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Das Amtsgericht H. verurteilte den Betroffenen am 01.03.2021 – nach erfolgter Verfahrensverbindung der bis dahin getrennt geführten Bußgeldverfahren in der Hauptverhandlung – wegen eines am 15.04.2020 begangenen vorsätzlichen Verstoßes gegen ein Aufenthaltsverbot im öffentlichen Raum gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 9 Nr. 1 der zur Tatzeit gültigen Corona-Verordnung des Landes Baden-Württemberg zu einer Geldbuße von 600 EUR und wegen eines am 14.11.2020 begangenen fahrlässigen Verstoßes gegen die Verpflichtung zum Tragen einer nicht-medizinischen Alltagsmaske oder einer vergleichbaren Mund-Nasen-Bedeckung, obwohl es geboten gewesen wäre, zu einer Geldbuße in Höhe von 70 EUR. |
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Nach den vom Amtsgericht zu dem vorsätzlichen Verstoß gegen das Aufenthaltsverbot im öffentlichen Raum getroffenen Feststellungen hielt sich der Betroffene am 15.04.2020 zwischen ca. 11:30 Uhr und ca. 14:00/14:30 Uhr zusammen mit einer Vielzahl, in der zwischen 13:00 Uhr und 14:00 Uhr erreichten Spitze bis zu 150/200 weiteren, großenteils unbekannten, nicht zu seinem Hausstand gehörenden Personen in einem verdichteten Pulk vor dem Dienstgebäude der Kriminalpolizeidirektion H., auf, wobei der Betroffene und die weiteren Personen, für einen unbeteiligten Dritten deutlich erkennbar, als Gruppe zusammenstanden, um ihre Solidarität mit einer getrennt verfolgten Rechtsanwältin zu bekunden, die am 15.04.2020 um 13:00 Uhr in dem genannten Dienstgebäude einen Vernehmungstermin wegen einer ihr vorgeworfenen Widerstandshandlung wahrzunehmen hatte. |
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Die Polizei hatte die Anwesenden, so die Feststellungen des Amtsgerichts, durch zwei gleichlautende Lautsprecherdurchsagen um 12:46 Uhr und um 13:09 Uhr aufgefordert, sich zu entfernen, da es sich bei der Zusammenkunft um eine nicht genehmigte und gemäß der Corona-Verordnung auch nicht genehmigungsfähige Versammlung handele, und hatte die Auflösung der Versammlung angedroht. Spätestens nach der ersten Lautsprecherdurchsage um 12:26 Uhr wusste der Betroffene, dass er durch sein Verhalten gegen das Aufenthaltsverbot des § 3 Abs. 1 Satz 1 der Corona-Verordnung in der Fassung vom 09.04.2020 verstieß. Dies wollte er auch. |
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Das Amtsgericht hat in diesem Verhalten des Betroffenen einen als Ordnungswidrigkeit zu ahndenden vorsätzlichen Verstoß gegen das Verbot des Aufenthalts im öffentlichen Raum gemäß §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 9 Nr. 1 der zur Tatzeit gültigen Vierten Verordnung der Landesregierung zur Änderung der Corona-Verordnung vom 17.03.2020 in der vom 10.04.2020 bis 17.04.2020 gültigen Fassung gesehen. |
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Nach den vom Amtsgericht zu dem fahrlässigen Verstoß gegen die Maskenpflicht in Fußgängerbereichen getroffenen Feststellungen lief der Betroffene am 14.11.2020 um 13:15 Uhr durch die als Fußgängerbereich i.S.d. § 3 Abs. 2 Nummer 4 Buchstabe c Straßengesetz ausgestaltete Hauptstraße in H., ohne dabei eine nicht-medizinische Alltagsmaske oder eine vergleichbare Mund-Nasenbedeckung zu tragen. Zu diesem Zeitpunkt befand sich eine hohe Anzahl von Fußgängern in der Fußgängerzone, so dass die Einhaltung eines Mindestabstands i.S.d. § 2 Abs. 2 Satz 1 der Corona-Verordnung in der Fassung vom 23.06.2020 von 1,5 Metern zu anderen Personen durch den Betroffenen nicht gewährleistet werden konnte. Der Betroffene hätte bei Einhaltung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt bei Eingang in die Fußgängerzone erkennen können und müssen, dass eine Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern aufgrund des hohen samstagmittäglichen Fußgängeraufkommens nicht durchgängig möglich war und er deshalb gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 11 Corona-Verordnung in der Fassung vom 18.10.2020 zum Tragen einer Mund-Nasenbedeckung verpflichtet war. |
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Das Amtsgericht hat in diesem Verhalten des Betroffenen einen als Ordnungswidrigkeit zu ahndenden fahrlässigen Verstoß gegen §§ 3 Abs. 1 Nr. 11, 19 Nr. 2 der zur Tatzeit gültigen Sechsten Verordnung der Landesregierung zur Änderung der Corona-Verordnung vom 23.06.2020 in der vom 02.11.2020 bis 17.11.2020 gültigen Fassung gesehen. |
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Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, deren Zulassung er in Bezug auf den abgeurteilten fahrlässigen Verstoß zugleich beantragt hat. Er ist der Auffassung, das in § 3 Abs. 1 Satz 1 CoronaVO in der zur Tatzeit gültigen Fassung geregelte Aufenthaltsverbot sei verfassungswidrig, weil ein Aufenthaltsverbot und Abstandsgebot im Freien, zumal für nicht erkrankte Personen und nicht Ansteckungsverdächtige, zur Bekämpfung der Pandemie weder geeignet, noch erforderlich sei. Ein vorsätzlicher Verstoß sei nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme nicht nachgewiesen, weil der Betroffene von seinem Standort aus die Lautsprecherdurchsage der Polizei nicht wahrgenommen habe. Im Übrigen sei das verhängte Bußgeld von 600 Euro angesichts eines im Bußgeldkatalog bei Nichteinhaltung des Mindestabstands im öffentlichen Raum eröffneten Bußgeldrahmens von 50 bis 250 Euro und einer Regelgeldbuße von 70 Euro weit überhöht. |
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Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit ausführlicher Begründung beantragt, die Rechtsbeschwerde hinsichtlich des abgeurteilten fahrlässigen Verstoßes gegen die Maskenpflicht zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, die Rechtsbeschwerde jedoch insgesamt als unbegründet zu verwerfen. Eine Gegenerklärung der Verteidigerin hierzu ist nicht eingegangen. |
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Die für die Bearbeitung zuständige Einzelrichterin des Senats hat die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil, soweit es den abgeurteilten fahrlässigen Verstoß gegen die Maskenpflicht in Fußgängerzonen betrifft, mit Beschluss vom 15.12.2021 zugelassen und hat die Sache gemäß § 80a Abs. 3 Satz 1 OWiG zur Fortbildung des Rechts auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen. |
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Die (zugelassene) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde des Betroffenen hat den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg, im Übrigen ist sie unbegründet. |
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Eine Rüge der Verletzung formellen Rechts ist nicht erhoben worden. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils auf die erhobene allgemeine Sachrüge hin hat nur bei der Bußgeldbemessung für den abgeurteilten vorsätzlichen Verstoß gegen das Aufenthaltsverbot im öffentlichen Raum nach §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 9 Nr. 2 der zur Tatzeit gültigen CoronaVO einen Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen aufgedeckt. Insoweit hat der Senat von der ihm nach § 79 Abs. 6 OWIG eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht und in der Sache selbst entschieden. |
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Das Amtsgericht ist zu Recht von einem vorsätzlichen Verstoß des Betroffenen gegen das Verbot des Aufenthalts im öffentlichen Raum gemäß §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 9 Nr. 1 der zur Tatzeit gültigen Vierten Verordnung der Landesregierung zur Änderung der Corona-Verordnung für Baden-Württemberg (Corona-Verordnung, CoronaVO) vom 17.03.2020 in der vom 10.04.2020 bis 17.04.2020 gültigen Fassung ausgegangen. |
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§ 3 Abs. 1 der Verordnung lautete in der zum Zeitpunkt der Tat maßgeblichen Fassung wie folgt: |
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Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist nur alleine, mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person oder im Kreis der Angehörigen des eigenen Haushalts gestattet.
Zu anderen Personen ist im öffentlichen Raum, wo immer möglich, ein Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten. |
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§ 9 Nr. 1 der Verordnung in der zum Zeitpunkt der Tat maßgeblichen Fassung lautete wie folgt: |
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Ordnungswidrig im Sinne des § 73 Absatz 1a Nummer 24 des Infektionsschutzgesetzes handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 3 Abs. 1 sich im öffentlichen Raum aufhält. |
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Zutreffend hat das Amtsgericht §§ 3 Abs. 1, 9 CoronaVO B.W. in der Fassung vom 09.04.2020 angewandt. Soweit § 4 Abs. 3 OWiG vorschreibt, dass bei Änderungen des Gesetzes nach der Tatbegehung das mildeste Gesetz anzuwenden ist, erfährt dies durch § 4 Abs. 4 Satz 1 OWiG eine Einschränkung für sog. Zeitgesetze. Um ein solches Zeitgesetz handelt es sich bei der CoronaVO vom 17.03.2020, weil die Aufhebung oder Änderung des mit einer Sanktionierung verknüpften Verhaltens in späteren Corona-Verordnungen nicht auf einer Bewertungsänderung im Sinne einer verbesserten Rechtserkenntnis beruhte, sondern auf den veränderten tatsächlichen Verhältnissen im Sommer 2020 (vgl. Senat, Beschlüsse vom 30.03.2021 – 2 Rb 34 Ss 1/21 und 2 Rb 34 Ss 2/21 -, vom 27.04.2021 – 2 Rb 34 Ss 198/21 – und vom 14.06.2021 – 2 Rb 35 Ss 94/21 -, jeweils in juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.04.2021 – 4 Rb 24 Ss 7/21 -, juris; vgl. auch OLG Hamm, Beschluss vom 28.01.2021 – 4 RBs 446/20 -, juris zur CoronaSchVO NRW, Hanseatisches Oberlandesgericht Bremen, Beschluss vom 06.08.2021 – 1 SsRs 9/21 -, juris zur Bremischen Coronaverordnung; OLG Koblenz, Beschluss vom 08.03.2021 – 3 OWi 6 SsRs 395/20 -, juris zur CoBeVO Rheinland-Pfalz). |
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Der Senat hat bereits entschieden (vgl. Beschlüsse vom 30.03.2021, 27.04.2021 und 14.06.2020, a.a.O., mit weiteren Nachweisen) und hält an seiner Auffassung ungeachtet der vom 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Stuttgart in seiner Entscheidung vom 14.05.2021 – 1 Rb 24 Ss 95/21 -, BeckRS 2021, 15506 – nicht tragend und daher nicht zu einer Divergenzvorlage nach § 121 Abs. 2 GVG nötigend – dargelegten abweichenden Rechtsauffassung fest, dass das Infektionsschutzgesetz mit den in §§ 28, 32, 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG in der zur Tatzeit gültigen Fassung getroffenen Regelungen eine ausreichende, verfassungskonforme Ermächtigung für die in § 3 Abs. 1 CoronaVO angeordnete Aufenthaltsbeschränkung im öffentlichen Raum und deren Bußgeldbewehrung in § 9 Nr. 1 CoronaVO enthielt. |
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a) Es liegt kein Verstoß gegen den aus dem Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip abgeleiteten Parlamentsvorbehalt vor, weil der Gesetzgeber bei der – auch § 28 IfSG betreffenden – Überarbeitung des Infektionschutzgesetzes durch das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (CoVIfSGAnpG) vom 27.03.2020 davon absehen durfte, selbst eine nähere Bestimmung der erforderlichen Schutzmaßnahmen zu treffen und auf eine nähere Konkretisierung – jedenfalls zunächst – zu verzichten, um der Exekutive angesichts der zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung noch neuen epidemiologischen Lage und der noch sehr eingeschränkten wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu eine schnelle und flexible Reaktion auf das Infektionsgeschehen zu ermöglichen (ebenso ThürVerfGH, Urteil vom 01.03.2021 – 18/20 -, juris; OLG Hamm, Beschlüsse vom 28.01.2021 – 4 Rbs 3/21 und 4 RBs 446/20 -, juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 08.03.2021, a.a.O., jeweils zu vergleichbaren Aufenthaltsverboten in den Coronaverordnungen der jeweiligen Länder; KG Berlin, Beschluss vom 13.08.2021 – 3 Ws (B) 198/21 -, juris zur bußgeldbewehrten Maskenpflicht). Die Anforderungen an die vom Gesetzgeber selbst zu treffende Bußgeldregelung und deren Konkretisierung waren angesichts des geringeren Gewichts der an eine Ordnungswidrigkeit anknüpfenden Sanktion geringer und erlaubten eine Ausgestaltung der Bußgeldbewehrung als Blankettstrafnorm mit Verweis auf die jeweiligen landesrechtlichen Regelungen, die entsprechend der dynamischen, regional sehr unterschiedlichen Entwicklung der Infektionslage und gemäß den jeweils neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zu den Ansteckungswegen und zu geeigneten Schutzmaßnahmen zahlreiche kurzfristige Änderungen erfuhren. Der Rahmen für das Handeln des Verordnungsgebers war durch die Regelungen in §§ 28 bis 31 mit der Bezugnahme hierauf in § 32 Satz 1 IfSG hinreichend abgesteckt (vgl. Senat, Beschlüsse vom 30.03.2021, 27.04.2021 und vom 14.06.2021, a.a.O.). |
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b) Ebenso wenig liegt ein Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG vor, weil der Bundes-Gesetzgeber mit der Regelung in § 30 IfSG, die die Absonderung Krankheitsverdächtiger gestattet, klar zum Ausdruck gebracht hat, dass er die Schaffung räumlicher Distanz als eine zentrale Maßnahme zur Bekämpfung der weiteren Ausbreitung infektiöser Krankheiten angesehen hat und darüber hinaus in § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 und Satz 2 IfSG – beispielhaft und nicht abschließend – geregelt hat, dass die zuständige Behörde unter den Voraussetzungen des Satzes 1 insbesondere Personen verpflichten kann, von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten (Satz 1 Halbsatz 2) und dass die zuständige Behörde Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten kann (Satz 2). Die Ergänzung der Regelung des § 28 Abs. 1 um „öffentliche Orte“, das Ersetzen des Merkmals „einer größeren Anzahl“ durch den Begriff der „Ansammlung von Menschen“, die Streichung des Zusatzes „bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind“ und schließlich die Aufnahme der Freizügigkeit in den Katalog der Grundrechtsbeschränkungen in § 28 Abs. 1 S. 4 IfSG durch Art. 1 Nr. 6 des Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27.03.2020 (BGBl I. 587) belegen eine vom Gesetzgeber gewollte Erweiterung der schon bisher möglichen Schutzmaßnahmen, ohne dass sich der gesetzlichen Regelung insoweit eine Beschränkung der Maßnahmen auf bestimmte abgrenzbare (lokale) Örtlichkeiten oder auf bestimmte Personen, etwa nur infizierte oder infektionsverdächtige Personen, oder – im Kontext des § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG – auf eine größere Anzahl von Menschen entnehmen lässt (vgl. BeckOK Infektionsschutzrecht, Eckart/Winkelmüller, 8. Ed. Stand 01.12.2021, § 28 IfSG, Rn. 11 und 36). |
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Mit der Regelung in § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG hat der Gesetzgeber zudem klargestellt, dass es dem Verordnungsgeber zugleich ermöglicht werden soll, in dem durch §§ 28 bis 31 IfSG bewusst großzügig abgesteckten Rahmen auch die Ahndung von Verstößen als Ordnungswidrigkeit anzuordnen. Der Grad der für eine Norm jeweils erforderlichen Bestimmtheit lässt sich nicht abstrakt festlegen, sondern hängt von den Besonderheiten des jeweiligen Tatbestandes einschließlich der Umstände ab, die zur gesetzlichen Regelung geführt haben, wobei der Gesetzgeber die Strafbarkeitsvoraussetzungen umso genauer festlegen und präziser bestimmen muss, je schwerer die von ihm angedrohte Strafe ist. (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.11.2021 – 1 BvR 781/21 -, juris, Rn. 156 m.w.N.). Auch die Schaffung von Blankettstraftatbeständen ist dem Gesetzgeber durch § 103 Abs. 2 GG nicht verwehrt. Die Bestimmtheitsanforderungen an bußgeldbewehrte Vorschriften sind zwar gegenüber allgemeinen Vorgaben an die Bestimmtheit von Vorschriften, die Grundrechtseingriffe regeln, gesteigert, erreichen aber regelmäßig nicht das Niveau für den besonders grundrechtssensiblen Bereich des materiellen Strafrechts (BVerfG, Beschluss vom 19.11.2021, a.a.O., Rn. 159 m.w.N.). Bei der Überarbeitung des Infektionsschutzgesetzes durch das Gesetz vom 27.03.2020, die auch § 28 IfSG betraf und mit der auch die Regelung in § 5 IfSG zur Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite und den sich daraus ergebenden Folgerungen eingeführt wurde, war dem Gesetzgeber eine nähere Umschreibung bzw. Konkretisierung des sanktionsfähigen Verhaltens noch nicht möglich, weil valide wissenschaftliche Erkenntnisse über die Entstehung, Verbreitung und Bekämpfung bzw. Eindämmung des neuartigen, erkennbar hoch ansteckenden und lebensgefährlichen Virus SARS-Cov-2, fehlten (Senat, a.a.O.; OLG Hamm, a.a.O.; OLG Koblenz, a.a.O.; KG, a.a.O.; so auch OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.04.2021 – 4 Rb 21 Ss 7/21 -, juris; a.A.: OLG Stuttgart, Beschluss vom 14.05.2021, a.a.O.). |
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c) An der formellen Rechtmäßigkeit der auf §§ 28, 32 IfSG gestützten Verordnung vom 17.03.2020 in der zum Tatzeitpunkt gültigen Fassung einschließlich der von § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG gedeckten Bußgeldvorschrift bestehen keine Bedenken (Senat, Beschlüsse vom 30.03.2021, 27.04.2021 und 14.06.2021, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg VBlBW 2020, 422). |
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d) Der Verordnungsgeber war entgegen der Ansicht des Rechtsbeschwerdeführers durch § 28 IfSG auch ermächtigt, zur Verhinderung der Ausbreitung des SARS-Cov-2-Virus geeignete präventive Maßnahmen gegenüber nicht infizierten Personen (Nichtstörer im polizeirechtlichen Sinn) anzuordnen (VGH Baden-Württemberg a.a.O.; Senat, Beschlüsse vom 30.03.2021, 27.04.2021 und 14.06.2021, a.a.O.; OLG Hamm, Beschlüsse vom 28.01.2021, a.a.O.). Das Infektionsschutzgesetz enthält keine Aussage dazu, gegen wen sich die Maßnahmen zu richten haben. Es greifen daher die ordnungsrechtlichen Grundsätze über die Heranziehung von Störern und Nichtstörern zur Gefahrenbeseitigung (vgl. BeckOK Infektionsschutzrecht, Eckart/Winkelmüller, 8. Ed. Stand 01.12.2021, § 16 IfSG Rn. 18). Insoweit sind die bereits im Frühjahr 2020 vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse von Bedeutung, wonach der Erreger vor allem im Wege der Tröpfcheninfektion und über Aerosole, die von infizierten Personen ausgeatmet bzw. abgehustet werden, übertragen wird und Infizierte zudem entweder gar keine Krankheitssymptome entwickeln können bzw. diese erst mit zeitlichem Versatz nach der Infektion auftreten, weshalb Maßnahmen allein gegenüber gesichert und erkennbar infizierten Personen nicht gleich wirksam gewesen wären. |
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e) Die durch §§ 3 Abs. 1 Satz 1, 9 Nr. 1 CoronaVO angeordneten Kontaktbeschränkungen im öffentlichen Raum waren im verfassungsrechtlichen Sinne geeignet (a.), in der vom Senat vorgenommenen einschränkenden Auslegung (nur bei Unterschreitung des in § 3 Abs. 1 Satz 2 geregelten Mindestabstands von 1,5 Metern) hinreichend bestimmt (b.), und erforderlich (c.), um das vom Gesetz- und Verordnungsgeber verfolgte legitime Ziel, Leben und Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems sicherzustellen, zu erreichen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.11.2021, a.a.O.) Sie waren auch im engeren Sinne verhältnismäßig (d.). |
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a. Verfassungsrechtlich genügt für die Eignung bereits die Möglichkeit, durch die getroffene Regelung den Gesetzes- bzw. Verordnungszweck zu erreichen (BVerfG, Beschluss vom 19.11.2021, a.a.O., Rn. 185 m.w.N.). Bei der Beurteilung der Eignung einer Regelung steht dem Gesetz- und Verordnungsgeber ein Spielraum zu, der sich auf die Einschätzung und Bewertung der tatsächlichen Verhältnisse, auf die etwa erforderliche Prognose und auf die Wahl der Mittel bezieht, um die Ziele des Gesetzes bzw. der Verordnung zu erreichen. Erfolgt der Eingriff zum Schutz gewichtiger verfassungsrechtlicher Güter und ist es dem Gesetzgeber angesichts der tatsächlichen Unsicherheiten nur begrenzt möglich, sich ein hinreichend sicheres Bild zu machen, ist die verfassungsrechtliche Prüfung auf die Vertretbarkeit der gesetzgeberischen Eignungsprognose beschränkt (BVerfGE 153, 187 <272 f. Rn. 238>, BVerfG, Beschluss vom 19.11.2021, a.a.O., Rn. 185). Verändern sich die für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit maßgeblichen Umstände nach Inkrafttreten des Gesetzes bzw. der Verordnung können Einschätzungsspielräume des Gesetzgebers die Regelung zwar möglicherweise irgendwann nicht mehr tragen. Angesichts der kurzen Geltungsdauer der angegriffenen Regelung kam dies jedoch nicht in Betracht (BVerfG, a.a.O.). Vor dem Hintergrund, dass zum damaligen Zeitpunkt noch keine gesicherten Erkenntnisse vorlagen, ob eine Tröpfcheninfektion auf andere Weise verlässlich verhindert werden kann, war die Anordnung von Kontaktbeschränkungen zur Verhinderung der weiteren, nach dem wissenschaftlichen Kenntnisstand exponentiell verlaufenden Ausbreitung des Virus ohne Zweifel geeignet (Senat, Beschlüsse vom 30.03.2021 und 27.04.2021, a.a.O). |
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b. Der § 3 Abs. 1 Satz 1 Corona-VO vom 17.03.2020 in der zur Tatzeit geltenden Fassung zukommende Regelungsgehalt ist durch Auslegung zu ermitteln. |
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Der Begriff „Haushalt“ ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, den die Rechtsordnung in unterschiedlichen Zusammenhängen aufgreift (vgl. §§ 37 ff. SGB V, § 9 Abs. 1, 70 Abs. 1 und 2 SGB XII, § 1568b Abs. 1 und 2, § 1932 BGB). Der mit den Kontaktbeschränkungen verfolgte Zweck, wechselnde Zusammenkünfte zwischen Menschen aufgrund des damit verbundenen Infektionsrisikos im Grundsatz zu unterbinden, legt dabei nahe, auf die sich typischerweise in denselben Wohnräumlichkeiten aufhaltenden Personen abzustellen (BVerfG, Beschluss vom 19.11.2021, a.a.O., Rn. 162). |
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Der Begriff „Aufenthalt“ ist angesichts des mit der Regelung verfolgten Zwecks, eine Übertragung des Virus im öffentlichen Raum und damit auch im Freien im Wege der (direkten) Tröpfcheninfektion zu verhindern, einschränkend dahin auszulegen, dass nur Zusammenkünfte erfasst sind, bei denen der Mindestabstand von 1,5 Metern unterschritten wird (vgl. Senat, Beschlüsse vom 30.03.2021 und vom 27.04.2021, a.a.O.; OLG Stuttgart, Beschluss vom 21.04.2021, a.a.O.; OLG Koblenz, Beschluss vom 08.03.2021, a.a.O.). |
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c. Dem Gesetz- und Verordnungsgeber stand angesichts der die Pandemie kennzeichnenden gefährlichen, aber schwer vorhersehbaren Dynamik und der im Zeitpunkt des Erlasses der Regelungen nur spärlichen wissenschaftlichen Erkenntnisse auch für die Beurteilung der Erforderlichkeit ein weiter Beurteilungsspielraum zu (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.11.2021, a.a.O., Rn. 204 ff). Ausgehend von den im Zeitpunkt des Erlasses der hier maßgeblichen Corona-VO Ende März 2020 vorhandenen Erkenntnissen zur Übertragbarkeit des Virus und den Möglichkeiten, seiner Verbreitung zu begegnen, ist es verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, dass der Verordnungsgeber davon ausging, dass keine den angeordneten Kontaktbeschränkungen zur Zweckerreichung sicher gleich wirksamen Mittel zur Verfügung standen (BVerfG a.a.O., Rn. 205). Ein Impfstoff existierte noch nicht. Ein Risiko einer direkten Infektion bestand nach den damaligen, bis heute gültigen Erkenntnissen nicht nur in geschlossenen Räumlichkeiten, sondern auch im Freien (BVerfG, a.a.O., Rn. 193, 209). |
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d. Das erstmals durch § 3 Abs. 1 Satz 1 CoronaVO vom 17.03.2020 mit Wirkung vom 18.03.2020 normierte Aufenthaltsverbot im öffentlichen Raum ist schließlich auch verhältnismäßig im engeren Sinne. Der vom Verordnungsgeber mit der Maßnahme bezweckte Schutz überragend wichtiger Gemeinschaftsgüter, nämlich der Schutz von Leben und Gesundheit der Bevölkerung und der Funktionstüchtigkeit des Gesundheitswesens, und die nach damaligem, bis heute gültigem Erkenntnisstand durch die Kontaktbeschränkungen zu erwartende Zweckerreichung standen nicht außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs und rechtfertigte Beschränkungen nicht nur der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 GG), sondern auch – insoweit vom Bundesgesetzgeber ausdrücklich in § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG vorgesehen – der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG). Im Rahmen der gebotenen Abwägung ist zu berücksichtigen, dass es sich nicht um eine vollständige Beschränkung der sozialen Kontakte handelte, sondern mit den unterschiedlichen zahlenmäßigen Begrenzungen in § 3 Abs. 1 und Abs. 2 CoronaVO zwischen dem Aufenthalt im öffentlichen Raum und außerhalb des öffentlichen Raums differenziert wurde und zudem Ausnahmen für Verwandte und in häuslicher Gemeinschaft lebende Personen(gruppen) geschaffen wurden (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28.01.2020, a.a.O.). Die grundrechtlich bedeutsamen Belastungen wurden zudem durch die zeitliche Befristung in § 10 der CoronaVO vom 17.03.2020 bis zum 15.06.2020 und der damit eröffneten und auch genutzten Möglichkeit, die getroffenen Maßnahmen immer wieder neu an die Infektionslage und neue wissenschaftliche Erkenntnisse anzupassen, begrenzt (vgl. BVerfG, a.a.O., Rn. 233). Mit der Dritten Verordnung der Landesregierung zur Änderung der Corona-Verordnung vom 09.06.2020 wurde das in § 3 Abs. 1 CoronaVO geregelte Aufenthaltsverbot gelockert (“in einer Gruppe mit Angehörigen von bis zu zwei Haushalten oder mit bis zu 10 Personen“); mit der CoronaVO vom 23.06.2020 wurde das Aufenthaltsverbot im öffentlichen Raum zugunsten einer allgemeinen Abstandsregel aufgehoben. |
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Dass der Betroffene im vorliegenden Fall an einer – wenn auch unangemeldeten – Solidaritätsbekundung teilnahm und damit sein Grundrecht auf Versammlungsfreiheit aus Art. 8 Abs. 1 GG tangiert war (BVerfGE 69, 315 <351>; BVerfG, Beschluss vom 07.03.2011 – 1 BvR 388/05 -, juris), macht das Aufenthaltsverbot nach § 3 Abs. 1 Satz 1 CoronaVO nicht unverhältnismäßig. Denn die Versammlungsfreiheit ist nicht unbeschränkt gewährleistet. Bei Versammlungen unter freiem Himmel sind zur Wahrung kollidierender Interessen Dritter Eingriffe in das Grundrecht gemäß Art. 8 Abs. 2 GG durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes zulässig (BVerfGE 87 399 <406>; BVerfG, Beschluss vom 26.06.2014 – 1 BvR 2135/09 -, juris; BVerfG, Beschluss vom 17.04.2020 – 1 BvQ 37/20 -, BeckRS 2020, 6051 zur Einschränkung des Versammlungsrechts durch § 3 CoronaVO Baden-Württemberg). Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass es dem Betroffenen – und den übrigen Versammlungsteilnehmer – nicht möglich gewesen wäre, ihren Protest bzw. ihre Solidarität zu der Heidelberger Rechtsanwältin unter Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern zu anderen Personen zu bekunden. |
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Die auf der Grundlage einer rechtsfehlerfreien Beweiswürdigung getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts tragen den Schuldspruch wegen vorsätzlichen Verstoßes gegen das Aufenthaltsverbot im öffentlichen Raum nach § 3 Abs. 1 Satz 1 CoronaVO. |
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a) Bei dem Vorplatz des Dienstgebäudes der Kriminalpolizeidirektion H.,, auf dem sich der Betroffene nach den Feststellungen des Amtsgerichts über eine Dauer von zwei bis zweieinhalb Stunden aufhielt, handelt es sich um einen „öffentlichen Raum“ i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 CoronaVO, denn er ist für die Öffentlichkeit frei zugänglich. |
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b) Dass der Betroffene den Mindestabstand von 1,5 Metern zu den umstehenden Personen nicht eingehalten hat, lässt sich den Urteilsgründen in ihrem Gesamtzusammenhang mit hinreichender Sicherheit entnehmen. Zwar ist in den Tatfeststellungen im angefochtenen Urteil lediglich festgestellt, der Betroffene habe sich über einen längeren Zeitraum zusammen mit einer Vielzahl (bis zu 150/200 Personen) von nicht zu seinem Hausstand gehörenden Personen „in einem verdichteten Pulk“ auf dem Vorplatz des Dienstgebäudes der Kriminalpolizei aufgehalten. Durch die ausdrückliche Bezugnahme gemäß §§ 71 Abs. 1 OWiG, 267 Abs. 1 S. 3 StPO auf die in der Hauptverhandlung in Augenschein genommenen Lichtbilder auf As. 5 und 7 in der Beweiswürdigung sind diese jedoch zum Bestandteil der Urteilsgründe geworden, so dass der Senat die Abbildungen aus eigener Anschauung würdigen kann (vgl. OLG Brandenburg, Beschluss vom 25.02.2020 – (1B) 53 Ss-Owi 8/20 (11/20) – BeckRS 2020, 3289 zur Identifizierung eines Betroffenen anhand eines Lichtbildes). Auf den in Bezug genommenen Lichtbildern, auf denen der im Urteil näher beschriebene Betroffene nicht zuletzt aufgrund seiner eigenen Einlassung eindeutig identifiziert werden konnte, ist zweifelsfrei zu erkennen, dass er jeweils im Zeitpunkt der Fertigung der Lichtbilder den vorgeschriebenen Mindestabstand von 1,5 Metern zu mehreren um ihn herumstehenden Personen nicht eingehalten hat. |
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c) Der Betroffene handelte auch vorsätzlich, ohne dass es vorliegend darauf ankäme, ob er die beiden Lautsprecherdurchsagen der Polizei mit der Aufforderung, sich zu entfernen, da es sich um eine nicht genehmigte und nicht genehmigungsfähige Versammlung handele, hören konnte bzw. gehört hat. Denn für das Vorliegen des Vorsatzes kommt es nicht entscheidend darauf an, ob dem Betroffenen das Verbot, sich mit mehr als einer weiteren nicht zu seinem Haushalt gehörenden Person im öffentlichen Raum aufzuhalten, bekannt war. Ein etwaiger Irrtum über die bestehenden Regelungen könnte allenfalls zu einem Verbotsirrtum gemäß § 11 Abs. 2 OWiG führen, der jedoch den Vorsatz nicht ausschließt, sondern nur im Falle seiner Unvermeidbarkeit die Vorwerfbarkeit entfallen lässt (vgl. Senat, Beschluss vom 14.06.2021 a.a.O.; OLG Hamm, Beschluss vom 28.01.2021 – 4 Rbs 3/21 -, a.a.O.). Der Aufenthalt des Betroffenen inmitten der aus den Lichtbildern ersichtlichen Menschengruppe unter Unterschreitung des Mindestabstands erfolgte mit Wissen und Wollen des Betroffenen. Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein Irrtum nur dann unvermeidbar, wenn der Täter trotz der ihm nach den Umständen des Falles, seiner Persönlichkeit sowie seines Lebens- und Berufskreises zuzumutenden Anspannung des Gewissens die Einsicht in das Unrechtmäßige nicht zu gewinnen vermochte; im Zweifel trifft ihn eine Erkundigungspflicht (BGH NStZ 1996, 338, 339; KK-OWiG/Rengier, 5. Aufl. 2018, § 11 Rn. 57 m.w.N.). Das Aufenthaltsverbot gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 CoronaVO wurde bereits mit der Ersten Corona-Verordnung der Landesregierung vom 17.03.2020, mithin etwa einen Monat vor dem 15.04.2020, eingeführt. Die jeweiligen in den Corona-Verordnungen des Landes getroffenen Schutz-Maßnahmen wurden von Beginn an in allen Medien ausführlich dargestellt und besprochen. Angesichts der vom Amtsgericht getroffenen Feststellung, dass der Betroffene sich an einer „Solidaritätsbekundung“ für eine als „impfkritisch“ bekannt gewordenen Rechtsanwältin beteiligte, erscheint fernliegend, dass ihm die in allen gängigen Medien ausführlich diskutierten Corona-Schutzmaßnahmen der Landesregierung verborgen geblieben sein könnten. Im Zweifel hätte er sich erkundigen können und müssen (BeckOK OWiG, Graf, 32. Ed. 01.10.2021, § 11 Rn.39). |
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Die Rechtsfolgenbemessung des Amtsgerichts hält rechtlicher Prüfung dagegen nicht stand. Zwar liegt die Bemessung der Rechtsfolgen grundsätzlich im Ermessen des Tatgerichts und die Überprüfung durch das Rechtsbeschwerdegericht beschränkt sich allein darauf, ob das Amtsgericht von rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgegangen ist und von seinem Ermessen rechtsfehlerfrei Gebrauch gemacht hat (vgl. Senat, Beschluss vom 11.06.2020, a.a.O.). Das Amtsgericht ist bei der Bemessung der Geldbuße zunächst zutreffend vom Bußgeldrahmen des § 73 Abs. 2 IfSG ausgegangen, der für eine Ordnungswidrigkeit nach § 73 Abs. 1a Nr. 24 eine Geldbuße bis zu 25.000 EUR vorsieht. Gänzlich unerörtert gelassen hat das Amtsgericht aber, dass der vom Ministerium für Soziales und Integration erlassene Bußgeldkatalog für Ordnungswidrigkeiten nach dem Infektionsschutzgesetz im Zusammenhang mit der Corona-VO (Stand 29.03.2020) für Verstöße gegen das Aufenthaltsverbot im öffentlichen Raum nach § 3 Abs. 1 CoronaVO einen Bußgeldrahmen von 100 Euro bis 1000 Euro vorsah, der in späteren, noch vor dem amtsgerichtlichen Urteil erlassenen Fassungen für der Sache nach vergleichbare Abstandsverstöße im öffentlichen Raum auf einen Bußgeldrahmen von 50 bis 250 Euro und einen Regelsatz von 70 Euro für einen vorsätzlich begangenen Erstverstoß gemildert wurde. Auch wenn andere Bußgeldkataloge als derjenige der BKatV als reine Verwaltungsrichtlinien regelmäßig nur als grobe Orientierungshilfe zu werten sind, die die Gerichte nicht binden (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 24.11.2021 – 2 Ss (OWi) 261/21 -, BeckRS 2021, 36820, Rn. 37), dürfen derartige Bußgeldkataloge aus Gründen einer möglichst gleichmäßigen Behandlung gleichgelagerter Sachverhalte nicht – wie vorliegend geschehen – gänzlich unbeachtet gelassen werden, wobei die Begründungspflicht bei Abweichungen des Gerichts von den verwaltungsinternen Regelsätzen mit der praktischen Verbreitung einer Verwaltungsrichtlinie zunimmt (vgl. KK, OWiG, 5. Aufl. 2018, § 17 Rn. 110; BeckOK OWiG, Graf, 32. Ed. 01.10.2021; § 17 Rn. 112; OLG Hamm, Beschluss vom 28.01.2021, a.a.O., Rn. 53). |
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Einer Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht bedarf es deswegen jedoch nicht. Der Senat entscheidet vielmehr nach § 79 Abs. 6 OWiG in der Sache selbst und hält unter Berücksichtigung dessen, dass es sich nach den Feststellungen des Amtsgerichts um einen vorsätzlich begangenen Erstverstoß handelte, der Betroffene sich zwar über einen längeren Zeitraum in der Ansammlung aufhielt, dass das Infektionsrisiko im Freien aber geringer ist und dass die Versammlung praktisch unter den Augen der Polizei stattfand und von dieser jedenfalls lange Zeit geduldet wurde, eine Geldbuße in Höhe der späteren Regelgeldbuße für vorsätzliche Erstverstöße von 70 Euro für insgesamt schuldangemessen. |
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Hinsichtlich des abgeurteilten fahrlässigen Verstoßes gegen die Maskenpflicht in Fußgängerbereichen nach §§ 3 Abs. 1 Nr. 11, 19 Nr. 2 der zur Tatzeit gültigen Sechsten Verordnung der Landesregierung zur Änderung der Corona-Verordnung vom 23.06.2020 in der vom 02.11.2020 bis 17.11.2020 gültigen Fassung deckt die zugelassene Rechtsbeschwerde keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen auf. |
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§ 3 Abs. 1 Nr. 11 der Corona-Verordnung vom 23.06.2020 lautete in der zum Zeitpunkt der Tat maßgeblichen Fassung wie folgt: |
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(1) Eine nicht-medizinische Alltagsmaske oder eine vergleichbare Mund-Nasen-Bedeckung muss getragen werden
…
11. Innerhalb von Fußgängerbereichen im Sinne des § 3 Abs. 2 Nummer 4
Buchstabe c Straßengesetz, es sei denn, es ist sichergestellt, dass der
Mindestabstand nach § 2 Abs. 2 Satz 1 eingehalten werden kann. |
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§ 2 Abs. 2 Satz 1 der Verordnung in der zum Zeitpunkt der Tat maßgeblichen Fassung lautete wie folgt: |
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Im öffentlichen Raum muss ein Mindestabstand zu anderen Personen von 1,5 Metern eingehalten werden, sofern nicht die Einhaltung des Mindestabstands im Einzelfall unzumutbar, dessen Unterschreitung aus besonderen Gründen erforderlich oder durch Schutzmaßnahmen ein ausreichender Infektionsschutz gewährleistet ist. |
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§ 3 Abs. 2 Nummer 4 Buchstabe c Straßengesetz lautet: |
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(2) Gemeindestraßen werden wie folgt eingeteilt: |
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4. Beschränkt öffentliche Wege; das sind Wege, die einem auf bestimmte Benutzungsarten oder Benutzungszwecke beschränkten Verkehr dienen oder zu dienen bestimmt sind. Hierzu gehören insbesondere
…
c) Fußgängerbereiche |
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§ 19 Nr. 2 der Verordnung in der zum Zeitpunkt der Tat maßgeblichen Fassung
lautete wie folgt: |
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Ordnungswidrig im Sinne des § 73 Absatz 1a Nummer 24 des Infektionsschutzgesetzes handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 3 Abs. 1 keine Mund-Nasen-Bedeckung trägt. |
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Der rechtlichen Bewertung war auch insoweit die zur Tatzeit geltende Fassung der Corona-Verordnung zugrunde zu legen, weil es sich um ein Zeitgesetz im Sinne von § 4 Abs. 4 OWiG handelte (vgl. oben unter II. A, 1); Senat Beschlüsse vom 30.03.2020, 27.04.2020 und 14.06.2021, a.a.O.). |
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Das Infektionsschutzgesetz in der zur Tatzeit gültigen Fassung vom 19.05.2020 (BGBl I S. 1018) enthielt mit den gegenüber der Gesetzesfassung vom 27.03.2020 (BGBl I S. 587) unverändert gebliebenen Regelungen in §§ 28, 32, 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG weiterhin eine ausreichende, verfassungskonforme Ermächtigung für die in § 3 Abs. 1 Nr. 11 CoronaVO angeordnete Maskenpflicht in Fußgängerbereichen, sofern der Mindestabstand von 1,5 Metern nicht verlässlich eingehalten werden kann, und deren Bußgeldbewehrung in § 9 Nr. 1 CoronaVO. |
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a) Die Ermächtigungsgrundlage in § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG in der Fassung vom 27.03.2020 genügte insbesondere für das in § 3 Abs. 1 Corona-VO geregelte grundsätzliche Gebot zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen in bestimmten öffentlichen Bereichen unter Berücksichtigung der Wesentlichkeitsdoktrin dem Vorbehalt des Gesetzes in seiner Ausprägung als Parlamentsvorbehalt (zu den Anforderungen vgl. BVerfG, Beschluss vom 14.03.1989, 1 BvR 1033/82 BVerfGE 80, 1, 20 und Beschluss vom 21.04.2015, Az. 2 BvR 1322/12 sowie BVerfGE 139, 19; ausf. ebenfalls VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.04.2020 – 1 S 925/20 -, juris m.w.N und BVerfG, Ablehnung einstweilige Anordnung vom 28.04.2020 – 1 BvR 899/20 –, juris). Der Gesetzgeber selbst hat in § 28 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 IfSG ausdrücklich vorgesehen, dass die zuständige Behörde unter den Voraussetzungen von Halbsatz 1 Personen insbesondere dazu verpflichten kann, von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 13.05.2020, 1 S 1314/20 -, juris Rn. 26 und Beschluss vom 22.10.2020 – 1 S 3201/20 -, juris Rn. 37; Senat, Beschluss vom 14.06.2021, a.a.O. zur Maskenpflicht im öffentlichen Personenverkehr). Wenn – wie im Fall des Coronavirus unstreitig der Fall – eine übertragbare Krankheit festgestellt ist, können nach § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 IfSG die notwendigen Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung der Krankheit durch Verordnung der Landesregierung getroffen werden. Mit solchen Bekämpfungsmaßnahmen gehen zulässiger Weise auch stets präventive Wirkungen einher. Solche präventiven Folgen sind gerade bezweckt. Daher sind die Landesregierungen nicht nur auf Maßnahmen nach §§ 16,17 IfSG beschränkt, sondern können auch Maßnahmen gegenüber Nichtstörern anordnen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.04.2020, a.a.O.). Die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung in Fußgängerbereichen, sofern nicht die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern zu anderen Personen sichergestellt ist, stellt einen Eingriff in Art. 2 Abs. 1 oder auch Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 GG von nur geringer Intensität dar, der bis zur Einführung des § 28a IfSG durch Gesetz vom 18.11.2020 (BGBl. I, S. 2397), mit dem die Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung (Maskenpflicht) neben vielen anderen Maßnahmen beispielhaft als eine notwendige Schutzmaßnahme im Sinne des § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG definiert wurde (§ 28a Abs. 1 Nr. 2 IfSG), auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 Hs. 1 IfSG gestützt werden konnte, solange und soweit sie verhältnismäßig war (Kießling, Infektionsschutzgesetz, IfSG 2. Aufl. 2021, § 28 Rn. 46, 47). Bei Bestehen einer Gefährdungslage mit – wie im Fall der Corona-Pandemie – erheblichen prognostischen Unsicherheiten war der Rückgriff auf die infektionsschutzrechtliche Generalklausel jedenfalls für eine Übergangszeit hinzunehmen, die im Hinblick auf die in diesem Verfahren angegriffene Rechtsverordnung vom 23.06.2020 in der Fassung vom 01.11.2020 noch nicht überschritten war (vgl. – zur entsprechenden thüringischen Corona-VO vom 31.10.2020 – ThürVerfGH, Beschluss vom 19.05.2021, VerfGH 110/20, Rn. 37 ff.; vgl. auch KG, Beschluss vom 13.08.2021, a.a.O.; BayObLG, Beschluss vom 05.10.2021 – 202 ObOWi 1158/21 -, BeckRS 2021, 34049). |
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b) Hinsichtlich der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Bußgeldbewehrung auch der Verstöße gegen die in § 3 Abs. 1 Nr. 11 der zur Tatzeit gültigen Corona-VO geregelte Maskenpflicht in Fußgängerbereichen kann auf obige Ausführungen unter II. A. 2b) verwiesen werden. |
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c) An der formellen Rechtmäßigkeit der auf §§ 28, 32 IfSG gestützten Verordnung vom 25.06.2020 in der zum Tatzeitpunkt gültigen Fassung einschließlich der von § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG gedeckten Bußgeldvorschrift bestehen keine Bedenken. |
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d) Die durch §§ 3 Abs. 1 Nr. 11, 19 Nr.2 CoronaVO bußgeldbewehrte Pflicht zum Tragen einer nicht-medizinischen Alltagsmaske oder einer vergleichbaren Mund-Nasen-Bedeckung in Fußgängerbereichen, sofern nicht sichergestellt ist, dass der durch § 2 Abs. 2 CoronaVO verpflichtend vorgegebene Mindestabstand von 1,5 Metern zu anderen Personen nicht eingehalten werden kann, war im verfassungsrechtlichen Sinne geeignet (a.), und auch erforderlich (b.), um das vom Gesetz- und Verordnungsgeber verfolgte legitime Ziel, Leben und Gesundheit der Bevölkerung zu schützen und die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems sicherzustellen, zu erreichen. Sie war auch hinreichend bestimmt (c.) und im engeren Sinne verhältnismäßig (d.). |
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a. Ein Gesetz und eine Verordnung ist geeignet, wenn mit seiner Hilfe der erstrebte Erfolg gefördert werden kann, wobei dem Gesetzgeber bei der Beurteilung der Eignung ein Beurteilungsspielraum zusteht (BVerfG Beschluss vom 19.11.2021, a.a.O, Rn. 183 ff.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.08.2021, a.a.O. Rn. 26; Senat, Beschluss vom 14.06.2021, a.a.O.). |
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Nach dem Maßstab der Vertretbarkeit muss die vom Verordnungsgeber angestellte Prognose zur Geeignetheit sachgerecht und vertretbar sein, was voraussetzt, dass die Prognose aus einer sachgerechten und vertretbaren Beurteilung des erreichbaren Materials herrührt (vgl. BVerfG, Az. 1 BvR 532/77 u.a., BVerfGE 50, 290, – juris; BVerfG, Beschluss vom 19.11.2021, a.a.O., Rn. 186 ff.). Der Gesetz- oder Verordnungsgeber muss die ihm zugänglichen Erkenntnisquellen ausgeschöpft haben, um die voraussichtlichen Auswirkungen seiner Regelung so zuverlässig wie möglich abschätzen zu können und einen Verstoß gegen Verfassungsrecht zu vermeiden. Wird diesen verfahrensrechtlichen Anforderungen Genüge getan, so erfüllen sie die Voraussetzungen inhaltlicher Vertretbarkeit; sie konstituieren insoweit die Einschätzungsprärogative des Verordnungsgebers, die das Gericht bei seiner Prüfung zu beachten hat (vgl. BVerfG, aa.O. Senat, Beschluss vom 14.06.2021 a.a.O.). Im Rahmen der nachträglichen gerichtlichen Prüfung ist dabei grundsätzlich auf die Verhältnisse abzustellen, die zum Zeitpunkt des Verordnungserlasses vorlagen und deren Beurteilung dem Verordnungsgeber bei der Vorbereitung der Verordnung möglich war. Der Verordnungsgeber hat sich – ebenso wie die Bundesregierung – weitestgehend auf die Risikobewertungen und Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts gestützt. Diesem kommt nach § 4 lfSG bei der Einschätzung des Infektionsgeschehens hinsichtlich übertragbarer Krankheiten bereits gesetzlich eine zentrale Stellung zu. Es berücksichtigt in einem transparenten Verfahren die (weltweit) verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse umfassend und wertet entsprechende Daten umfänglich aus. Die von ihm herangezogen Quellen werden entsprechend belegt. Es bestehen keine Anhaltspunkte, dass seine Einschätzungen – und damit auch die des Verordnungsgebers, der sich bei Verordnungserlass auf diese stützte – (evident) fehlerhaft gewesen wären (vgl. ThürVerfGH, a.a.O.; so auch BVerfG, Beschluss vom 19.11.2021, a.a.O. Rn. 178). |
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Die Pflicht zum Tagen einer Mund-Nasen-Bedeckung in Fußgängerbereichen, sofern der Mindestabstand von 1,5 Metern zu anderen Personen nicht zuverlässig eingehalten werden kann, wurde am 18.10.2020 mit der Fünften Verordnung der Landesregierung zur Änderung der Corona-Verordnung vom 23. Juni 2020 eingeführt, in einer Zeit, in der sich der Verlauf der Pandemie in der Bundesrepublik wieder zunehmend verschärft hatte. Dem Robert-Koch-Institut zufolge war in dieser Zeit ein beschleunigter Anstieg der Übertragungen in der Bevölkerung in Deutschland zu beobachten. weshalb das Robert-Koch-Institut dringend appellierte, dass sich die gesamte Bevölkerung für den Infektionsschutz engagieren müsse, indem sie Abstands- und Hygieneregeln konsequent – auch im Freien – einhalte, Innenräume lüfte und, wo geboten, eine Mund-Nasen-Bedeckung korrekt trage (vgl. www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/Okt_2020/2020-10-15-de.; s. auch VG Stuttgart, Beschluss vom 10.11.2020 – 16 K 5206/20 -, BeckRS 2020, 31182). Nach damaliger und bis heute gültiger Einschätzung des Robert-Koch-Instituts ist der Hauptübertragungsweg des Coronavirus die respiratorische Aufnahme virushaltiger Partikel, die beim Atmen, Husten, Sprechen, Singen und Niesen entstehen. Je nach Partikelgröße bzw. den physikalischen Eigenschaften unterscheidet man zwischen den größeren Tröpfchen und kleineren Aerosolen. Während insbesondere größere respiratorische Partikel schnell zu Boden sinken, können Aerosole über längere Zeit in der Luft schweben und sich – vor allem in geschlossenen Räumen – verteilen. Eine Mund-Nasen-Bedeckung kann das Risiko einer Übertragung durch Partikel jeglicher Größe im unmittelbaren Umfeld um eine infizierte Person reduzieren (vgl. RKI, Epidemiologischer Steckbrief zu SARS-Cov-2 und COVID-19, Stand 26.11.2021 www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html) Zwar kommen Übertragungen im Außenbereich insgesamt seltener vor, da bei Wahrung des Mindestabstands die Übertragungswahrscheinlichkeit im Außenbereich aufgrund der Luftbewegung sehr gering ist. Wird der Mindestabstand von 1,5 Metern jedoch unterschritten, besteht nach damaliger, bis heute gültiger Einschätzung des Robert-Koch-Instituts auch im Freien ein relevantes Übertragungsrisiko und ist das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes sinnvoll, insbesondere bei längeren Gesprächen und gesichtsnahen Kontakten oder in übersichtlichen Situationen mit Menschenansammlungen (vgl. Infektionsschutzmaßnahmen (Stand 30.09.2021) www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste_Infektionsschutz.html). |
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b. Die Regelung in § 3 Abs.1 Nr. 11 CoronaVO in der zur Tatzeit gültigen Fassung war auch im Sinne der oben dargelegten verfassungsrechtlichen Anforderungen erforderlich. Eine Maßnahme ist erforderlich, wenn der Gesetzgeber nicht ein anderes gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oder weniger einschränkendes Mittel hätte wählen können, wobei dem Gesetzgeber auch insoweit ein Beurteilungsspielraum zusteht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.11.2021, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 12.08.2021, a.a.O., Rn. 36). |
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Fußgängerbereiche in Innenstädten bilden einen Teil des öffentlichen Raumes, in denen wegen der vor allem zu den üblichen Geschäftszeiten oftmals hohen Frequentierung typischerweise Situationen auftreten, in denen, etwa im Begegnungsverkehr oder bei Überholvorgängen, der erforderliche Mindestabstand unterschritten wird. Mildere, gleich geeignete Mittel zur Begrenzung des Ansteckungsrisikos sind nicht ersichtlich, zumal die Benutzer der Straßen und Wege von der Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nasen- Bedeckung immer dann freigestellt werden, wenn aufgrund geringen Personenaufkommens keine Gefahr besteht, dass der Mindestabstand von 1,5 Metern zu anderen Personen nicht eingehalten werden kann (vgl. VG Stuttgart, Beschluss vom 10.11.2020, a.a.O. ; VG Karlsruhe, Beschluss vom 26.10.2020 – 7 K 4209/20 -, BeckRS 2020 28347). |
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c. Der Regelung in § 3 Abs. 1 Nr. 11 Corona-VO in der zur Tatzeit gültigen Fassung ist insgesamt hinreichend bestimmt zu entnehmen, wann in Fußgängerbereichen eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen ist. Fußgängerbereiche im Sinne des § 3 Abs.2 Nr. 4c StrG sind Flächen, die dem Fußgängerverkehr eigens straßenrechtlich gewidmet sind und die zur Verlautbarung der Widmung an die Verkehrsteilnehmer mit dem Verkehrszeichen 242.1 der Straßenverkehrsordnung gekennzeichnet sind. Die Regelung, dass immer und nur dann eine Mund-Nasen-Bedeckung getragen werden muss, wenn nicht sichergestellt ist, dass der gebotene Mindestabstand von 1,5 Metern zu anderen Personen eingehalten werden kann, erlaubt eine verlässliche Einschätzung der jeweiligen Benutzer dazu, ob in der konkreten Situation eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen ist oder nicht. |
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d. Der Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit der Betroffenen ist zwar von gewissem Gewicht, weil sie bestimmte öffentliche Bereiche nicht betreten können, ohne eine Mund-Nasen-Bedeckung aufzusetzen und damit Teile ihres Gesichts zu verdecken. Dadurch wird unter anderem ihr Recht, das eigene äußere Erscheinungsbild nach eigenem Gutdünken selbstverantwortlich zu bestimmen, beeinträchtigt. Mit dieser Beeinträchtigung gehen auch gewisse Einschränkungen der Kommunikation und der sozialen Interaktion einher und ggf. Erschwernisse bei der ungehinderten Atmung und damit unter Umständen dem Wohlbefinden (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 22.10.2020 – 1 S 3201/20). -, juris Rn. 63). |
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Der Verordnungsgeber hat die Maskenpflicht in § 3 Abs. 1 Nr. 11 nicht nur örtlich auf bestimmte Fußgängerbereiche, sondern auch situativ auf Situationen eingeschränkt, in denen der erforderliche Mindestabstand von 1,5 Metern zu anderen Personen nicht sicher eingehalten werden kann. Hinzu kommt auch hier die zeitliche Beschränkung der Gültigkeit der hier maßgeblichen CoronaVO. Unter Berücksichtigung des im damaligen Zeitpunkt zu verzeichnenden besorgniserregenden Wiederanstiegs der Infektionszahlen waren die für die Betroffenen eher geringfügigen Einschränkungen ihrer allgemeinen Handlungsfreiheit durch die so beschränkte Maskenpflicht, die dem Schutz überragend wichtiger Gemeinwohlbelange diente, damit im engeren Sinne verhältnismäßig. |
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Die auf diesen rechtlichen Grundlagen getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen eines fahrlässigen Verstoßes gegen das Gebot zum Tragen einer nicht-medizinischen Alltagsmaske oder einer vergleichbaren Mund-Nasen-Bedeckung in einem ausgewiesenen Fußgängerbereich gemäß §§ 73 Abs.1a Nr. 24 i.V.m. §§ 32, 28 Abs. 1 S. 1 IfSG in der zum Tatzeitpunkt geltenden Fassung und § 19 Nr. 2 i.V.m. 3 Abs. 1 Nr. 11 Corona-VO vom 23.06.2020 in der durch die Sechste Verordnung zur Änderung der Corona-Verordnung vom 01.11.2020 geänderten, ab 02.11.2020 geltenden Fassung. |
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Die Beweiswürdigung, die Sache des Tatrichters ist, ist nicht zu beanstanden. Sie ist frei von Widersprüchen, Unklarheiten oder Lücken und ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze erfolgt. Im Urteil ist dargelegt, dass der Betroffene eingeräumt hat, sich zur Tatzeit ohne Maske in der Fußgängerzone aufgehalten zu haben. Auch habe er die Beschilderung am Eingang der Fußgängerzone wahrgenommen, habe daraus aber den Schluss gezogen, er müsse entweder eine Maske tragen oder den Mindestabstand zu anderen Personen einhalten. Die Feststellung, dass die Einhaltung des Mindestabstands von 1,5 Metern aufgrund des hohen Personenaufkommens in der Fußgängerzone zur Tatzeit, an einem Samstagmittag, nicht durchgängig sichergestellt gewesen sei, hat das Amtsgericht auf die Aussage der Polizeibeamtin gestützt, die den Betroffenen angetroffen und kontrolliert hatte. Die vom Amtsgericht gezogenen Schlüsse, auch zur Vorhersehbarkeit und Vermeidbarkeit des Verstoßes gegen die Maskenpflicht in Fußgängerzonen für den Betroffenen, sind jedenfalls möglich, zwingend müssen sie nicht sein (vgl. BGH, Urteil vom 04.04.2013 – 3 StR 37/13 -, juris). |
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Das Vorliegen eines Ausnahmetatbestandes nach § 3 Abs. 2 CoronaVO musste das Gericht nicht prüfen, nachdem der Betroffene sich nicht auf einen zu seinen Gunsten eingreifenden Ausnahmetatbestand berufen hat. Im Rahmen der richterlichen Beweiswürdigung ist weder im Hinblick auf den Zweifelssatz noch sonst geboten, zugunsten des Betroffenen von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltpunkte erbracht hat (vgl. BGH NStZ 2021, 116). |
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Die Rechtsfolgenbemessung des Amtsgerichts ist jedenfalls im Ergebnis nicht zu beanstanden. Zwar lassen die Ausführungen des Amtsgerichts auch hinsichtlich der Bußgeldbemessung für den fahrlässigen Verstoß gegen die Maskenpflicht nicht erkennen, dass ihm bewusst war, dass auch insoweit ein Bußgeldkatalog existierte, der in der zur Tatzeit gültigen Fassung für den vorsätzlichen Erstverstoß einen Bußgeldrahmen von 50 bis 250 Euro und einen Regelsatz von 70 Euro vorsah, der bei fahrlässiger Begehung – sofern keine besonderen Umstände hinzutreten – zu halbieren ist. Dieser Rechtsfehler hat sich aber im Ergebnis nicht zuungunsten des Betroffenen ausgewirkt. Denn angesichts dessen, dass es sich für den Betroffenen nicht um einen Erstverstoß handelte und dass er sich gegenüber der ihn kontrollierenden Polizeibeamtin nach den Feststellungen des Amtsgerichts uneinsichtig zeigte, begegnet die Verhängung einer Geldbuße von 70 Euro keinen Bedenken. |
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Da der Betroffene seine Rechtsbeschwerde uneingeschränkt eingelegt, diese aber nur im Hinblick auf die Höhe der Geldbuße für den vorsätzlichen Verstoß gegen das Aufenthaltsverbot im öffentlichen Raum einen Teilerfolg hat, hält der Senat es für angemessen, die Gebühr um ein Drittel zu ermäßigen und insoweit auch die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen. Die Kostenentscheidung folgt insoweit aus § 473 Abs. 4 StPO in Verbindung mit § 46 OWiG. |
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