brachte einst Martin Schulz, der deutsche Präsident des Europaparlaments, der anscheinend nichts Besseres zu tun hatte, als sich 2015 mit der Rechtspopulistin anzulegen. Und jetzt, nach Jahren der akribischen Ermittlungen, stehen nicht nur Le Pen, sondern gleich eine ganze Riege an EU-Abgeordneten und Assistenten vor Gericht. Man darf gespannt sein, ob es Le Pen gelingt, ihre Unschuld auch diesmal so überzeugend darzustellen wie gewohnt – schließlich ist sie darin schon seit Jahren eine wahre Meisterin.
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