Der 3. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat heute eine Beschwerde der Rosneft Holdings Ltd. SA zurückgewiesen. Die Beschwerdeführerin hatte beantragt, die Bundesnetzagentur anzuweisen, der geplanten Anteilsveräußerung der Shell Deutschland GmbH an der PCK Raffinerie GmbH nicht zuzustimmen. Die Entscheidung betrifft einen langwierigen Rechtsstreit um die Kontrolle und den Erhalt von Beteiligungen an der strategisch wichtigen Raffinerie im brandenburgischen Schwedt.
Hintergrund des Rechtsstreits
Rosneft Holdings Ltd., Alleingesellschafterin der Rosneft Deutschland GmbH, ist maßgeblich an der PCK Raffinerie GmbH beteiligt, einer Raffinerie, die für die Mineralölversorgung im Nordosten Deutschlands von zentraler Bedeutung ist. Neben Rosneft Deutschland ist auch Shell Deutschland GmbH sowie eine weitere Rosneft-Tochtergesellschaft an der PCK Raffinerie beteiligt. Laut einem Konsortialvertrag aus dem Jahr 2019 besitzen die Gesellschafter der PCK Raffinerie ein Vorkaufsrecht für den Fall, dass ein Anteilseigner seine Anteile veräußern möchte.
Im September 2022 ordnete das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz aufgrund geopolitischer Spannungen die Treuhandverwaltung aller Stimmrechte an, die Rosneft Deutschland und ihre Tochtergesellschaft RN Refining & Marketing an der PCK Raffinerie halten. Diese Treuhandverwaltung, die ursprünglich bis März 2023 angesetzt war, wurde mittlerweile mehrfach verlängert und gilt nun bis März 2025. In dieser Zeit sind die Gesellschafter, einschließlich Rosneft Holdings, von der Wahrnehmung ihrer Stimmrechte ausgeschlossen. Stattdessen übt die Bundesnetzagentur als Treuhänderin diese Rechte aus.
Im Dezember 2022 informierte Shell Deutschland die übrigen Gesellschafter über die Absicht, ihre Anteile an der PCK Raffinerie zu verkaufen. Nach Ablauf der Frist zur Ausübung des Vorkaufsrechts schloss Shell rund ein Jahr später einen Vertrag mit einem Drittunternehmen ab. Rosneft Deutschland und die weiteren Mitgesellschafter entschieden jedoch, ihr Vorkaufsrecht nicht in Anspruch zu nehmen.
Die Beschwerde von Rosneft Holdings
Rosneft Holdings sah die Bundesnetzagentur in der Pflicht, den Verkauf der Shell-Anteile zu verhindern und die Interessen der PCK Raffinerie GmbH zu schützen. In einer Eilentscheidung hatte der 3. Kartellsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf bereits im April 2024 einen Antrag von Rosneft auf sofortige Anweisung an die Bundesnetzagentur abgelehnt, die Zustimmung zur Anteilsveräußerung zu verweigern. Mit der heutigen Entscheidung wies das Gericht nun auch die Hauptsachebeschwerde ab.
Rosneft argumentierte, dass die Bundesnetzagentur verpflichtet sei, Maßnahmen zum Werterhalt der PCK Raffinerie zu ergreifen und zu verhindern, dass das Eigentum an einem „ungeeigneten“ Käufer übergeht. Das Drittunternehmen, das die Shell-Anteile erwerben möchte, wurde von Rosneft als ungeeignet betrachtet, da es bislang nicht in der Raffineriebranche etabliert sei.
Begründung des Gerichts
Der 3. Kartellsenat stellte klar, dass Rosneft Holdings keinen Anspruch darauf hat, die Zustimmung der Bundesnetzagentur zur Anteilsübertragung zu blockieren. Der Konsortialvertrag der PCK Raffinerie GmbH sieht vor, dass Gesellschafter die Zustimmung zur Anteilsveräußerung erteilen müssen, sofern ihnen zuvor ein ordnungsgemäßes Vorkaufsrecht eingeräumt wurde. Shell Deutschland hatte diesen Anforderungen nach Ansicht des Gerichts vollständig entsprochen, und die Mitgesellschafter – einschließlich Rosneft Deutschland – hatten schriftlich erklärt, ihr Vorkaufsrecht nicht ausüben zu wollen. Daher sei die Zustimmung zur Veräußerung rechtlich geboten.
Darüber hinaus erklärte das Gericht, dass die Einschätzung der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Eignung des Käufers keine rechtliche Grundlage für eine Verweigerung der Zustimmung zur Anteilsübertragung darstellt. Die Bundesnetzagentur und Rosneft Deutschland waren nicht verpflichtet, die Eignung des Erwerbers zu prüfen, da das Vorkaufsrecht ordnungsgemäß abgewickelt wurde.
Ausblick und nächste Schritte
Der Beschluss des Oberlandesgerichts Düsseldorf ist noch nicht rechtskräftig. Der Senat hat die Rechtsbeschwerde zum Bundesgerichtshof zugelassen, da er eine grundsätzliche Klärung der Rechtslage durch das höchste deutsche Zivilgericht für erforderlich hält. Damit bleibt abzuwarten, ob Rosneft Holdings die Entscheidung anfechten wird und der Bundesgerichtshof letztlich das letzte Wort in diesem komplexen Verfahren sprechen wird.
Das Verfahren und die heutige Entscheidung werfen ein Schlaglicht auf die zunehmenden Konflikte zwischen wirtschaftlichen Interessen und geopolitischen Vorgaben im Energiesektor. Mit der Anordnung der Treuhandverwaltung und der Ablehnung der Beschwerde der Rosneft Holdings setzt Deutschland ein Zeichen für die Sicherung seiner Energieversorgung und die Kontrolle strategisch relevanter Unternehmen, insbesondere in einer Zeit erhöhter geopolitischer Spannungen.
Aktenzeichen: VI-3 Kart 466/24 [V]
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