Hintergrund: Streit um Arzneimittel ohne Zulassung
Im Zentrum des Falls steht der Streit zwischen zwei Unternehmen über die Herstellung und den Vertrieb von Arzneimitteln zur Behandlung seltener Tumorerkrankungen, die insbesondere bei Kindern auftreten. Die Beklagte vertreibt Arzneimittel mit konkret benannten Wirkstoffen in Deutschland, jedoch ohne behördliche Zulassung. Die Klägerin entwickelt ebenfalls Arzneimittel zur Behandlung solcher Tumorerkrankungen, befindet sich aber noch in der klinischen Prüfphase (Phase I und III) und hat derzeit weder in Europa noch in den USA eine Zulassung erhalten.
Das Landgericht Frankfurt am Main hatte die Beklagte zuvor verurteilt, den Vertrieb ihrer Arzneimittel in Deutschland zu unterlassen. Das OLG hob diese Entscheidung jedoch auf und wies die Klage ab.
Begründung des OLG: Kein konkretes Wettbewerbsverhältnis
Der 6. Zivilsenat des OLG Frankfurt führte aus, dass ein Unterlassungsanspruch gemäß den Regeln des Wettbewerbsrechts nur dann geltend gemacht werden könne, wenn die Parteien in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis stehen. Ein solches Verhältnis bestehe, wenn zwei Unternehmen als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen auf demselben Markt agieren.
Für ein Wettbewerbsverhältnis müsse die unternehmerische Tätigkeit zum Zeitpunkt der beanstandeten Handlung bereits aufgenommen worden sein. Ein potentielles Wettbewerbsverhältnis, also eine mögliche Konkurrenz in der Zukunft, genüge hingegen nicht. Andernfalls würde das Wettbewerbsrecht in unzulässiger Weise ausgeweitet.
Im vorliegenden Fall sei die Klägerin lediglich eine potentielle Mitbewerberin, da ihre Arzneimittel noch in der Prüfphase seien. Der Markteintritt sei von zahlreichen Faktoren abhängig, die nicht vollständig in der Kontrolle der Klägerin lägen, wie etwa die Ergebnisse der klinischen Prüfungen und die behördlichen Zulassungen. Das Gericht stellte klar, dass selbst die kostenintensive Durchführung klinischer Studien nicht als Vorbereitungshandlung mit unmittelbarer Nähe zur Geschäftstätigkeit gewertet werden könne.
Probandenpopulation kein Wettbewerbsmerkmal
Die Klägerin hatte argumentiert, dass der Vertrieb der Arzneimittel der Beklagten ihre eigene Prüfphase beeinträchtige, da die Anzahl geeigneter Probanden begrenzt sei und diese bereits mit den Medikamenten der Beklagten behandelt würden. Das OLG wies dieses Argument zurück. Die Sicherung von Patienten und Probanden für Studien sei kein wettbewerbsrechtlich relevanter Aspekt, da dies ausschließlich das Zulassungsverfahren und nicht den aktuellen Markt betreffe.
Keine wettbewerbsrechtliche Relevanz der Prüfphase
Das Gericht stellte zudem fest, dass die Klägerin aktuell keine Wettbewerbsinteressen am Markt habe, sondern sich ausschließlich auf die Durchführung der Prüf- und Zulassungsverfahren konzentriere. Diese Interessen an einem möglichen zukünftigen Markteintritt genügten jedoch nicht, um ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zu begründen.
Urteil nicht anfechtbar
Die Entscheidung wurde im Rahmen eines Eilverfahrens getroffen und ist rechtskräftig. Eine weitere Anfechtung ist nicht möglich.
Urteilsdaten:
- Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 14.11.2024, Az.: 6 U 188/24
- Vorinstanz: Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 29.05.2024, Az.: 2-06 O 42/24
Fazit:
Das Urteil verdeutlicht, dass Unternehmen, die sich noch in der Prüfphase befinden, keinen wettbewerbsrechtlichen Schutz gegenüber Anbietern genießen, die bereits Produkte – selbst ohne behördliche Zulassung – vertreiben. Ein konkretes Wettbewerbsverhältnis setzt eine unmittelbare Marktteilnahme voraus, die in der Prüfphase nicht gegeben ist. Wettbewerbsinteressen, die sich lediglich auf die Sicherung von Probanden oder zukünftigen Marktchancen beziehen, fallen nicht unter den Schutz des Wettbewerbsrechts.
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