Beglaubigte Abschrift
Oberlandesgericht München
In Sachen
Dr. Roth Peter, Paul-Hösch-Straße 24, 81243 München
– Musterkläger –
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte KWAG Rechtsanwälte, Lofthaus 4, Am Winterhafen 3a, 28217 Bremen, Gz.: 0044/17
gegen
1) |
CONTI CORONA Anlageberatungsges. mbH & Co. Vertriebs KG, vertreten durch d. Komplementärin CONTI CORONA Anlageberatungsgesellschaft mbH, diese vertreten durch d. Geschäftsführer, Paul-Wassermann-Str. 5, 81829 München |
2) |
NSB Niederelbe Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG, vertreten durch d. Komplementärin Niederelbe Schifffahrtsgesellschaft mbH, diese vertreten durch d. Geschäftsführer, Harburger Straße 47-51, 21614 Buxtehude |
3) |
CONTI REEDEREI Management GmbH & Co. KG Konzeptions-KG, vertreten durch d. Komplementärin CONTI REEDEREI Management GmbH, diese vertreten durch d. Geschäftsführer, Paul-Wassermann-Straße 5, 81829 München |
4) |
CONTI 155. Container Schifffahrts-GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer, Paul-Wassermann-Straße 5, 81829 München |
5) |
CONTI 153. Container Schifffahrts-GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer, Paul-Wassermann-Straße 5, 81829 München |
6) |
CONTI 53. Container Schifffahrts-GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer, Paul-Wassermann-Straße 5, 81829 München |
7) |
CONTI 54. Container Schifffahrts-GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer, Paul-Wassermann-Straße 5, 81829 München |
8) |
CONTI Beteiligungsverwaltungs GmbH & Co. KG, vertreten durch die Conti Beteiligungsverwaltungs Geschäftsführungs GmbH, diese vertreten durch d. Geschäftsführer, Bleichenbrücke 10, 20354 Hamburg |
Prozessbevollmächtigte zu 1 – 3:
Rechtsanwälte Weiss Walter Fischer-Zernin, Fuhlentwiete 14, 20355 Hamburg, Gz.: 0016/17/06
Prozessbevollmächtigte zu 4 – 7:
Rechtsanwälte Weiss Walter Fischer-Zernin, Fuhlentwiete 14, 20355 Hamburg, Gz.: 0016/17/17
Prozessbevollmächtigte zu 8:
Rechtsanwälte Weiss Walter Fischer-Zernin, Fuhlentwiete 14, 20355 Hamburg, Gz.: 16/17/04
wegen Forderung
–
erlässt das Oberlandesgericht München – Senat für Kapitalanleger-Musterverfahren (5. Senat) – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Stackmann, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Godulla und den Richter am Oberlandesgericht Gerok am 19.10.2021 aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2021 folgenden
Beschluss
–
I. |
Die Anträge zu den Feststellungszielen 2.1 und 2.2 werden zurückgewiesen. |
II. |
Der Antrag zu dem Feststellungsziel 2.3 wird als unzulässig zurückgewiesen. |
III. |
Die Anträge zu den Feststellungszielen 1.1 – 27 sind gegenstandslos. |
IV. |
Für das erstinstanzliche Musterverfahren wird den Musterklägervertretern gem. § 41a RVG eine aus der Landeskasse zu zahlende besondere Gebühr in Höhe von 2.134,74 € inkl. Mehrwertsteuer bewilligt. |
–
Gründe:
–
I.
Der Musterkläger beteiligte sich über die Musterbeklagte zu 8) als Treuhänderin mit Erklärung vom 06.02.2007 an den Beteiligungsgesellschaften CONTI Schifffahrts-GmbH & Co. KG MS „CONTI JUPITER“ (41 %), CONTI Schifffahrts-GmbH & Co. KG MS „CONTI CORDOBA“ (25 %), CONTI Schifffahrts-GmbH & Co. KG MS „CONTI SALOME“ (17 %) und CONTI Schifffahrts-GmbH & Co. KG MS „CONTI ELEKTRA“ (17 %). Nach dem am 18.12.2006 aufgelegten Prospekt S. 30 sollte Zeichnungsschluss bei vollständigem Einwerben des geplanten Eigenkapitals sein.
Gegenstand der Beteiligungsgesellschaften im Rahmen des CONTI BETEILIGUNGSFONDS IX war der Betrieb und Bau von vier Containerschiffen.
Der Musterkläger nimmt die Musterbeklagten neben weiteren beigeladenen Anlegern wegen diverser Prospektfehler auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Musterbeklagten zu 1) bis 3) sind Gründungsgesellschafterinnen der Einschiffgesellschaften. Die Musterbeklagte zu 3) ist ausweislich S. 4 des Prospekts gemeinsam mit den Beteiligungsgesellschaften die Anbieterin der Beteiligungen und hat die Verantwortung für den Inhalt des Beteiligungsprospektes übernommen. Zum Zeitpunkt der Prospektauflage am 18.12.2006 waren die Musterbeklagten zu 1) bis 3) wie folgt am Kommanditkapital der Beteiligungsgesellschaften beteiligt:
Gesellschaft | Musterbeklagte zu 1) | Musterbeklagte zu 2) | Musterbeklagte zu 3) |
CONTI 155. Container Schifffahrts-GmbH & Co. KG MS »CONTI JUPITER« |
50.000 € | 50.000 € | 450.000 € |
CONTI 153. Container Schifffahrts-GmbH & Co. KG MS »CONTI CORDOBA« |
50.000 € | 50.000 € | 200.000 € |
CONTI 53. Container Schifffahrts-GmbH & Co. KG MS »CONTI SALOME« |
50.000 € | 50.000 € | 250.000 € |
CONTI 54. Container Schifffahrts-GmbH & Co. KG MS »CONTI ELEKTRA« |
50.000 € | 50.000 € | 250.000 € |
Die Musterbeklagte zu 1) war ferner im Vertrieb der Beteiligungen tätig und erhielt außerdem für die Produkteinführung ein Honorar von insgesamt 4,25 Mio. €, von denen 2,102 Mio. € auf den CONTI BETEILIGUNGSFONDS IX entfielen. Sie ist eine hundertprozentige Tochter CONTI HOLDING GmbH & Co. KG. Letztere ist mit 45 % an der Musterbeklagten zu 2) beteiligt, die für alle vier Beteiligungsgesellschaften die Aufsicht beim Bau ihrer Schiffe führte und für deren Bereederung verantwortlich ist.
Die Musterbeklagten zu 4) – 7) sind die Komplementärinnen der Einschiffgesellschaften (Prospekt S. 37 und jeweils § 3 der Gesellschaftsverträge), die Musterbeklagte zu 8) ist die Beteiligungstreuhänderin der Anleger.
Das Landgericht München I hat am 10.10.2017 den Musterverfahrensantrag vom 20.02.2017 betreffend den „CONTI Beteiligungsfonds IX“ „als Gründungsgesellschafter der Zielfondsgesellschaften CONTI 155. Container Schifffahrts-GmbH & Co. KG MS „CONTI Jupiter“, CONTI 153. Container Schifffahrts-GmbH & Co. KG MS „CONTI Cordoba“, Conti 53. Schifffahrts-GmbH & Co. KG MS „CONTI Salome“ und CONTI 54. Container Schifffahrts-GmbH & Co. KG MS „CONTI Elektra““ im elektronischen Bundesanzeiger veröffentlicht, und am 29.12.2017 beschlossen, dem Oberlandesgericht München die dort näher bezeichneten Feststellungsziele zum Zwecke der Herbeiführung eines Musterentscheids vorzulegen, den Beschluss hat der Senat mit Beschlüssen vom 08.11.2018 und 26.03.2019 wie folgt neu gefasst und erweitert:
1. |
Hinsichtlich der Fehlerhaftigkeit des Beteiligungsprospekts zum „CONTI Beteiligungsfonds IX“ wird festgestellt, dass der am 18.12.2006 veröffentlichte Emissionsprospekt zum streitgegenständlichen „CONTI Beteiligungsfonds IX“ in folgenden erheblichen Punkten unrichtig, unvollständig und irreführend ist: |
1.1. |
Es wird im Prospekt auf Seite 5 mit den Behauptungen „Das Angebot – Hohe Sicherheit und Kapitalstreuung in verschiedenen Größenklassen der Containerschifffahrt“ und „Andererseits bedeutet sie hohe Sicherheit durch überwiegend langfristige Charterverträge und gleichzeitig Kapitalstreuung in verschiedenen Größenklassen zur Minimierung von Risiken und Maximierung von Chancen“ fälschlich eine nicht bestehende Sicherheit in Bezug auf einen Kapitalrückfluss dargestellt, |
1.2. |
es wird im Prospekt auf der Seite 5 mit der Formulierung „Nach 20 Jahren Einsatzzeit besteht ein Sonderkündigungsrecht mit Rückzahlung von 100 % der Gesamtbeteiligung“ fälschlich dargestellt, dass bei Ausübung eines Sonderkündigungsrechts das eingesetzte Kapital sicher zu 100 % zurückgezahlt wird, |
1.3. |
es wird im Emissionsprospekt auf der Seite 14 mit der Formulierung: „Sofern der Eintritt mehrerer Risiken zusammentrifft, können sie anlagegefährdend sein, d. h. es kann bei Verlust der Gesellschaftermittel zur vorzeitigen Auflösung der Beteiligungsgesellschaften kommen.“ das Totalverlustrisiko verharmlost, |
1.4. |
es fehlt im Emissionsprospekt an einer Darstellung der Tatsache, dass die Durchschnittscharterraten für Containerschiffe auch vor Prospektveröffentlichung extrem volatil waren, |
1.5. |
es fehlt im Emissionsprospekt an einer Darstellung der Tatsache, dass die volatilen Durchschnittscharterraten für Containerschiffe direkten Einfluss auf die Secondhand-Preise von Containerschiffen haben, die also ebenfalls sehr volatil schwanken, |
1.6. |
es fehlt im Emissionsprospekt an einer Darstellung der Tatsache, dass die Anleger im Falle einer Insolvenz der Fondsgesellschaften nur nachrangig aus der Insolvenzmasse befriedigt werden, |
1.7. |
es fehlt im Emissionsprospekt an einer Darstellung der extremen Auswirkungen von Diskrepanzen zwischen Angebot und Nachfrage auf die Höhe des Charterratenniveaus, mithin der Höhe der zu erzielenden Charterraten, |
1.8. |
es wird im Emissionsprospekt verheimlicht, dass Charterraten für die Dauer einer mindestens 20jährigen Fondslaufzeit rechnerisch unkalkulierbar sind, |
1.9. |
es fehlt im Emissionsprospekt an einer Darstellung des sog. Kaskadeneffektes als risikoerhöhendem Umstand, sprich der Darstellung von Existenz und Folgen daraus, dass aufgrund größenbedingter Preisvorteile für den Transport eines Containers bei größeren Schiffen kleinere Schiffe aus ihren bis dahin vordergründig bedienten Fahrtgebieten in andere regelmäßig weniger lukrative Fahrtgebiete verdrängt werden, |
1.10. |
es fehlt im Emissionsprospekt an einer Darstellung des Transshipments-Effektes als risikoerhöhendem Umstand, sprich den Auswirkungen auf die Anzahl der benötigten Schiffe und die Höhe des Container-Umschlags durch das „Umsteigen“ von Containern von größeren auf kleinere Schiffe (oder umgekehrt), |
1.11. |
es wird im Emissionsprospekt die Tatsache verschwiegen, dass durch die zum Zeitpunkt der Prospekterstellung beschlossene Abschaffung der Gruppenfreistellungsverordnung für Linienkonferenzen im Seefrachtverkehr (EWG Nr. 4056/86 zum 18.10.2008 der Preisdruck auf die Charterraten weiter wachsen musste, |
1.12. |
es fehlt im Emissionsprospekt an einer Darstellung der Tatsache, dass zum Zeitpunkt der Prospektherausgabe bereits eine Übertonnage im Containerschiffbereich bestand und aufgrund neu auf den Markt drängender Schiffe diese weiter wachsen musste und die im Emissionsprospekt kalkulierten (Anschluss-)Charterraten daher unvertretbar hoch angesetzt waren, |
1.13. |
es fehlt im Prospekt an einer Darstellung der Tatsache, dass aufgrund der erwarteten Fertigstellung des erweiterten Panama-Kanals im Jahre 2015 etwaige Wettbewerbsvorteile des Panamax-Fondsschiffes entfallen, |
1.14. |
es fehlt im Emissionsprospekt an einer Darstellung der Tatsache, dass die Fondsschiffe jeweils zu einem Zeitpunkt erworben wurden, zu dem die Neubaupreise bis dahin historische Höhen erreichten, |
1.15. |
der Anleger wird durch Angaben zu einem Schiffsschätzer auf den Seiten 5, 20, 21, 22, 28 und 32 darüber getäuscht, dass ein Schiffsschätzer die Fondsschiffe vor Übernahme gesichtet habe, |
1.16. |
im Emissionsprospekt fehlt es im Rahmen der Darstellung von Risiken der Fremdfinanzierung a) an einer Darstellung, dass in den Fremdfinanzierungsverträgen jeweils sog. Loan-to-Value-Klauseln vereinbart wurden, was bedeutet, dass dann, wenn der aktuelle Wert des Schiffes den vertraglich vereinbarten Wert unterschreitet, die Bank neue Sicherheiten oder Sondertilgungen verlangen kann, b) an einer Darstellung, dass in den Fremdfinanzierungsverträgen jeweils eine 105 %-Klausel vereinbart wurde, was bedeutet, dass die finanzierende Bank bei der wechselkursbedingten Überschreitung des Kreditlimits um mehr als 5 % die Rückführung des Kredits verlangen kann, c) an einer Darstellung, dass durch Basel II, sprich den EU-Richtlinien 2006/48 und 2006/49 bei einer Änderung der Einnahmen (= Charterraten) oder Ausgaben (= Betriebskosten) eines Schiffes sich das Kreditausfallrisiko verändert, die Bank mehr Eigenkapital unterlegen muss, was dazu führt, dass die Bank dieses Risiko durch höhere Zinsen einpreisen muss. |
1.17. |
auf den Seiten 10, 44 und 69 des Emissionsprospekts wird irreführend mit werthaltigen Platzierungsgarantien geworben |
1.18. |
es werden auf Seite 24 des Emissionsprospektes mit kalkulierten Schiffskosten i.H.v. 2.045 €/Tag + 5.950 USD für die MS „CONTI JUPITER“, 1.655 €/Tag + 4.445 USD/Tag für die MS „CONTI CORDOBA“ und jeweils 1.510 €/Tag +3.100 USD/Tag für die MS „CONTI SALOME“ und die MS „CONTI ELEKTRA“ unvertretbar niedrige Betriebskosten kalkuliert und zudem auf S. 11 und 51 des Emissionsprospektes eine unvertretbar niedrige Betriebskostensteigerung von 3 % p.a. ab dem Jahre 2010 kalkuliert, |
1.19. |
die im Emissionsprospekt abgedruckten Sensivitätsanalysen auf den Seiten 62/63 sind insgesamt wegen unrealistisch niedrig angegebener Abweichungen irreführend, |
1.20. |
es erfolgt im Prospekt kein Hinweis auf das Risiko einer Majorisierung von Stimmrechten, |
1.21. |
trotz nur eingeschränkter Fungibilität der Kommanditanteile wird dem Anleger auf S. 30 des Emissionsprospektes mit der Aussage „CONTI bietet für den Handel von Zweitmarktanteilen einen speziellen Service, den CONTI-Zweitmarkt, an. Dennoch kann die Handelbarkeit für die Beteiligungen eingeschränkt sein“,suggeriert, dass ein geregelter Zweitmarkt bestünde, |
1.22. |
der Emissionsprospekt klärt nicht hinreichend über die Risiken und Besonderheiten einer Poolbeschäftigung der Fondsschiffe auf, |
1.23. |
es fehlt an konkreten Prospektangaben zum Versicherungsschutz, |
1.24. |
über das Risiko einer möglichen Inanspruchnahme der Fondsgesellschaft durch Dritte klärt der Emissionsprospekt nicht auf, |
1.25. |
eine Nachschusspflicht wird auf den Seiten 6 und 31 des Emissionsprospektes mit der jeweiligen Aussage „Eine Nachschusspflicht besteht nicht“ fälschlich ausgeschlossen, |
1.26. |
das Risiko der Rückforderbarkeit von Ausschüttungen gem. §§ 30, 31 GmbHG wird im Emissionsprospekt nicht erwähnt. |
1.27. |
mit der Aussage im Prospekt auf S. 24 „Jedes Schiff wird bei einem internationalen Versicherungskonsortium ab Ablieferung so versichert, dass im Falle des Totalverlustes die jeweilige Gesamtinvestitionssumme abgedeckt ist und die Gesellschafter ihre Gesellschaftermittel zurückerhalten.“ wird fälschlich behauptet, dass im Falle des Verlustes eines Schiffes die Versicherungsleistungen ausreichen würden, um den Anlegern ihr investiertes Kapital vollständig zurückzuzahlen. |
2. |
Es wird festgestellt, dass die Musterbeklagten |
2.1. |
für den am 18.12.2006 veröffentlichten Emissionsprospekt zum streitgegenständlichen „CONTI Beteiligungsfonds IX“ als Gründungsgesellschafter der Zielfondsgesellschaften CONTI 155. Container Schifffahrts-GmbH & Co. KG MS „CONTI Jupiter“, CONTI 153. Container Schifffahrts-GmbH & Co. KG MS „CONTI Cordoba“, CONTI 53. Schifffahrts-GmbH & Co. KG MS „CONTI Salome“ und CONTI 54. Container Schifffahrts-GmbH & Co. KG MS „CONTI Elektra“ aufgrund der Inanspruchnahme persönlichen Vertrauens nach den Grundsätzen der uneigentlichen Prospekthaftung im weiteren Sinne gemäß §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs 2 und 3 BGB verantwortlich sind. |
2.2. |
bei der Veröffentlichung des am 18.12.2006 veröffentlichten Emissionsprospektes zu dem streitgegenständlichen „CONTI Beteiligungsfonds IX“ als Gründungsgesellschafter der Zielfondsgesellschaften CONTI 155. Container Schifffahrts-GmbH & Co. KG MS „CONTI Jupiter“, CONTI 153. Container Schifffahrts-GmbH & Co. KG MS „CONTI Cordoba“, Conti 53. Schifffahrts-GmbH & Co. KG MS „CONTI Salome“ und CONTI 54. Container Schifffahrts-GmbH & Co. KG MS „CONTI Elektra“aufgrund der unter Ziffer 1. festgestellten Prospektfehlerhaftigkeit nach den Grundsätzen der uneigentlichen Prospekthaftung im weiteren Sinne schuldhaft ihre vertraglichen Aufklärungspflichten verletzt haben. |
2.3. |
verpflichtet waren, über die in Ziffer 1. festgestellten unrichtigen, unvollständigen und irreführenden Punkte in dem streitgegenständlichen Emissionsprospekt zum „CONTI Beteiligungsfonds IX“ aufzuklären und deshalb wegen Verletzung ihrer Aufklärungspflichten haften. |
Der Musterkläger hat zunächst die Auffassung vertreten, die Musterbeklagten zu 1 – 3) seien die „Prospektverantwortlichen und die Gründungskommanditistinnen der vier Einschiffgesellschaften“ (S. 137 der Begründung des Vorlagebeschlusses vom 20.09.20218). Nach Veröffentlichung des Beschlusses des BGH vom 19.01.2021, XI ZB 35/18, hat er darauf verwiesen, dass die Gründungsgesellschafter nicht zwingend die Prospektveranlasser seien. Jedenfalls müsse im Einzelfall geprüft werden, ob sie in den Anwendungsbereich der spezialgesetzlichen Prospekthaftung fielen. Das sei bei den Musterbeklagten zu 1 und 2 nicht der Fall, auch für die Musterbeklagte zu 8 könne nichts anderes gelten. Nach § 44 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BörsG aF hafteten neben denen, die ausdrücklich die Prospektverantwortlichen übernommen hätten, zwar auch diejenigen, von denen der Erlass des Prospekts ausgehe, das treffe auf die Musterbeklagten zu 1, 2 und 8 nicht zu. Denn es gehe um solche Personen und Unternehmen, von denen die wirtschaftliche Initiative ausginge und die hinter dem Prospekt stünden und seine eigentlichen Urheber seien. Relevant seien also die Prospektveranlasser, die hinter dem Emittenten stünden und neben der Geschäftsleitung besonderen Einfluss ausübten. Indikator könne auch ein erhebliches wirtschaftliches Eigeninteresse sein. Die Musterbeklagte zu 1 sei für den Vertrieb und das Marketing zuständig gewesen, deshalb hafte sie nur dann, wenn sie dies im Prospekt ausdrücklich kundgetan habe, das sei aber nicht der Fall. Die Musterbeklagte zu 2 habe als Bereederin und die Bauaufsicht führende Gesellschaft mit der Emission keine Berührung gehabt. Die Beklagte zu 8 habe als Treuhänderin mit der Emission keinen Berührungspunkt gehabt. Keine der drei genannten Musterbeklagten habe darauf hingewiesen, dass ein unrichtiger oder unvollständiger Prospekt erstellt und veröffentlicht worden sei, obwohl sie sich den Prospekt als einzige Informationsquelle zu eigen gemacht hätten. Das sei die Verletzung vorvertraglicher Informationspflichten. Die Musterbeklagten seien nicht Gesellschafter der Komplementärin der Fondsgesellschaften gewesen. Sie hätten auch kein erhebliches wirtschaftliches Interesse an der Emission gehabt. Die Musterbeklagten zu 1 und 2 hätten von ihrer Pflichteinlage jeweils nur 10 %, nämlich 5.000 € bezahlt. Die Musterbeklagten hätten eine operative Rolle oder eine Beteiligung an der Konzeption und Prospektierung des Projekts darzulegen.
Die Anträge zu 11 bis 27 könnten nicht gegenstandslos sein, weil auch bei Anwendung von §§ 13 VerkProspG, 44 ff Börsengesetz Verjährungsfragen im KapMuG-Verfahren nicht zu klären seien. Die Musterbeklagte zu 2 habe Platzierungsgarantien übernommen und damit persönliches Vertrauen in Anspruch genommen. Das gelte auch für die Musterbeklagte zu 3, die verantwortlich für die Bauaufsicht sowie die Bereederung der vier Schiffe gewesen sei. Die Musterbeklagten hätten eigene wirtschaftliche Interessen mit den streitgegenständlichen Fonds verfolgt, an denen sie sich mit erheblichen Beträgen beteiligt hätten. Außerdem seien sie nicht wie ein nur kapitalistisch beteiligter Anlagegesellschafter erkennbar von jedem Einfluss auf die Vertragsgestaltung und die Einwerbung von neuen Gesellschaftern ausgeschlossen gewesen, sondern hätten erkennbar erheblichen Einfluss auf die vertragliche Gestaltung der Bereederung und die Vergütung hierfür sowie den Kaufpreis der Schiffe gehabt. Aufgrund der Einbindung der Musterbeklagten in die Gesellschaftsstruktur sei es jedenfalls aus der Sicht der Anleger nicht ausgeschlossen, dass sie allesamt tatsächlich auf die Gestaltung des jeweiligen Gesellschafts- und Treuhandvertrags Einfluss genommen hätten, damit komme es nicht mehr darauf an, ob sie diesen tatsächlich gehabt hätten. Die Anleger hätten daher auch nicht davon ausgehen müssen, dass die Musterbeklagten zu 1 – 3 ihre Tätigkeit ausschließlich mit den Informationen bestritten hätten, die sich aus dem Prospekt ergeben hätten, sondern „diesen selbst gestalteten“ (Schriftsatz vom 20.09.2021, S. 143).
Die Musterbeklagte zu 1 sei keine direkte Schwestergesellschaft der Musterbeklagten zu 3. Die Musterbeklagte zu 2 sei nicht eng mit den Musterbeklagten zu 1 und 3 verwoben. Nur weil die CONTI Unternehmensgruppe einen Minderheitsanteil an der Musterbeklagten zu 2 halte, sei letztere nicht gesellschaftsrechtlich eng mit den Musterbeklagten zu 1 und 3 verwoben. Tatsächlich hat die Musterbeklagte zu 1 einen Vertrag über die Einwerbung des Kommanditkapitals geschlossen und dafür das im Prospekt angeführte Honorar erhalten. Auch bei der Produkteinführung habe es sich um eine gesonderte Dienstleistung gehandelt, das habe weder etwas mit einem wirtschaftlichen Interesse als Gründungsgesellschafterin zu tun noch sei dies ein Indiz für die von dieser veranlassten Erstellung des Prospekts. Es werde bestritten, dass die Musterbeklagten zu 1 und 2 an der Prospekterstellung mitgewirkt hätten. Ferner werde bestritten, dass die Musterbeklagte zu 2 die Schiffsbetriebskosten und deren jährliche Steigerung prognostiziert, aufgeschlüsselt und das entsprechende Zahlenmaterial geliefert habe. Es werde bestritten, dass die Musterbeklagten zu 1 und 2 Kenntnis davon gehabt hätten, dass der Prospekt in den Verkehr gebracht worden sei. Wenn der Musterbeklagten zu 2 nur die Seiten 24 und 25 zur Prüfung vorgelegt worden sei, habe ihr nicht der gesamte Prospekt vor der Veröffentlichung vorgelegen. Es werde bestritten, dass die Bild/Wortmarke der Musterbeklagten zu 2 auf dem Prospektdeckblatt mit deren Einverständnis genutzt worden sei.
Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 19.01.2021 (XI ZB 35/18) leide an zahlreichen rechtsdogmatischen Fehlern, damit sei es unwahrscheinlich, dass die dort kryptisch begründete Rechtsauffassung zur ständigen Rechtsprechung des BGH werde.
Der Musterkläger beantragt,
die im Vorlagebeschluss des LG München I vom 29.12.2017 und den Erweiterungsbeschlüssen des Senats vom 08.11.2018 und 04.04.2019 enthaltenen Feststellungen zu treffen und außerdem eine gesonderte Vergütung nach § 41 a RVG zuzusprechen. |
Die Musterbeklagten beantragen,
die Musterfeststellungsanträge zurückzuweisen. |
Die Musterbeklagten sind der Meinung, dass nach dem Beschluss des BGH vom 19.01.2021, XI ZB 35/18 Rn.22, für Gründungsgesellschafter als Prospektveranlasser keine BGB-Prospekthaftung angenommen werden könne. Die Musterbeklagte zu 1 sei eine direkte Schwestergesellschaft der Musterbeklagten zu 3, die Musterbeklagte zu 2 sei mit den Musterbeklagten zu 1 und 2 gesellschaftsrechtlich eng verwoben, wie sich aus der Darstellung auf S. 16 und 17 des Prospekts ist ergebe. Die Musterbeklagte zu 1 habe mit der Beteiligungsgesellschaft einen Vertrag über die Einwerbung des Kommanditkapitals abgeschlossen, hierfür erhalte sie die auf S. 43 des Prospekts genannten Beträge. Ferner erhalte sie für die Produkteinführung die dort benannten Gelder. Die Musterbeklagte zu 2 habe die Bereederung der vier Schiffe und vorher die Bauaufsicht übernommen. Dafür habe sie die im Prospekt genannten Beträge erhalten. Die Musterbeklagten zu 1 und 2 hätten bei der Gestaltung des Prospekts mitgewirkt. Die Musterbeklagte zu 1 habe beispielsweise am vorangestellten Fazit auf S. 5 des Prospekts mitgewirkt. Die Musterbeklagte zu 2 habe insbesondere die Schiffsbetriebskosten und deren jährliche Steigerung prognostiziert, aufgeschlüsselt und das entsprechende Zahlenmaterial zu S. 24 des Prospekts geliefert. Die Musterbeklagten zu 1 und 2 hätten selbstverständlich Kenntnis davon gehabt, dass der Prospekt für die Schiffsgesellschaften veröffentlicht worden sei, für die sie Kommanditkapital einwerben bzw. deren Schiffsbauten sie betreuen und anschließend bereedern hätten sollen. Die Musterbeklagte zu 2 habe vor Prospektveröffentlichung insbesondere S. 24 und 25 mit der Bitte um Überprüfung der dortigen Angaben zu den Schiffsbetriebskosten und um Freigabe zur Veröffentlichung erhalten. Außerdem sei mit der Beklagten zur 2 vor Veröffentlichung vereinbart worden, dass deren Wort–/Bildmarke auf dem vorderen Einband des Prospekts verwendet werden dürfe. Es sei nochmals darauf hinzuweisen, dass der BGH im Beschluss vom 19.01.2021 immer wieder den Begriff „Gründungsgesellschafter“ verwende, ohne auf dessen Rolle als Prospektveranlasser abzustellen.
Der Senat hat Hinweise erteilt mit Beschlüssen vom 28.05.2018 und 10.01.2019 sowie den Verfügungen vom 30.01.2019, 22.02.2019, 03.04.2019, 31.05.2021 und 24.08.2021. Er hat Beweis erhoben gem. Beweisbeschluss vom 07.05.2019 durch Erholung eines Gutachtens des Sachverständigen Rosenstock vom 13.11.2019, ferner durch Vernehmung der Zeugen Kleinekampmann, Leinweber und Meyer-Glöckner im Termin vom 07.05.2019 gem. Ladungsverfügung vom 03.04.2019, außerdem durch Vernehmung der Zeugen Obermeier, Dr. Ukert, Noll, Petrovic, Ponath und Menzl gem. Verfügungen vom 24.08. und 09.09.2021 im Termin vom 19.10.2021. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Rosenstock vom 13.11.2019 sowie dessen ergänzende Stellungnahme vom 30.03.2020 und die Sitzungsniederschriften vom 07.05.2019 und vom 19.10.2021 Bezug genommen. Weitere Einzelheiten ergeben sich aus den im Musterverfahren gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen und den bereits zitierten Sitzungsniederschriften, Beschlüssen und Verfügungen.
II.
Die Anträge zu den Feststellungszielen zu 1.1 – 27 sind gegenstandslos, weil die Anträge zu den Feststellungszielen 2.1 und 2.2 mangels uneigentlicher Prospekthaftung im weiteren Sinne der Musterbeklagten zurückzuweisen sind und der Antrag zum Feststellungsziel 2.3 unzulässig ist.
1. |
Im Kapitalanleger-Musterverfahren ist fortlaufend zu prüfen, ob für die einzelnen Feststellungsziele ein Sachentscheidungsinteresse fortbesteht. Das ist dann nicht der Fall, wenn durch die beantragte Feststellung keines der ausgesetzten Verfahren weiter gefördert werden kann. Ist die Entscheidungserheblichkeit einzelner Feststellungsziele aufgrund der Prüfung im Musterverfahren entfallen, ist der zugrundeliegende Vorlagebeschluss (§ 6 Abs. 1 KapMuG) bzw. der Erweiterungsbeschluss (§ 15 Abs. 1 KapMuG) hinsichtlich dieser Feststellungsziele gegenstandslos geworden. Das muss im Tenor und den Gründen des Musterentscheids zum Ausdruck gebracht werden (BGH, Beschl. v. 12.01.2021, XI ZB 18/17 Rn.102 mwN).
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2. |
Der Senat hat erwogen, die Kosten der durchgeführten Beweisaufnahme durch Erholung des Gutachtens und der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen Rosenstock und Einvernahme der Zeugen Kleinekampmann, Leinweber und Meyer-Glöckner im Termin vom 07.05.2019 gem. § 21 GKG niederzuschlagen, weil es auf deren Ergebnis infolge der zitierten neueren Rechtsprechung des BGH nicht mehr ankommt. Allerdings war diese bei Erlass der Beweisanordnungen bis auf den Beschluss vom 23.10.2018, XI ZB 3/16, zu dem hier nicht anzuwendenden § 127 Abs. 1 InvG aF noch nicht bekannt; in eine andere Richtung wies das Urteil vom 09.07.2013, II ZR 9/12, in dessen Rn.26 es heißt, die Prospekthaftung im weiteren Sinne werde durch die spezialgesetzlichen Formen der Prospekthaftung nicht außer Kraft gesetzt. |
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3. |
Auf den Antrag der Musterklägervertreter ist nach § 41a RVG auszusprechen, dass diese wegen ihres nach Aktenlage ohne weiteres gegebenen hohen Aufwands für das Betreiben des Musterverfahrens Anspruch auf die Höchstgebühr von 0,3 aus dem Wert sämtlicher ausgesetzter Verfahren (1.384.832,05), also inklusive Mehrwertsteuer 2.134,74 € haben. |
–
gez.
Dr. Stackmann
Vorsitzender Richter |
Dr. Godulla
Richterin |
Gerok
Richter |
Verkündet am 19.10.2021
gez.
Stanglmaier, JAng
Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Für die Richtigkeit der Abschrift München, 10.11.2021Stanglmaier, JAng Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle |
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