Seit dem 01.01.2023 gilt in Deutschland für private Photovoltaikanlagen ein Nullsteuersatz gemäß § 12 Abs. 3 Nr. 4 UStG. Das bedeutet, dass beim Kauf und der Installation solcher Anlagen keine Umsatzsteuer mehr anfällt. Doch was gilt, wenn die Bestellung und Bezahlung bereits 2022 erfolgte, die Anlage aber erst 2023 fertiggestellt wurde? Das Amtsgericht München hat nun mit einem aktuellen Urteil zugunsten eines Verbrauchers entschieden, dass in solchen Fällen die Umsatzsteuer unter bestimmten Voraussetzungen rückforderbar ist (Urteil vom 05.06.2024 – 158 C 24118/23).
Der Fall: Bestellung und Bezahlung 2022, Fertigstellung 2023
Ein Mann hatte 2022 eine Firma mit der Planung, Lieferung und Installation einer Photovoltaikanlage beauftragt. Zudem sollte die Firma die Anmeldung beim Netzbetreiber übernehmen. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 15.900 Euro, zu denen noch 3.021 Euro Umsatzsteuer hinzukamen. Diese Summe beglich der Mann im Herbst 2022.
Nach Abschluss kleinerer Nacharbeiten wurde die Anlage jedoch erst im Mai 2023 an das Stromnetz angeschlossen und damit vollständig betriebsbereit. Mit Verweis auf den seit Januar 2023 geltenden Nullsteuersatz klagte der Mann auf Rückerstattung der gezahlten Umsatzsteuer und argumentierte, die Steuer sei aufgrund der späteren Fertigstellung gar nicht fällig gewesen.
Die Entscheidung: Einheitlicher wirtschaftlicher Vorgang
Das Amtsgericht München gab der Klage des Käufers statt. Es begründete seine Entscheidung mit dem Grundsatz der Einheitlichkeit des wirtschaftlichen Vorgangs. Laut Gericht müsse bei einer Photovoltaikanlage nicht zwischen einzelnen Komponenten oder Teilleistungen wie Materiallieferung und Montage unterschieden werden. Entscheidend sei vielmehr, dass der Käufer eine funktionierende und vollständig in Betrieb genommene Anlage erhalten wolle.
Das Gericht stellte klar, dass eine Werklieferung – also die Kombination aus Lieferung und Montage – erst dann als ausgeführt gilt, wenn die Verfügungsmacht über den Gegenstand vollständig auf den Käufer übergeht. Dies ist üblicherweise erst nach der endgültigen Abnahme und dem Anschluss der Anlage an das Stromnetz der Fall.
Im vorliegenden Fall fiel die Fertigstellung der Anlage eindeutig ins Jahr 2023, als der Netzanschluss erfolgte und die Anlage betriebsbereit war. Daher gelte der Nullsteuersatz, und der Käufer habe Anspruch auf Rückerstattung der zuvor gezahlten Umsatzsteuer.
Bedeutung für Verbraucher
Das Urteil stärkt die Position von Verbrauchern, die sich in einer ähnlichen Situation befinden. Wer 2022 eine Photovoltaikanlage bestellt und bezahlt hat, aber deren Fertigstellung erst 2023 erfolgte, kann die gezahlte Umsatzsteuer unter Berufung auf dieses Urteil zurückfordern. Entscheidend ist der Zeitpunkt der Fertigstellung und Inbetriebnahme, nicht der Zeitpunkt der Bestellung oder Bezahlung.
Praktische Hinweise zur Rückforderung der Umsatzsteuer
- Prüfen Sie Ihre Unterlagen: Verbraucher sollten Rechnungen, Verträge und den Nachweis über den Netzanschluss der Anlage genau prüfen.
- Kontaktieren Sie den Installateur: Bitten Sie die ausführende Firma schriftlich um Rückerstattung der Umsatzsteuer.
- Berufen Sie sich auf das Urteil: Verweisen Sie auf das Urteil des Amtsgerichts München (05.06.2024 – 158 C 24118/23) und den Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistungserbringung.
- Rechtliche Schritte: Sollte das Unternehmen nicht kooperieren, kann der Anspruch gerichtlich geltend gemacht werden.
Ausblick: Auswirkungen auf die Branche
Das Urteil dürfte auch für Installationsunternehmen und die Solarbranche insgesamt relevant sein. Es macht deutlich, dass die Abrechnungspraxis an die seit 2023 geltende Gesetzeslage angepasst werden muss. Firmen sollten darauf achten, den Zeitpunkt der Fertigstellung klar zu dokumentieren und Rückforderungen rechtzeitig beim Finanzamt geltend zu machen.
Das Urteil zeigt zudem, wie wichtig es ist, gesetzliche Änderungen frühzeitig in der Praxis umzusetzen, um Konflikte zwischen Kunden und Unternehmen zu vermeiden.
AG München, Urteil vom 05.06.2024 – 158 C 24118/23
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