Das Oberverwaltungsgericht hat heute entschieden, dass auch nicht essbare Wursthüllen und Verschlussclipse zur Füllmenge fertigverpackter Leberwurst gehören, und hat eine Untersagungsverfügung des Landesbetriebs Mess- und Eichwesen NRW aufgehoben.
Die Klägerin, eine in Nordrhein-Westfalen ansässige Wurstwarenherstellerin, wurde 2019 vom Landesbetrieb Mess- und Eichwesen NRW kontrolliert. Dabei wurden Füllmengenkontrollen bei fertigverpackten Leberwürsten in nicht essbaren Wursthüllen durchgeführt. Die untersuchten Chargen mit angegebenen Nennfüllmengen von jeweils 130 Gramm enthielten im Mittel 127,7 bzw. 127,4 Gramm essbare Wurstmasse. Diese Kontrollergebnisse entsprachen einer Verwaltungsvorschrift, die besagt, dass Wursthüllen und -clipse zum Nettogewicht zählen. Der Landesbetrieb änderte jedoch seine Praxis aufgrund der seit 2014 geltenden europäischen Lebensmittelinformationsverordnung und untersagte der Klägerin, Fertigpackungen in Verkehr zu bringen, bei denen die nicht essbaren Teile nicht aus dem Nettogewicht herausgerechnet wurden.
Das Verwaltungsgericht Münster hatte die Klage der Klägerin abgewiesen und sich dabei auf die Lebensmittelinformationsverordnung gestützt. Der 4. Senat des Oberverwaltungsgerichts hat dieses Urteil nun geändert und die Untersagungsverfügung aufgehoben. In der mündlichen Urteilsbegründung führte der Vorsitzende aus, dass nach der weiterhin maßgeblichen EWG-Richtlinie von 1976 unter Füllmenge die tatsächliche Erzeugnismenge der Fertigpackung zu verstehen sei. Auch Würste, die nach handelsüblichem Brauch mit nicht essbaren Wursthüllen und Verschlussclipsen gehandelt werden, seien Erzeugnisse im Sinne des Fertigpackungsrechts.
Diese Auffassung ermöglicht es, Würste ohne Angabe der Nennfüllmenge an Fleischtheken zur Verwiegung vor Ort anzubieten, wie es zwischen den Beteiligten unstrittig ist. Die Füllmenge einer Fertigpackung ist nach dem deutschen Mess- und Eichgesetz sowie der Fertigpackungsverordnung zu bestimmen. Diese setzen die Vorgaben der EWG-Richtlinie von 1976 um, die den Handel mit Fertigpackungen regelt.
Der Senat stellte klar, dass die Lebensmittelinformationsverordnung die Bestimmung der Füllmenge nicht verändert hat. Der Begriff des Erzeugnisses, der auch in den Bestimmungen des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verwendet wird, schließt demnach nicht essbare Teile ein, wenn diese Teil des üblichen Handelsbrauchs sind. Nur für Zwecke der Lebensmittelhygiene unterscheidet die Lebensmittelhygieneverordnung zwischen Erzeugnis und Verpackung.
Der Senat hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache zugelassen.
Aktenzeichen: 4 A 779/23 (I. Instanz: VG Münster 9 K 2549/19)
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