Ab dem 10. März greift die europäische Offenlegungsverordnung. Finanzunternehmen müssen dann belegen, wie nachhaltig ihre Angebote sind. Aber noch immer gibt es Unklarheiten. Ein Überblick.
Verschiedene Unternehmen des Finanzsektors müssen bald offenlegen, wie nachhaltig ihre Produkte sind. Sie müssen also Anlegerinnen und Anleger darüber informieren, inwieweit sie ökologische und soziale Kriterien und Standards der guten Unternehmensführung beachten. So verlangt es die europäische Offenlegungsverordnung, die ab dem 10. März 2021 angewendet wird. In ihr sind die wesentlichen Informations- und Offenlegungspflichten rund um das Thema Nachhaltigkeit verankert.
Auf einen Blick:Für diese Unternehmen gelten die Offenlegungs- und die Taxonomieverordnung
Finanzmarktteilnehmer
- Versicherungsunternehmen, die Versicherungsanlageprodukte, so genannte Insurance-based Investment Products (IBIPs) anbieten
- Wertpapierdienstleistungsunternehmen, die Portfolioverwaltung erbringen
- Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung
- Hersteller von Altersvorsorgeprodukten
- Kapitalverwaltungsgesellschaften, die Manager von alternativen Investmentfonds (Alternative Investment Fund Managers – AIFM), Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW), einen qualifizierten Risikokapitalfonds oder einen qualifizierten Fonds für soziales Unternehmertum verwalten
- Anbieter von europäischen langfristigen Investmentfonds (European Long-Term Investment Funds – ELTIFs)
- Anbieter von europaweiten privaten Altersvorsorgeprodukts (Pan-European Personal Pension Product – PEPP)
- Kreditinstitute, die Portfolioverwaltung erbringen
Finanzberater
- Versicherungsunternehmen und Versicherungsvermittler, die Beratung für IBIPs erbringen
- Kreditinstitute
- Wertpapierdienstleistungsunternehmen
- AIFM und OGAW-Kapitalverwaltungsgesellschaften, die Anlageberatung anbieten
Wichtige Punkte unklar
Doch in einigen zentralen Punkten gibt es noch Unklarheiten: Die Offenlegungsverordnung verweist an einigen Stellen auf delegierte Rechtsakte. Die sollen die Verordnung konkretisieren. Sie sind aber noch nicht unter Dach und Fach, sondern werden erst nach und nach im Laufe des Jahres 2021 verabschiedet.
So ist noch immer offen, ob registrierte Kapitalverwaltungsgesellschaften alternativer Investmentfonds (AIF) überhaupt unter die Verordnung fallen. Ungeklärt ist auch die Frage, wann ein Finanzprodukt wirklich auf eine nachhaltige Investition abzielt oder wann es nur einzelne ökologische oder soziale Merkmale aufweist. Bei Finanzprodukten, die in ein breites Portfolio etwa aus Aktien und Anleihen investieren, ist noch unklar, ab wann sie als nachhaltig gelten, das heißt, ob und wie viel Beimischung erlaubt ist.
Die drei Europäischen Aufsichtsbehörden (European Supervisory Authorities – ESAs) haben daher mit Unterstützung der BaFin im Januar 2021 einen Brief an die Europäische Kommission geschrieben, in dem sie um mehr Klarheit bitten.
Ab wann was berichten?
Auch die Frage, ab wann die einzelnen Teile der Offenlegungsverordnung angewendet werden sollen, sorgt für Verwirrung. Die Verordnung ist formell am 29. Dezember 2020 in Kraft getreten. Ihr Text ist, wie schon beschrieben, ab dem 10. März 2021 anzuwenden. So müssen zum Beispiel Unternehmen ihre Kundinnen und Kunden darüber informieren, welche Strategien sie zu Nachhaltigkeitsrisiken verfolgen. Doch ab wann müssen sie ihre Kunden über nachteilige Auswirkungen von Investitionsentscheidungen informieren? Und wann müssen die geforderten vorvertraglichen Informationen vorliegen?
Diese Fragen werden unter anderem die delegierten Rechtsakte beantworten, die noch verabschiedet werden müssen. Zwar liegen erste Entwürfe der ESAs auf dem Tisch. Die Kommission muss sie aber noch prüfen und formell verabschieden. Das wird vermutlich auch nach dem 10. März noch einige Zeit dauern. Die Detailregelungen werden somit frühestens ab dem 1. Januar 2022 gelten. Die BaFin erwartet von den Unternehmen, dass sie das restliche Jahr nutzen, um ihre Berichtsprozesse bestmöglich auf das Inkrafttreten der delegierten Rechtsakte vorzubereiten. Dabei sollen sich die Unternehmen laut der EU-Kommission an den Entwürfen der ESAs orientieren.
Anwendbarkeit in mehreren Zeitstufen
Auch die Verordnung selbst sieht einige Ausnahmen von der generellen Anwendbarkeit ab 10. März vor. So müssen große Finanzmarktteilnehmer erst ab dem 30. Juni 2021 offenlegen, ob und wie sich Investitionsentscheidungen nachteilig auf die Nachhaltigkeit auswirken. Die wichtigste Ausnahme aber ist die, dass Unternehmen erst ab dem 1. Januar 2022 verpflichtet sein sollen, Anleger in regelmäßigen Berichten über ökologische und soziale Merkmale ihrer Finanzprodukte zu informieren. Diese Pflicht betrifft alle regelmäßigen Berichte im Sinne der Artikel 8 und 9 der Offenlegungsverordnung. Bislang waren Finanzmarktteilnehmer davon ausgegangen, dass sie noch bis 2023 Zeit hätten. Das aber ist nicht mit dem Rechtstext der Offenlegungsverordnung vereinbar.
Außerdem ist die Offenlegungsverordnung durch die Taxonomieverordnung angepasst worden: Ab Anfang 2022 gelten für bestimmte Finanzprodukte zusätzliche vorvertragliche und periodische Informationspflichten. Für alle Finanzprodukte, die nicht unter die Offenlegungsverordnung fallen, verlangt die Taxonomieverordnung dann einen Warnhinweis. Die Informationspflichten zu Klimaschutz und Anpassung an den Klimawandel setzen am 1. Januar 2022 ein. Was die übrigen Umweltziele angeht, so setzt die Offenlegungsplicht erst ein Jahr später ein.
Eine Tabelle zum Beginn der einzelnen Berichtspflichten ist auf der BaFin-Internetseite abrufbar.
Autor
Frank Pierschel
Leiter des Referats Bankenaufsicht international
und Chief Sustainable Finance Officer der BaFin
Im Interview erläutert Frank Pierschel, Chief Sustainable Finance Officer der BaFin, was die Offenlegungsverordnung bewirkt, die ab dem 10. März angewendet wird, und wo es noch hapert. Thema auch: Was sich auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit im Corona-Jahr 2020 getan hat und wie es 2021 weitergehen sollte.
„Corona-Jahr 2020 hat uns einiges deutlich vor Augen geführt“
Die europäische Offenlegungsverordnung wird Finanzmarktteilnehmer und Finanzberater in wenigen Tagen zu mehr Transparenz im Umgang mit Nachhaltigkeit verpflichten. Was versprechen Sie sich davon?
Pierschel: Grundsätzlich befürwortet die BaFin das Bemühen der Europäischen Union um mehr Transparenz in Fragen der Nachhaltigkeit. Anlegerinnen und Anleger, denen ein Finanzprodukt als nachhaltig oder in Teilen nachhaltig angeboten wird, sollten auch erfahren, wie der Anbieter dieses Werbeversprechen rechtfertigt. Welche Ziele verfolgt das Produkt? Worin wird tatsächlich investiert? Wie lässt sich die Erfüllung des Nachhaltigkeitsversprechens messen? All diese Fragen sollte ein Unternehmen Anlegern beantworten können.
Eine Offenlegungsverpflichtung sollte natürlich gewissen Regeln folgen. Und sie sollte klar in ihrer Anwendung sein. Und hier hapert es noch etwas. Die delegierten Rechtsakte, mit denen die Offenlegungsverordnung konkretisiert werden soll, sind nicht rechtzeitig fertig geworden. Das geschieht jetzt erst nach und nach. Die darin definierten Regeln sind also zu unterschiedlichen Zeitpunkten wirksam. Dennoch sollen sich die Unternehmen laut EU-Kommission schon an den Entwürfen der Rechtsakte orientieren und sich darauf vorbereiten, dass sie wirksam werden. Mit einem Beitrag und insbesondere der Tabelle, die wir im Internet veröffentlicht haben, wollen wir den betroffenen Unternehmen etwas mehr Klarheit für die Planung geben.
Wie war das Jahr 2020, was das Thema Nachhaltigkeit angeht?
Pierschel: In der Regulierung hat sich viel getan. Die Corona-Pandemie hat die Nachhaltigkeit nicht verdrängt. Die Krise wird sogar als Ansporn gesehen, erforderliche strukturelle Veränderungen hin zu einer nachhaltigeren Wirtschaft anzugehen. In der Finanzregulierung wurde 2020 mit der europäischen Taxonomieverordnung der wichtigste Baustein ergänzt, der die Offenlegungsverordnung nun inhaltlich füllt. Ich begrüße aber auch die Arbeiten der Europäischen Aufsichtsbehörden und den Leitfaden der Europäischen Zentralbank zu Klima- und Umweltrisiken, der unter anderem durch das BaFin-Merkblatt zum Umgang mit Nachhaltigkeitsrisiken inspiriert wurde. Wer sich einen Überblick über die regulatorischen Vorhaben verschaffen will, dem empfehle ich unseren Beitrag auf der BaFin–Homepage.
Als Aufseher freue ich mich aber auch über die Entwicklung bei den beaufsichtigten Unternehmen, und darüber, was unser Merkblatt bewirkt hat. Im Risikomanagement sehen wir gute Fortschritte.
Das Corona-Jahr 2020 hat uns einiges sehr deutlich vor Augen geführt: Es war zwar das zweitwärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnung, aus Sicht des Klimaschutzes war es aber sicherlich nicht das schlechteste Jahr. Denken Sie an die enormen Einsparungen an CO2! Sie waren vor der Corona-Pandemie nahezu unvorstellbar. Aber viele erkennen dadurch auch erst jetzt, was eine Umstellung auf eine klimaneutrale Wirtschaft kosten wird. Zugleich hat die Pandemie einige soziale Missstände aufgedeckt. Insgesamt kann man das Jahr sicher als Stresstest für das betrachten, was im Zusammenhang mit dem Klimawandel, Umweltkatastrophen und sozialen Folgen daraus noch auf uns zu kommt.
Fangen wir mit der nahen Zukunft an: Was erwarten Sie von 2021?
Pierschel: Dass die Finanzregulierung in Sachen Nachhaltigkeitsrisiken weiter voranschreitet. Die EU wird ihr Arbeitsprogramm abarbeiten und sich von Rückschlägen nicht entmutigen lassen. Das Bewusstsein für Nachhaltigkeit sollte sich in Strategien, der Geschäftsorganisation und dem Risikomanagement der beaufsichtigten Unternehmen widerspiegeln. Auch in unserem aufsichtlichen Überprüfungs-und Bewertungsprozess müssen Nachhaltigkeitsrisiken stärker berücksichtigt werden. Hierfür wünsche ich mir vor allem konsistente und praxistaugliche Regelungen. Wir werden an unserem risikobasierten Aufsichtsansatz festhalten. Es gilt, das Potenzial nachhaltiger Investments zu erkennen, ohne deren Risikogehalt aus den Augen zu verlieren.
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