Die EU-Kommission hat heute einen umfassenden Vorschlag zur Bekämpfung von Kindesmissbrauch im Netz vorgelegt. Bei der Präsentation in Brüssel sagte Kommissarin Ylva Johansson, dass man es heute nicht schaffe, „Kinder zu schützen“ – dass nun vorgestellte Paket solle vor allem die Erkennung von Material, das Kindesmissbrauch beinhaltet, erleichtern, so Johansson.
Im Vorfeld gab es bereits scharfe Kritik von Datenschützerinnen und Datenschützern. Der EU-Vorstoß ziele auf „Anbieter von Diensten und Hosting“ ab. Der Vorschlag sei unter anderem mit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vereinbar, so Johansson.
Sie verwies auch auf die ePrivacy-Verordnung, die es bereits jetzt Anbietern ermögliche, Datenverkehr nach Spam und Schadsoftware zu scannen. Firmen würden danach „wegen des Profits“ suchen – nun soll es deren Pflicht werden, auch auf kinderpornografisches Material zu prüfen.
Die Überwachung soll nur mit einem „Erkennungsbefehl“ durchgeführt werden dürfen, dazu soll auch eine unabhängige Behörde im jeweiligen Mitgliedsland einbezogen werden. Details, wie das Durchleuchten der Nachrichten in der Praxis funktionieren soll, nannte sie nicht. Im Vorschlag ist lediglich von einer technischen Maßnahme die Rede.
Neue Behörde wird eingerichtet
Eine neue unabhängige Behörde solle extra für diesen Zweck eingerichtet werden, so Johansson weiter. Diese solle mit Europol zusammenarbeiten und einerseits Mitgliedsstaaten bei der Ermittlung unterstützen, andererseits auch Opfern von Kindesmissbrauch helfen.
Datenschützer befürchten, dass die EU-Vorschläge die Verschlüsselung von privaten Chats umgehen und etwa direkt auf den Geräten von Nutzerinnen und Nutzern nach verdächtigem Material suchen könnten. Das wird zumindest nicht dezidiert ausgeschlossen, auf Nachfrage der Nachrichtenseite Netzpolitik sagte Johansson lediglich, dass man sich auf keine spezifische Technologie festlegen wolle, damit man nicht Gefahr laufe, von aktuellen Entwicklungen überholt zu werden.
„Das wird das ausgefeilteste System zur Massenüberwachung, das jemals außerhalb Russlands oder Chinas eingerichtet wurde“, schrieb hingegen der prominente Kryptograph Matthew Green in einer ersten Reaktion auf Twitter. Sicher verschlüsselte Chats würden durch die Vorgaben für Durchsuchungsbefehle de facto verboten, zeigt eine erste Analyse. Obendrein ist eine Vorratsdatenspeicherung großer Datensätze mit privaten Chats eingeplant.
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