Landgericht Stade
BeschlussIn dem Kapitalanlegermusterverfahren Reiner Lucas, Kirchwaldstraße 1, 80686 München,
Prozessbevollmächtigte: Beigeladene auf Seiten des Musterklägers:
Prozessbevollmächtigte zu 1, 2, 6 und 7: Prozessbevollmächtigte zu 3, 4, 5 und 8: Prozessbevollmächtigte zu 9: Prozessbevollmächtigte zu 10: gegen
Prozessbevollmächtigte zu 1, 2 und 3: hat der 9. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Dr. Wiegand-Schneider, den Richter am Oberlandesgericht Dentzien und die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Cnyrim auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2024 beschlossen:
Gründe: I. Die Parteien streiten im Rahmen eines Musterverfahrens nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz (KapMuG) darum, ob der für den geschlossenen Fonds US Öl- und Gasfonds XVII GmbH & Co. KG herausgegebene Beteiligungsprospekt (Anlage MK 1im gesonderten Hefter) fehlerhafte Informationen über die Anlage enthält und ob bejahendenfalls die Musterbeklagten dafür haften. In den jeweiligen Ausgangsverfahren machen der Musterkläger und die Beigeladenen auf Rückabwicklung ihrer Beteiligungen an der Fondsgesellschaft gerichtete Ansprüche geltend. Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Beschluss des Senats vom 11. Dezember 2019 (Bd. V, Bl. 926 ff. d. A.) und den Musterrechtsbeschwerdebeschluss des Bundesgerichtshofs vom 26. Juli 2022 (Bd. VI, Bl. 197 ff. d. A.) verwiesen. Nach der Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht hat der Senat den Parteien mit Verfügung vom 5. April 2023 (Bd. VII, Bl. 2 ff. d. A.) Gelegenheit gegeben, zu den noch zu bescheidenden Feststellungszielen in dem nach dem Musterrechtsbeschwerdebeschluss gebotenen Umfang ergänzend vorzutragen. Wegen des in Bezug hierauf erfolgten weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Schriftsatz des Musterklägers vom 26. Juni 2023 (Bd. VII, Bl. 16 ff. d. A.) nebst Anlagen und den Schriftsatz der Musterbeklagten vom 2. Oktober 2023 (Bd. VII, Bl. 63 ff. d. A.) verwiesen. II. Die nach dem Musterrechtsbeschwerdebeschluss noch offenen Feststellungsziele sind als unbegründet zurückzuweisen. Zu ihnen ist im Einzelnen Folgendes festzuhalten: 1. Zu dem Feststellungsziel 1.1, nämlich der Fondsprospekt erwecke fehlerhaft den Eindruck eines wirtschaftlichen Erfolgs der vorangegangenen Vorgängerfonds, hat der Musterkläger seinen nach der Musterrechtsbeschwerdeentscheidung (dort Rn. 93 und 94) bis dahin unzureichenden Sachvortrag nicht in einer Weise konkretisiert und ergänzt, die eine Aufklärung streitiger Punkte ermöglichen könnte. In seinem hierauf bezogenen bisherigen Vortrag hat der Musterkläger betreffend drei konkret benannte (wenn auch womöglich exemplarisch gemeinte) Vorgängerfonds (nämlich diejenigen mit den römischen Nummerierungen IV, V und VI) behauptet, es habe keine Ausschüttungen gegeben. Diese Behauptung ist allerdings nicht konkretisiert worden (indem bspw. die Schlussabrechnung eines Anlegers eines dieser Fonds vorgelegt worden ist), sondern dürfte sich nach dem bisherigen Sach- und Streitstand allenfalls als eine nicht auf aussagekräftige Indizien gestützte Vermutung bzw. Behauptung ins Blaue hinein darstellen. Der Kläger hatte nämlich vorgetragen (und insoweit mit Jahresabschlüssen belegt, Anl. MK 4-15 im gesonderten Hefter), die genannten drei Fonds hätten über Jahre hinweg Verluste erwirtschaftet, weshalb die Behauptung einer Gewinnausschüttung bei deren Beendigung nicht nachzuvollziehen sei. Die Beklagten ihrerseits hatten erwidert, das Geld für die Gewinnausschüttungen sei durch die Vorgängerfonds dadurch erwirtschaftet worden, dass am (vorzeitigen) Ende der Laufzeit Schürfrechte veräußert und Anleihen abgelöst worden seien, wobei die meisten Anleger anregungsgemäß ihre Beteiligungen (einschließlich Gewinne) in Nachfolgerfonds investiert hätten. Anfängliche Verluste seien planmäßig gewesen und hätten in der Natur der Sache gelegen. Explorierte und weiterentwickelte Mineralgewinnungs- und Bezugsrechte seien verkauft worden, womit die Kosten gedeckt und ein Gewinn erzielt worden sei. Aus den erheblichen, von den Vorgängerfonds in ihrem jeweils letzten Jahr erzielten Überschüssen seien an die Anleger Ausschüttungen geleistet und ihnen ihr Kapital zurückerstattet worden. Die Musterbeklagten haben sich auf entsprechende Gewinn- und Verlustrechnungen (Anl. MB 2-4, Bd. IV, Bl. 659 ff. d. A.) und auf Bestätigungen eines Steuerberaters (Anl. MB 8 und 9, Bd. V, Bl. 885 f. d. A.) bezogen. Soweit der Musterkläger diese Darstellung der Musterbeklagten für unglaubwürdig hält und vermutet, dass es sich bei dem Firmengeflecht und den sukzessive gegründeten Fondsgesellschaften um ein „Schneeballsystem“ gehandelt habe, fehlt es an ausreichend konkretem und damit in tatsächlicher Hinsicht aufklärbarem Vortrag, der einen solchen Rückschluss ermöglichen würde. Im Gegenteil ist bspw. dem Schriftsatz des Musterklägers vom 11. September 2019 (dort S. 12, Bd. V, Bl. 789 d. A.) zu entnehmen, dass tatsächlich erhebliche Investitionen im Hinblick auf das wirtschaftliche Ziel der Prospektgesellschaft bzw. ihrer Vorgängerinnen vorgenommen worden sind, etwa der Transport von zwei Ölbohrplattformen in das Explorations-/Fördergebiet. Nachdem ausweislich der Musterrechtsbeschwerdeentscheidung der bis dahin gehaltene Vortrag ersichtlich nicht ausgereicht hat, um im Hinblick auf diesen Prospektmangel eine Entscheidung zu ermöglichen, hätte es zunächst dem – für behauptete Fehler des vorliegend verwendeten streitgegenständlichen Prospekts darlegungs- und beweispflichtigen – Musterkläger oblegen, zu diesem Feststellungsziel weitergehend zu konkreten Tatsachen vorzutragen. Dazu hätte er beispielsweise Anleger der von ihm exemplarisch herangezogenen Fonds ausfindig machen und diese zu dem Verlauf ihrer Beteiligungen – insb. im Hinblick auf Ausschüttungen bei Beendigung der Anlage – befragen können/müssen. Träfe seine Behauptung, dass schon die Anleger dieser Vorgängerfonds in Wahrheit mangels erzielten Gewinns keine Ausschüttungen erhalten hätten, weil die Vorgängerfonds ausschließlich Verluste erzielt hätten (was im Zweifel auch mit einem wenigstens teilweisen Verlust des angelegten Kapitals einhergegangen wäre), zu, wäre ein solches Geschehen einem weitergehenden Parteivortrag im Zweifel zugänglich gewesen. Eine Aufklärung im Hinblick auf diesen Prospektfehler ist dem Senat angesichts dessen, dass keine der Parteien im Anschluss an die Musterrechtsbeschwerdeentscheidung vertieften Vortrag zu Einzelheiten der wirtschaftlichen Entwicklung und dem Verlauf der fraglichen Vorgängerfonds mehr gehalten hat, nicht möglich. 2. Hinsichtlich des Feststellungsziels 1.2, nämlich der These, der Fondsprospekt kläre nicht zureichend über persönliche Verflechtungen der Musterbeklagten zu 2 und 3 mit an der Erreichung der wirtschaftlichen Ziele der Fondsgesellschaft beteiligten anderen Unternehmen auf, hätte es nach den Vorgaben der Musterrechtsbeschwerdeentscheidung (dort Rn. 96 und 97) weitergehenden Vortrags konkret dazu bedurft, ob die Deutsche Öl & Gas AG, bei der der Musterbeklagte zu 3 Aufsichtsratsmitglied gewesen ist, in eigener Person Lieferungen oder Leistungen im Zusammenhang mit der Anschaffung oder Herstellung des Anlageobjektes zu erbringen hatte. Weiter hätte es ergänzenden Vortrags dazu bedurft, ob der Musterbeklagte zu 2 eine wesentliche Beteiligung an der Furie LLC und/oder der Energy Capital Invest Marketing & Placement GmbH gehalten hatte und ob die letztgenannte Gesellschaft ein Unternehmen gewesen ist, das mit dem Vertrieb der angebotenen Vermögensanlage betraut war. Zu einer persönlichen Verflechtung des Musterbeklagten zu 3 (und den im Einzelnen hierzu nach dem oben Gesagten vorzutragenden Tatsachen) hat der Musterkläger nichts Weiterführendes mitgeteilt. Zu einer Verflechtung des Musterbeklagten zu 2 hat der Musterkläger auf den Hinweis des Senats hin Ausführungen zu dessen Beteiligung an der Energy Capital Invest Marketing & Placement GmbH (Feststellungsziel 1.2c) gemacht. Der Vortrag beschränkt sich allerdings darauf, anhand des (bei der Musterrechtsbeschwerdeentscheidung indes bereits berücksichtigten) Emissionsprospekts die rechtliche Würdigung zu wiederholen, warum diese Gesellschaft als „zentrale Vertriebsorganisation“ der Fondsgesellschaft anzusehen sei. Abgesehen davon, dass der Musterkläger insoweit weiterführende und vereinzelte (ggfs. einer Beweiserhebung zugängliche) tatsächliche Gesichtspunkte nicht aufzeigt, fehlt es jedenfalls an Vortrag zu dem zweiten seitens des Bundesgerichtshofs für aufklärungsbedürftig erklärten Gesichtspunkt, nämlich der Frage, ob die Beteiligung des Musterbeklagten zu 2 eine wesentliche gewesen ist. Der Musterkläger verweist hierzu (Bd. VII, Bl. 19 Mitte d. A.) lediglich auf seinen Schriftsatz vom 19. Februar 2019, dort S. 19 ff. In jenem Schriftsatz findet sich indes (dort S. 20 Mitte, Bd. II, Bl. 264 d. A.) lediglich die (durch keinen konkreten Sachvortrag, geschweige denn einen Beweisantritt, untermauerte) Wertung, die Beteiligung des Beklagten zu 2 sei „maßgeblich“ gewesen. Auch zu diesem Feststellungsziel ist der Vortrag des Musterklägers mithin nach wie vor unzureichend. 3. Zu dem Feststellungsziel 1.5 – nämlich im Prospekt fehle ein Hinweis auf eine gegen die operativ tätig werdende „US-Partnerin“, die Furie LLC, verhängte Strafzahlung und ein Hinweis auf ein dagegen angestrengtes Klageverfahren – hätte es nach dem Musterrechtsbeschwerdebeschluss (dort Rn. 73-80) weitergehenden Vortrags dazu bedurft, ob die Strafzahlung einen wesentlichen Einfluss auf die wirtschaftliche Lage der Emittentin und die Vermögensanlage haben kann warum neben der Furie LLC auch die Fondsgesellschaft für die Zahlung der verhängten Strafe haften könnte. Ebenso wäre vereinzelt (unter Mitteilung weiterer Umstände zur finanziellen Lage der Furie LLC und deren Unersetzbarkeit) darzustellen gewesen, dass und warum die Strafzahlung die Auswirkung hätte haben können, die Furie LLC könne ihre im Prospekt vorgesehene operative Tätigkeit nicht aufnehmen oder müsse diese abbrechen. Im Hinblick auf dieses Feststellungsziel hat der Musterkläger lediglich (im Wesentlichen wörtlich) seinen zuvor gehaltenen Vortrag wiederholt und keine subsummierbaren neuen tatsächlichen Einzelheiten zu den vorgenannten Gesichtspunkten vorgetragen. Soweit der Musterkläger geltend macht, es habe die Gefahr „der Insolvenz der Deutsche Oel & Gas AG und/oder der Cornucopia Oil & Gas Company LLC und/oder der Furie LLC“ bestanden (Bd. VII, Bl. 23 d. A.), stellt dies keinen überprüfbaren und der Aufklärung, etwa durch den angebotenen Sachverständigenbeweis, zugänglichen, zumal auf die vom Bundesgerichtshof aufgezeigten konkreten Gesichtspunkte bezogenen Sachvortrag, sondern lediglich das Ergebnis einer eigenen Bewertung ohne konkrete Anknüpfungstatsachen dar. Die (ebenfalls lediglich wiederholenden) Ausführungen des Musterklägers dazu, in anderen Prospekten, etwa betreffend (hier nicht streitgegenständliche) Namensschuldverschreibungen oder Wertpapiere der Deutsche Oel & Gas S.A. seien entsprechende, im Streitfall vom Kläger vermisste Prospektangaben gemacht worden (vgl. so etwa schon Bd. V, Bl. 787 f. d. A.), vermögen den nach dem Musterrechtsbeschwerdebeschluss erforderlichen, auf den hiesigen Prospektinhalt bezogenen konkreten Sachvortrag ebenso wenig zu ersetzen wie Erwägungen zu Verbindlichkeiten der „Deutsche Oel & Gas AG“ gegenüber verbundenen Unternehmen Der Musterkläger hält auch keinen konkreten Vortrag dazu, dass und warum die Furie LLC nicht im Bedarfsfall durch ein anderes Unternehmen hätte ersetzt werden können. Er setzt lediglich einen kurzen, diese Erwägung negierenden, aber ansonsten inhaltsleeren Obersatz (Bd. VII, Bl. 25 d. A.) vor ein Zitat aus einem Emissionsprospekt betreffend eine (hier nicht streitgegenständliche) Namensschuldverschreibung. 4. Im Hinblick auf das Feststellungsziel 1.6 – nämlich im Fondsprospekt fehle ein Hinweis auf ein zwischen dem Beklagten zu 2, der Furie LLC und der Cornucopia LLC auf der einen und einem Family-Office auf der anderen Seite seit dem Jahre 2012 geführtes Klagverfahren – hätte es dem Musterkläger oblegen (Rn. 98 des Musterrechtsbeschwerdebeschlusses), Klarheit über den konkreten Streitgegenstand des dort bezeichneten Rechtsstreits herbeizuführen, um dem Gericht die Beurteilung zu ermöglichen, ob das Verfahren einen wesentlichen Einfluss auf die wirtschaftliche Lage der Fondsgesellschaft und die Vermögensanlage haben kann und deshalb aufgrund von § 2 Abs. 1 Satz 1 VermVerkProspV anzugeben war. Der Inhalt des Feststellungsziels oder die Ausführungen der Beteiligten in den bis dahin eingereichten Schriftsätzen waren nach den Ausführungen des Bundesgerichtshofs dagegen noch nicht geeignet, eine solche Beurteilung zu erlauben. Auch zu diesem Punkt wiederholt der Musterkläger zunächst erneut im Wesentlichen wortgleich dasjenige, was er in seiner Musterklagbegründung (nach dem oben Gesagten: unzureichend) vorgetragen hatte. Soweit er nunmehr noch neu vorträgt, die Cornucopia LLC und der Musterbeklagte zu 2 würden (aufgrund eines am 22. Februar 2013 abgeschlossenen Vertrages) auch von einem Beratungsunternehmen aus der Schweiz in einem Rechtsstreit vor dem Landgericht Stuttgart auf Zahlung restlichen Honorars in Anspruch genommen und hätten in diesem Zusammenhang eine Sicherheitsleistung in Höhe von 1,56 Mio. € hinterlegt, betrifft dieser (auf einen anderen Rechtsstreit bezogene) Vortrag schon nicht das Feststellungsziel 1.6. Darüber hinaus ist dieses Vorbringen auch deswegen unerheblich, weil der Prospekt für die hiesige Beteiligung (Anl. MK 1 im gesonderten Hefter) bereits am 17. Dezember 2012 aufgestellt worden ist und schon deswegen Ausführungen zu wirtschaftlichen Verpflichtungen aus einem am Prospektstichtag noch nicht abgeschlossenen Vertrag nicht enthalten konnte. 5. Soweit das Rechtsbeschwerdegericht die Sache zur Herbeiführung einer erstmaligen Sachentscheidung des Oberlandesgerichts über die Feststellungsziele 2 und 3 (im Hinblick auf den Aspekt, die Haftung der TB Treuhand GmbH und des Musterbeklagten zu 2 sei nicht gemäß § 20 Abs. 3 VermAnlG oder § 20 Abs. 4 Nr. 2 VermAnlG ausgeschlossen) zurückverwiesen hat, haben sich diese Feststellungsziele im Hinblick darauf, dass nach dem oben Gesagten – und den im Musterrechtsbeschwerdebeschluss bereits getroffenen Sachentscheidungen – Prospektfehler insgesamt nicht festzustellen sind, erledigt. Eine Feststellung des möglichen Ausschlusses einer Prospektverantwortlichkeit wäre jeweils nur im Hinblick auf – hier aber nicht feststellbare – einzelne Prospektfehler zu treffen gewesen (Rn. 117 und 118 der Musterrechtsbeschwerdeentscheidung). III. Eine Kostenentscheidung für das erstinstanzliche Musterverfahren war gemäß § 16 Abs. 2 KapMuG nicht zu treffen. Hinsichtlich der Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens hat der Senat gemäß § 26 Abs. 4 KapMuG nach billigem Ermessen (vgl. auch Kotschy in Vorwerk/Wolf, KapMuG, 2. Aufl. 2020, Rn. 11 zu § 16) den (geringen) Umfang des teilweisen Obsiegens des Musterklägers im Hinblick auf einen Teil der Feststellungsziele 2 und 3, bezogen auf die TB Treuhand GmbH und den Beklagten zu 2, berücksichtigt.
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