Nr. 47/2022
Die Klägerin bietet im Internet die entgeltliche Vermittlung von Kundenrezensionen an. Die Kunden der Klägerin sind ausschließlich Händler auf Online-Verkaufsplattformen. Die Beklagte betreibt die Verkaufsplattform amazon.de. Die Produkte werden dort mit einem Gesamtsterne-Bewertungssystem bewertet. Die Beklagte vermittelt zudem ihren Verkaufspartnern gegen Entgelt Kundenrezensionen im Rahmen des sog. Early Reviewer Programms (i.F.: ERP). Dabei handelt es sich um Bewertungen ausländischer Rezensenten gegen Entgelt oder Gutscheine für Produkte, die zuvor auf dem US-, UK- oder Japan-Marketplace gekauft wurden. Diese Bewertungen werden auch deutschen Käufern angezeigt und fließen in das Gesamtbewertungsergebnis ein.
Die Klägerin wendet sich gegen die Veröffentlichung von ERP-Rezensionen, wenn diese Teil des Gesamtbewertungsergebnisses werden und nicht darauf hingewiesen wird, dass die Rezensionen bezahlt wurden und wie viele dieser Rezensionen Teil des Gesamtbewertungsergebnisses sind.
Die gegen die vom Landgericht ausgesprochene Unterlassungsverpflichtung gerichtete Berufung der Beklagten hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Es liege eine unlautere getarnte Werbung vor, bestätigte das OLG. ERP-Rezensionen zu veröffentlichen, ohne darauf hinzuweisen, dass die Rezensionen bezahlt wurden und wie viele Rezensionen Teil des Gesamtbewertungsergebnisses sind, sei unlauter.
Die Berücksichtigung dieser ERP-Rezensionen – und damit auch nicht ihr Anteil – würde von der Beklagten nicht kenntlich gemacht und ergebe sich auch nicht aus den Umständen. Ob Internetnutzer damit rechneten, dass in ein Gesamtbewertungsergebnis auch immer Rezensionen einfließen, die nicht sachlich begründet sein, könne offenbleiben. Dies dürfe jedenfalls „kein Freibrief dafür sein … , beeinflusste Rezensionen zu verwenden“, stellte das OLG klar.
Die Berücksichtigung von ERP-Rezensionen habe hier auch geschäftliche Relevanz. Die Rezensenten des ERP erhielten eine kleine Belohnung für die Abfassung der Rezension. „Daraus folgt zwangsläufig, dass sie bei Abgabe ihrer Bewertung nicht frei von sachfremden Einflüssen sind“, betont das OLG. Es bestehe vielmehr die konkrete Gefahr, dass ein nicht geringer Anteil der Teilnehmer an dem Programm sich veranlasst sehe, ein Produkt positiver zu bewerten als dies tatsächlich seiner Meinung entspreche, um weiterhin an dem Programm teilnehmen zu dürfen.
Die im Eilverfahren ergangene Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 09.06.2022, Az. 6 U 232/21
(vorausgehend Landgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 21.09.2021, Az. 3-06 O 26/21)
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