Oberlandesgericht Braunschweig3 Kap 1/16 Hinweisbeschlussin dem Kapitalanleger-Musterverfahren
I.Der Senat geht auch nach Auswertung der Stellungnahmen, die nach der mündlichen Verhandlung vom 29. Juni 2022 eingegangen sind, davon aus, dass die von ihm in Aussicht gestellte Beweiserhebung zum Kenntnisstand des Vorstands der Musterbeklagten zu 1) über den Einbau von unzulässigen Abschalteinrichtungen erforderlich ist, um die Frage der Haftung dem Grunde nach beantworten zu können. Das gilt nach Auffassung des Senats im Hinblick auf sämtliche Anspruchsgrundlagen, die Gegenstand der Feststellungsziele sind. 1. Der Senat hält insbesondere an den Ausführungen im Beschluss vom 18. November 2021 zur – rechtlich nicht gebotenen – Zurechnung des Wissens von Mitarbeitern der Musterbeklagten zu 1) fest, denen im Hinblick auf die Ad-hoc-Mitteilungspflicht der Musterbeklagten zu 1) keine leitende Funktion zugewiesen war. Die Stellungnahmen der Klägerseite zu den Fragen der „Wissenszurechnung“ bzw. „Wissenszusammenrechnung“ und zur Verletzung etwaiger „Wissensorganisationspflichten“ durch die Musterbeklagte zu 1) führen zu keiner abweichenden Beurteilung. Der Senat weist hierzu zusammenfassend noch einmal auf Folgendes hin: Der Senat hält weiterhin an seiner Rechtsauffassung fest, dass der objektive Tatbestand des § 37b Abs. 1 WpHG a. F. keine Kenntnis der Vorstandsmitglieder voraussetzt (vgl. Anlage 2 zum Sitzungsprotokoll vom 25. März 2019, S. 6; Hinweisbeschluss vom 18. November 2021, S. 28 = juris, Rn. 90). Im Hinblick auf die Erfüllung des objektiven Tatbestands des § 37b Abs. 1 WpHG a. F. kommt es deshalb auf die aufgeworfenen Fragen zur Wissenszurechnung bzw. Wissensorganisation nicht an. Gleiches gilt für die Frage einer etwaigen Zurechnung des Wissens von Personen außerhalb des aktienrechtlichen Vorstands. Der Senat hält auch unter Berücksichtigung der weitergehenden Stellungnahmen der Beteiligten an seiner Rechtsauffassung fest, dass die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze der Wissenszu(sammen)rechnung weder bei Ansprüchen aus § 826 BGB noch bei Ansprüchen aus § 37b Abs. 1 WpHG a. F. zur Anwendung kommen (vgl. Hinweisbeschluss vom 18. November 2021, S. 23 ff. = juris, Rn. 76 ff.). Auch wenn eine Verletzung der Wissensorganisationspflichten vorläge, würde dies somit nicht zu einer Wissenszurechnung führen. Auch unter diesem Aspekt kommt es auf die Ausführungen zu einer etwaigen Wissensorganisationspflichtverletzung deshalb nicht an. Der Senat hat sich auch nochmals mit den weitergehenden und vertieften Ausführungen der Beteiligten zu der Frage befasst, ob die Bereichsleiter Aggregateentwicklung, die Markenvorstände und/oder die Mitglieder des Ausschusses für Produktsicherheit als verfassungsmäßige Vertreter im Sinne von § 31 BGB auch für Ad-hoc-Mitteilungspflichten der Musterbeklagten zu 1) einzuordnen sind. Auch insoweit hält der Senat an seiner bislang geäußerten Rechtsauffassung fest (vgl. Hinweisbeschluss vom 18. November 2021, S. 19 ff.; Sitzungsprotokoll vom 29. Juni 2022, S. 9). Das Vorbringen der Klägerseite zur Wissensorganisationspflicht bzw. deren etwaige Verletzung durch die Musterbeklagte zu 1) sind vor diesem Hintergrund nach der Bewertung des Senats „nur“ insoweit relevant, als sich hieraus eine eigene Organisationspflichtverletzung des aktienrechtlichen Vorstands ergeben kann. Eine solche könnte zu einer Haftung aus § 826 BGB bzw. § 37b WpHG a. F. führen. Der aktienrechtliche Vorstand hat – entgegen der Auffassung der Musterbeklagten – eine Informationsbeschaffungs- und Wissensorganisationspflicht (vgl. Anlage 2 zum Sitzungsprotokoll vom 25. März 2019, S. 20 f.; Hinweisbeschluss vom 18. November 2021, S. 21 f. = juris, Rn. 71). Eine Verletzung dieser Pflichten löste aber nur dann eine Haftung der Musterbeklagten zu 1) aus, wenn es sich um eine vorsätzliche (§ 826 BGB) oder (nicht ausschließbar) grob fahrlässige (§ 37b Abs. 2 WpHG a. F.) Organisationspflichtverletzung des aktienrechtlichen Vorstands handelte. Die von der Klägerseite vorgetragenen Gesichtspunkte genügen nach Einschätzung des Senats nicht, um von einer vorsätzlichen Organisationspflichtverletzung des hier relevanten Personenkreises ausgehen zu können. Auch eine (nicht ausschließbar) grob fahrlässige Organisationspflichtverletzung der Musterbeklagten zu 1) lässt sich nach Auffassung des Senats zumindest nicht ohne Beweisaufnahme feststellen. Die von der Musterbeklagten zu 1) dargelegten Maßnahmen sind im Einzelnen streitig. Die Musterbeklagte zu 1) hat hierfür jeweils Beweis angeboten. Gleiches gilt für den Vortrag und die Beweisantritte der Musterbeklagten zu 1) zu der Frage, ob eine etwaige Organisationspflichtverletzung ursächlich dafür gewesen ist, dass die wesentlichen Informationen den aktienrechtlichen Vorstand nach dem Vortrag der Musterbeklagten zu 1) nicht erreicht haben. Ob bzw. inwieweit daneben dem Antrag der Musterbeklagten zu 1) auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zu der Frage nachzugehen wäre, ob ihre Compliance-Organisation (mindestens) dem Branchenstandard entsprochen hat, kann an dieser Stelle offenbleiben. Jedenfalls dürfte auf der Grundlage des unstreitigen Sachverhalts nicht die Bewertung möglich sein, dass eine etwaige Organisationspflichtverletzung des Vorstands der Musterbeklagten zu 1) den Vorwurf grober Fahrlässigkeit rechtfertigt und darüber hinaus ursächlich für die (behauptete) Unkenntnis des Vorstands gewesen ist. 2. Der Senat geht auch weiterhin davon aus, dass die Musterbeklagte zu 1) hinreichend dazu vorgetragen hat, dass die Mitglieder des Konzernvorstands vor August 2015 keine Kenntnis von dem Einbau unzulässiger Abschalteinrichtungen hatten. Das Vorbringen der Musterbeklagten zu 1) im Schriftsatz vom 21. April 2022 ist weder verspätet noch unsubstantiiert. Soweit sich zu den einzelnen Sachverhaltskomplexen Abweichungen zu früherem Vorbringen ergeben, die noch nicht nachvollziehbar erläutert sind, wird der Musterbeklagten zu 1) Gelegenheit zu geben sein, dies näher zu erläutern, wenn es für die Beweisaufnahme von Bedeutung ist. Die Voraussetzungen, unter denen – nach den vom Bundesgerichtshof zu den Abgasverfahren weiter ausdifferenzierten Grundsätzen der sekundären Darlegungslast – das Vorbringen der Musterbeklagten zu 1) als nicht ausreichend anzusehen wäre und damit der Vortrag der Klägerseite als zugestanden gälte, liegen hier jedenfalls nicht vor. Entsprechendes gleich gilt, soweit Abweichungen zwischen dem Vorbringen der Musterbeklagten bestehen, die noch nicht hinreichend nachvollziehbar sind. Dies rechtfertigt im Übrigen eine Abtrennung des Verfahrens gegen die Musterbeklagte zu 2) nicht. 3. Für das weitere Verfahren geht der Senat (weiterhin) von folgenden „Eckpunkten“ aus: a) Ansprüche wegen unterlassener Ad-hoc-Mitteilung aa) Für die Zeit vor dem 10. Juli 2012 kommen lediglich Ansprüche nach § 826 BGB wegen vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung in Betracht, da Ansprüche nach § 37b Abs. 1 WpHG a. F. verjährt sind (vgl. Anlagen 2 zum Protokoll vom 10./11. September 2018, S. 2 ff., und vom 1. Juli 2019, S. 24 ff.; Hinweisbeschluss vom 18. November 2021, S. 26 f. = juris, Rn. 84 ff.). Dies setzt neben dem Vorliegen einer nach § 15 Abs. 1, § 13 Abs. 1 WpHG a. F. zu veröffentlichenden Insiderinformation entsprechenden Vorsatz auf Seiten des Vorstands der Musterbeklagten zu 1) oder eines im Sinne von § 31 BGB Ad-hoc-Verantwortlichen voraus. Der Senat geht, wie im Hinweisbeschluss vom 18. November 2021 ausgeführt, davon aus, dass bereits ab 2008 eine Insiderinformation vorlag, die hätte veröffentlicht werden müssen. Der Vortrag der Musterbeklagten zu 1) im Schriftsatz vom 25. November 2022, mit dem die vom Senat für den Zeitraum ab 2008 angenommene Kursrelevanz der Information über den Einbau unzulässiger Abschalteinrichtungen erneut in Frage gestellt wird, lässt die im Hinweisbeschluss vom 18. November 2022 angestellten Überlegungen im Wesentlichen unberührt. Soweit die Musterbeklagte zu 1) darauf abstellt, sie wäre, wie andere deutsche Fahrzeughersteller auch, in der Lage gewesen, ein Dieselfahrzeug unter Einhaltung der Vorschriften über defeat device auf dem amerikanischen Markt zu bringen, ist damit nicht das Szenario entkräftet, dass im Hinweisbeschluss vom 18. November 2021 entsprechend dem dort behandelten Feststellungsziel aufbereitet wurde. Dafür, dass bei einem Vorstandsmitglied Vorsatz hinsichtlich des Vorliegens einer Insiderinformation und darüber hinaus eine verwerfliche Gesinnung gerade in Bezug auf die Schädigung von Anlegern vorlag, liegt die Darlegungs- und Beweislast auf Klägerseite (Anlage 2 zum Protokoll vom 25. März 2019, S. 31; Anlage 2 zum Protokoll vom 8./9. September 2020, S. 7; Hinweisbeschluss vom 18. November 2021, S. 29 = juris, Rn. 91). Das Gleiche gilt schon für den objektiven Tatbestand, soweit sich die von § 826 BGB vorausgesetzte besondere Verwerflichkeit des Verhaltens aus der zutage getretenen Gesinnung ergeben soll (vgl. BGH, Urteil vom 16. September 2021 – VII ZR 192/20 –, Rn. 20, juris). Schon die objektive Sittenwidrigkeit setzt voraus, dass die Veröffentlichung einer Ad-hoc-Mitteilung seitens des Vorstand in Kenntnis der Abschalteinrichtung und im Bewusstsein ihrer – billigend in Kauf genommenen – Unrechtmäßigkeit und der Ad-hoc-Mitteilungspflicht unterlassen worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 4. August 2022 – III ZR 230/20 –, ZIP 2022, 2181, Rn. 15, juris). Die Klägerseite hat also insgesamt darzulegen und zu beweisen, dass der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßiger Vertreter (§ 31 BGB) der Musterbeklagten zu 1) die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19 – BGHZ 225, 316, Rn. 35; Urteil vom 27. Oktober 2022 – III ZR 211/20 –, WM 2023, 134, Rn. 15, jeweils juris). Sofern dieser Beweis gelingen sollte, wäre bei der Geltendmachung eines Transaktionsschadens seitens des Klägers außerdem die Kausalität zwischen sittenwidriger Unterlassung und Anlageentscheidung zu beweisen. Ob dies auch bei Geltendmachung eines Kursdifferenzschadens gilt, ist bei den für diesen Zeitraum allein in Betracht kommenden Ansprüchen aus § 826 BGB offen (vgl. Anlage 2 zum Protokoll v. 10./11. September 2018, S. 96 f.). bb) Für die Zeit ab dem 10. Juli 2012 kommen (auch) Ansprüche nach § 37b Abs. 1 WpHG a. F. in Betracht. Der Senat bleibt auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Musterbeklagten zu 1) auf den Hinweisbeschluss vom 18. November 2021 dabei, dass der objektive Tatbestand des § 37b Abs. 1 WpHG a. F. keine Vorstandskenntnis voraussetzt und die Voraussetzungen für eine Haftung nach dem Vorbringen der Klägerseite vorliegen. Es obliegt deshalb gemäß § 37b Abs. 2 WpHG a. F. den Musterbeklagten, darzulegen und Beweis dafür anzutreten, dass die Unterlassung der Veröffentlichung nicht auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruhte (Hinweisbeschluss vom 18. November 2021, S. 28 f. = juris, Rn. 90). Den hierzu gehaltenen Vortrag fehlender Vorstandskenntnis hält der Senat für soweit substantiiert, dass eine Entscheidung ohne Beweisaufnahme nicht in Betracht kommt (s. o. 2.) b) Ansprüche wegen fehlerhafter Finanzberichterstattung aa) §§ 331 Nr. 1, 2 HGB, § 400 Abs. 1 Nr. 1 AktG i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB (unrichtige Darstellung) Soweit die Klägerseite Schadensersatzansprüche aus einem behaupteten strafrechtlich relevanten Verstoß von Vorstandsmitgliedern gegen die Vorschriften zur Bilanzberichterstattung ableitet, liegt auch hier die Darlegungs- und Beweislast für die Erfüllung des objektiven und subjektiven Tatbestands der Strafnormen auf der Klägerseite (Anlage 2 zum Protokoll v. 16. Dezember 2019, S. 13 f.). Ob im Hinblick auf Rückstellungen, Eventualverbindlichkeiten und/oder die Bewertung von Fahrzeugen die Finanzberichterstattung objektiv fehlerhaft war, hat der Senat bislang nur vorläufig bewertet (vgl. Anlage 2 zum Protokoll v. 16. Dezember 2019, S. 20 ff., 28 ff., 49 ff.; Anlage 2 zum Protokoll v. 9. März 2020, S. 3 ff., 6 ff., 14 ff.). Zur Erfüllung des objektiven Tatbestands ist jedenfalls Voraussetzung, dass die Fehlerhaftigkeit nach dem übereinstimmenden Urteil der Fachleute eindeutig feststeht und die Darstellung daher schlechthin unvertretbar war (Anlage 2 zum Protokoll v. 16. Dezember 2019, S. 22 f.; Anlage 2 zum Protokoll v. 9. März 2020, S. 1). Soweit einer der objektiven Tatbestände einer unrichtigen Wiedergabe oder Verschleierung der Verhältnisse der Gesellschaft erfüllt wäre, käme es wiederum auf die von der Klägerseite zu beweisende Kenntnis des Vorstands bzw. eines Vorstandsmitglieds der Musterbeklagten zu 1) sämtlicher wesentlicher Umstände an (Anlage 2 zum Protokoll v. 16. Dezember 2019, S. 13 f., 59). Eine weitere Befassung mit den hierzu vorliegenden Feststellungszielen und den gestellten Erweiterungsanträgen macht aus Sicht des Senats erst dann Sinn, wenn die Feststellungsziele zur Verletzung von Ad-hoc-Mitteilungspflichten nach Durchführung einer Beweisaufnahme zur (fehlenden) Vorstandskenntnis beantwortet werden können. bb) § 37v WpHG a. F. (Jahresfinanzbericht) und § 37w WpHG a. F. (Halbjahresfinanzbericht), § 325 HGB (Offenlegungspflicht) i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB Der Senat tendiert weiterhin dazu, dass §§ 37v und 37w WpHG a. F. und § 325 HGB keine Schutzgesetze im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB sind (Anlage 2 zum Protokoll v. 10./11. September 2018, S. 84 f., 88; Anlage 2 zum Protokoll v. 16. Dezember 2019, S. 10; Anlage 2 zum Protokoll v. 9. März 2020, S. 20 f.). § 37v WpHG a. F. ist darüber hinaus nicht auf die Musterbeklagte zu 1) anwendbar (Anlage 2 zum Protokoll v. 10./11. September 2018, S. 83 f.). Davon abgesehen, dürfte sich auch kein anderer Prüfungsmaßstab ergeben als bei § 331 HGB, § 400 AktG (Anlage 2 zum Protokoll v. 9. März 2020, S. 21 f.). c) Schaden Sollte nach einer Beweiserhebung feststehen, dass die Musterbeklagte für das Unterlassen einer gebotenen Ad-hoc-Mitteilung zu einem bestimmten Zeitpunkt oder für einen bestimmten Zeitraum dem Grunde nach gemäß § 37b Abs. 1 WpHG a. F. und/oder § 826 BGB haftet, könnten Aktienanleger bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen den Kursdifferenzschaden geltend gemacht wird, ohne dass ein Nachweis dafür erbracht werden müsste, dass die unterlassene Ad-hoc-Mitteilung für den Kaufentschluss ursächlich geworden ist (Anlage 2 zum Protokoll v. 10./11. September 2018, S. 93, 97). Was die auszugleichende Kursdifferenz angeht, die Gegenstand der Feststellungsziele zu Ziffer XXVI. ist, dürfte der Senat für dessen Schätzung kaum ohne sachverständige Hilfe auskommen (vgl. Anlage 2 zum Protokoll v. 26. November 2018, S. 14, 46; vgl. BGH, Urteil vom 9. Mai 2005 – II ZR 287/02 – ZIP 2005, 1270, Rn. 27, juris; Urteil vom 27. Dezember 2020 – II ZB 31/14 – juris, Rn. 357). Macht ein Anleger den sog. Transaktionsschaden geltend, müsste er darlegen und ggf. beweisen, dass er bei pflichtgemäßer Information des Kapitalmarkts von der Anlageentscheidung Abstand genommen hätte (Anlage 2 zum Protokoll v. 10./11. September 2018, S. 93 f.; Anlage 2 zum Protokoll v. 26. November 2018, S. 36). Dabei dürften für die Anleger keine Beweiserleichterungen unter dem Gesichtspunkt einer „Anlagestimmung“ bestehen (Anlage 2 zum Protokoll v. 10./11. September 2018, S. 92). Für Schäden in Anleihen, die von der Musterbeklagten zu 1) selbst herausgegeben wurden, dürfte dies entsprechend gelten. Soweit Schäden in Vorzugsaktien der Porsche SE, Anleihen von Tochtergesellschaften der Musterbeklagten zu 1) oder Derivate auf von der Musterbeklagten emittierte Wertpapiere geltend gemacht werden, dürften als Anspruchsgrundlagen nach vorläufiger Auffassung des Senats lediglich § 331 HGB, § 400 AktG i. V. m. § 823 Abs. 2 BGB und § 826 BGB in Betracht kommen (Anlage 2 zum Protokoll v. 10./11. September 2018, S. 99 f.), für deren Feststellung die oben dargestellten Anforderungen an die Darlegungs- und Beweislast der Klägerseite zu stellen sind. d) Soweit seitens der Musterklägerin durch die noch nicht zugelassenen Erweiterungsanträge aus dem Schriftsatz vom 10. Mai 2021 zur Feststellung des Senats gestellt werden soll, dass die dort aufgeführten Kapitalmarktinformationen der Musterbeklagten zu 1) den Vorwurf einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung nach § 826 BGB rechtfertigen, sieht der Senat weiterhin im Wesentlichen einen Gleichlauf mit den Ansprüchen wegen unterlassener Ad-hoc-Mitteilungen, die Gegenstand der Feststellungsziele sind (vgl. Hinweisbeschluss vom 16. Dezember 2020). Insbesondere würde auch insoweit eine Beweisaufnahme erforderlich sein, die die – in diesem Fall positiv festzustellende – Vorstandskenntnis zum Gegenstand hätte. Die Beweislast würde auch hier auf Klägerseite liegen. II.Aus dem Vorstehenden wird deutlich, dass nicht mit einem baldigen Musterentscheid zu rechnen ist. Der Verlauf der anstehenden Beweisaufnahme ist ebenso wenig absehbar wie der weitere Verlauf des Verfahrens insgesamt. Den Beteiligten dürfte es aber möglich sein, die jeweils bestehenden Risiken für die Durchsetzung ihrer Rechtspositionen abzuschätzen. Vor diesem Hintergrund empfiehlt der Senat den Musterparteien, darüber nachzudenken, ob sie in Gespräche über eine Verhandlungslösung eintreten wollen. Dem Senat erschiene es am sinnvollsten, solche Gespräche unter Vermittlung einer nicht in das streitige gerichtliche Verfahren involvierten Person zu führen und diejenigen Beigeladenen bzw. deren Bevollmächtigte zu beteiligen, die nach dem Umfang der geltend gemachten Ansprüche und/oder der Zahl der von ihnen vertretenen Beigeladenen von vornherein einbezogen werden sollten. § 11 Abs. 1 Satz 2 KapMuG schließt es zwar aus, dass die Beteiligten gemäß § 278 Abs. 5 ZPO an den nicht entscheidungsbefugten Güterichter verwiesen werden. Gleichwohl wäre es möglich, die Güterichterinnen und Güterichter des Oberlandesgerichts Braunschweig für die Durchführung einer gerichtsnahen Mediation nach § 278a ZPO in Anspruch zu nehmen. Hierzu wären jedenfalls mehrere Güterichterinnen und Güterichter der hiesigen Güterichterabteilung bereit, wie eine formlose Anfrage des Senats ergeben hat. Die Beteiligten hätten unter ihnen die Wahl. Sie können sich aber selbstredend auch auf eine oder mehrere andere Personen als Mediator/en oder Schlichter einigen. Der Senat wird kurzfristig mit den Bevollmächtigten der Musterparteien und der im Musterverfahren engagierten Beteiligten in Kontakt treten, um im Wege einer Video-/Telefonkonferenz die Möglichkeiten der Aufnahme von Vergleichsverhandlungen auszuloten. Sollten sich dabei zeigen, dass keine Bereitschaft auf Seiten der Musterparteien zu außergerichtlichen Vergleichsbemühungen besteht, würde der Senat in der mündlichen Verhandlung am 23./24. Mai 2023 das Beweisaufnahmeprogramm vorstellen.
Braunschweig, 6. März 2023 Oberlandesgericht, 3. Zivilsenat Dr. Jäde Dr. Otto Stephan |
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