Das Oberlandesgericht Stuttgart hat in einem Urteil vom 4. Juli 2024 einem Kläger im Diesel-Abgasskandal teilweise Recht gegeben und die Daimler AG zu Schadensersatz verurteilt.
Hintergrund des Falls:
Der Kläger hatte im Dezember 2014 einen gebrauchten Mercedes-Benz C 220 CDI mit Euro 5-Dieselmotor für 26.500 Euro gekauft. Nach Bekanntwerden des Dieselskandals verklagte er Daimler auf Schadensersatz, da das Fahrzeug mit unzulässigen Abschalteinrichtungen ausgestattet sei.
Zentrale Punkte des Urteils:
1. Das Gericht sah zwei unzulässige Abschalteinrichtungen als gegeben an:
– Eine temperaturgesteuerte Abgasrückführung (AGR)
– Eine sogenannte Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung (KSR)
2. Haftung von Daimler:
– Das Gericht bejahte eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV.
– Daimler habe schuldhaft eine unrichtige Übereinstimmungsbescheinigung ausgestellt.
3. Schadensersatz:
– Der Kläger hat Anspruch auf sogenannten Differenzschadensersatz.
– Dieser wurde vom Gericht auf 10% des Kaufpreises, also 2.650 Euro, festgesetzt.
4. Anrechnung von Vorteilen:
– Die gezogenen Nutzungen und der Verkaufserlös des Fahrzeugs wurden schadensmindernd berücksichtigt.
– Nach Abzug dieser Vorteile verblieb ein Schadensersatzanspruch von 1.371,82 Euro.
5. Software-Update:
– Das von Daimler angebotene Software-Update wurde nicht schadensmindernd berücksichtigt.
– Das Gericht sah darin selbst eine unzulässige Abschalteinrichtung.
6. Verjährung:
– Die von Daimler erhobene Einrede der Verjährung griff nicht durch.
7. Kosten der Rechtsverfolgung:
– Der Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten wurde abgelehnt.
Begründung des Gerichts:
Das OLG sah die temperaturgesteuerte AGR und die KSR als unzulässige Abschalteinrichtungen an, da sie unter normalen Betriebsbedingungen die Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems verringern. Bei der AGR nahm das Gericht jedoch einen unvermeidbaren Verbotsirrtum von Daimler an. Bei der KSR verneinte es einen solchen Irrtum, weshalb Daimler hierfür hafte.
Den Schadensersatz bemass das Gericht mit 10% des Kaufpreises, da es sich um einen durchschnittlichen Fall handele. Im Rahmen der Vorteilsausgleichung wurden die gezogenen Nutzungen und der Verkaufserlös berücksichtigt. Das Software-Update sah das Gericht selbst als unzulässige Abschalteinrichtung an.
Fazit:
Das Urteil stellt eine teilweise Niederlage für Daimler dar. Es bestätigt das Vorliegen unzulässiger Abschalteinrichtungen und spricht dem Kläger Schadensersatz zu. Gleichzeitig fällt dieser mit rund 1.370 Euro relativ gering aus. Das Gericht hat die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.
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