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OLG Stuttgart verurteilt Kreissparkasse Tübingen und Verbraucherzentrale jeweils zu Unterlassungen in Verbindung mit der Verwendung von Negativzinsklauseln und der Berichterstattung hierzu

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Der 4. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart unter dem Vorsitz des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht Matthias Haag hat der Kreissparkasse Tübingen heute die Verwendung einer Zinsanpassungsklausel untersagt, die bei vereinbarten Grundzinsen in Altersvorsorgeverträgen zu „Negativzinsen“ führte.

Wegen der gleichzeitig vereinbarten, laufzeitabhängigen Bonuszinsen, die die Grundzinsen überstiegen, war es jedoch bisher zu keinem Negativsaldo zulasten der Bankkunden gekommen.

Auf die Widerklage der Bank hin wurde es der Verbraucherzentrale untersagt, wahrheitswidrige Behauptungen zu diesen Vorgängen, insbesondere auf ihrer Internetseite, zu veröffentlichen und zu verbreiten.

Dem liegt zugrunde, dass die beklagte Kreissparkasse Tübingen (KSK) von 2002 bis Anfang 2015 Altersvorsorgeverträge vertrieben hatte, die mit variablen Grundzinsen und laufzeitabhängigen Bonuszinsen angeboten wurden.

Für die Berechnung der Grundzinsen wurde in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen eine Klausel verwendet, die über den Verweis auf einen Referenzzinssatz auf der Basis von der Deutschen Bundesbank veröffentlichter Zinssätze zu sogenannten „Negativzinsen“ führte, die im dazugehörigen Preisaushang des Produkts „VorsorgePlus“ bekannt gegeben wurden. Diese Klausel sei intransparent und führe nach Meinung der klagenden Verbraucherzentrale zu einer unangemessenen Benachteiligung der Verbraucher, weshalb sie Unterlassung begehrt.

Demgegenüber verlangt die beklagte Bank mit der Widerklage die Unterlassung der mit der Pressemitteilung aufgestellten Behauptung, die Beklagte fordere von Ihren Kunden des Produkts VorsorgePlus und damit für Altersvorsorgeverträge der staatlich geförderten Riester-Rente Negativzinsen beziehungsweise ein Entgelt, statt ihrerseits Zinsen zu bezahlen. Außerdem solle die Verbraucherzentrale Auskunft darüber erteilen, gegenüber wem, insbesondere welchen Presseorganen, diese Behauptungen aufge-stellt worden seien.

Das Landgericht Tübingen hatte die jeweiligen Unterlassungsklagen abgewiesen, was der Berufungssenat jetzt abänderte und beide Parteien zur Unterlassung verurteilte.

Die von der KSK verwendete sog. Zinsgleitklausel verstoße gegen das Transparenzgebot und sei deshalb unwirksam. Insbesondere erfülle die Klausel nicht die Vorgaben, wonach es dem Vertragspartner ohne fremde Hilfe möglich sein muss, möglichst klar und einfach seine Rechte festzustellen.

Mit einer Internetrecherche sei zwar eine Ermittlung der 3-Monatszinssätze möglich, nicht jedoch ein klarer und einfacher Zugriff auf die 10-Jahreszinsen. Die Klausel sei auch deshalb intransparent, weil nach weiteren Formulierungen von der Gutschreibung von Zinsen und einer Hinzurechnung die Rede ist.

Die Klausel benachteilige den Verbraucher auch unangemessen, da die Möglichkeit eines negativen Zinses mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Darlehensregelungen nicht vereinbar sei. Gerade bei einem Altersvorsorgevertrag beziehungsweise einem sogenannten Riestervertrag gehe es um die Vermögensbildung und Vorsorge für das Alter, was sich mit der Möglichkeit negativer Grundzinsen per se nicht vereinbaren lasse.

Die Angaben im Preisaushang würden von der Nichtigkeit der Zinsgleitklausel erfasst. Die Beklagte darf daher die entsprechenden Klauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Zusammenhang mit Altersvorsorgeverträgen nicht mehr verwenden.

Die Verbraucherzentrale dürfe allerdings in ihren Pressemitteilungen und auf der Internetseite nicht die in der Kernaussage unwahre, weil bewusst unvollständige Tatsachenbehauptung aufstellen, dass die beklagte Bank von den Kunden ihrer Altersvorsorgeprodukte eine negative Verzinsung, also faktisch ein Entgelt einfordere, statt selbst Zinsen zu zahlen.

Zu einem Einfordern eines Entgelts beim Kunden ist es wegen der höheren Bonuszinsen nie gekommen. Eine solche Presseberichterstattung könne zu einer Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Wertschätzung der Kreissparkasse führen. Daher wurde die Verbraucherzentrale vom Berufungsgericht auch zur Auskunft über die Verbreitungswege der Behauptung und zum Ersatz eines möglichen Schadens verurteilt.

Das Oberlandesgericht hat hinsichtlich der Untersagung der Klauselverwendung die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen.

Aktenzeichen:
LG Tübingen:  4 O 220/17- Urteil vom 29.06.2018
OLG Stuttgart: 4 U 184/18- Urteil vom 27.03.2019

Relevante Vorschriften:

§ 1 UKlaG Unterlassungs- und Widerrufsanspruch bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen
Wer in Allgemeinen Geschäftsbedingungen Bestimmungen, die nach den §§ 307 bis 309 des Bürgerlichen Gesetzbuchs unwirksam sind, verwendet oder für den rechtsgeschäftlichen Verkehr empfiehlt, kann auf Unterlassung und im Fall des Empfehlens auch auf Widerruf in Anspruch genommen werden.

Bürgerliches Gesetzbuch

§ 307 Inhaltskontrolle

(1) 1Bestimmungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen sind unwirksam, wenn sie den Vertragspartner des Verwenders entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen. 2Eine unan-gemessene Benachteiligung kann sich auch daraus ergeben, dass die Bestimmung nicht klar und verständ-lich ist.
(2) Eine unangemessene Benachteiligung ist im Zweifel anzunehmen, wenn eine Bestimmung
1.
mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung, von der abgewichen wird, nicht zu ver-einbaren ist oder
2.
wesentliche Rechte oder Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrags ergeben, so einschränkt, dass die Erreichung des Vertragszwecks gefährdet ist.
(3) 1Die Absätze 1 und 2 sowie die §§ 308 und 309 gelten nur für Bestimmungen in Allgemeinen Geschäfts-bedingungen, durch die von Rechtsvorschriften abweichende oder diese ergänzende Regelungen vereinbart werden. 2Andere Bestimmungen können nach Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Absatz 1 Satz 1 unwirksam sein.

§ 1004 Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch

(1) Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträch-tigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

§ 823 Schadensersatzpflicht

(1) Wer vorsätzlich oder fahrlässig das Leben, den Körper, die Gesundheit, die Freiheit, das Eigentum oder ein sonstiges Recht eines anderen widerrechtlich verletzt, ist dem anderen zum Ersatz des daraus entste-henden Schadens verpflichtet.

§ 824 Kreditgefährdung

(1) Wer der Wahrheit zuwider eine Tatsache behauptet oder verbreitet, die geeignet ist, den Kredit eines an-deren zu gefährden oder sonstige Nachteile für dessen Erwerb oder Fortkommen herbeizuführen, hat dem anderen den daraus entstehenden Schaden auch dann zu ersetzen, wenn er die Unwahrheit zwar nicht kennt, aber kennen muss.

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