Wer kennt das nicht: Das Gefühl, das nach stundenlangem, ziellosen Scrollen durch Social-Media-Feeds einsetzt, hat endlich einen Namen – und dieser Name wurde von der Oxford University Press (OUP) zum Wort des Jahres 2024 gekürt.
„Brain Rot“ (zu Deutsch etwa „Gehirnverfall“) beschreibt die vermeintliche Verschlechterung des geistigen Zustands durch den übermäßigen Konsum trivialer und anspruchsloser Inhalte, insbesondere im Internet. Laut OUP stimmten über 37.000 Menschen für das Wort ab, das von öffentlichem Feedback und Analysen der Sprachdaten von OUP begleitet wurde.
In einer Stellungnahme definierte die OUP den Begriff als „die angebliche Verschlechterung des mentalen oder intellektuellen Zustands einer Person, insbesondere durch den übermäßigen Konsum trivialer Inhalte, die heutzutage vor allem online vorkommen“.
Historische Wurzeln von „Brain Rot“
Obwohl der Begriff 2024 in seiner Popularität um 230 % zunahm, ist er keineswegs neu. Bereits der amerikanische Schriftsteller Henry David Thoreau verwendete „Brain Rot“ in seinem Werk Walden vor über einem Jahrhundert. Dort kritisierte er die gesellschaftliche Tendenz, komplexe Ideen durch vereinfachte Inhalte zu verdrängen.
„Während England sich bemüht, die Kartoffelfäule zu heilen, wird sich niemand bemühen, den Gehirnverfall zu heilen, der viel weiter verbreitet und fataler ist?“ schrieb Thoreau damals.
Nun, über hundert Jahre später, hat „Brain Rot“ nicht nur sprachlich, sondern auch gesellschaftlich einen festen Platz eingenommen.
Die Gefahr des digitalen Konsums
Besonders im letzten Jahr hat der Begriff an Bedeutung gewonnen, da die Sorgen über die Auswirkungen des Konsums minderwertiger Online-Inhalte zugenommen haben. Laut einer US-amerikanischen Verhaltensklinik, die in diesem Jahr offiziell eine Behandlung für „Brain Rot“ anbot, äußert sich die „Krankheit“ durch mentale Trübheit, Antriebslosigkeit, eine reduzierte Aufmerksamkeitsspanne und kognitive Abnahme.
Als Verursacher gelten Verhaltensweisen wie „Doomscrolling“ – das endlose Lesen negativer Nachrichten – und Social-Media-Sucht. Experten raten, durch digitale Detox-Programme oder Bildschirmzeitbeschränkungen gegenzusteuern, um die Symptome zu vermeiden.
Ein Ausdruck der Generationen Z und Alpha
Casper Grathwohl, Präsident von Oxford Languages, erklärte, „Brain Rot“ spreche eine der größten Gefahren des virtuellen Lebens an – wie wir unsere Freizeit nutzen. Er betonte außerdem die Ironie, dass die Begriffe „Brain Rot“ und die sozialen Medien, die es angeblich verursachen, gerade von der Generation Z und Alpha massiv über soziale Plattformen verbreitet wurden.
„Diese Generationen zeigen eine charmant selbstironische Haltung gegenüber den schädlichen Auswirkungen der sozialen Medien, die sie geerbt haben“, sagte Grathwohl.
Konkurrenz im Rennen um das Wort des Jahres
„Brain Rot“ setzte sich gegen fünf andere Finalisten durch, darunter:
- „Lore“: Eine Sammlung von Fakten, Hintergrundinformationen und Anekdoten, die notwendig sind, um etwas vollständig zu verstehen.
- „Romantasy“: Ein Genre, das romantische und Fantasy-Elemente kombiniert.
- „Slop“: Minderwertige Inhalte, die von künstlicher Intelligenz generiert werden.
- „Demure“: Ein Ausdruck für Zurückhaltung im Verhalten oder Auftreten, der diesen Sommer durch TikTok viral ging.
Letzteres wurde bereits von Dictionary.com zum Wort des Jahres gewählt.
Im letzten Jahr hatte „Rizz“, ein Begriff für charismatische Anziehungskraft, die Oxford-Auszeichnung erhalten. 2024 folgt mit „Brain Rot“ nun ein Wort, das den modernen Zustand des digitalen Lebens und der ständigen Überforderung treffend zusammenfasst – und uns zugleich dazu auffordert, unsere Bildschirme öfter mal zur Seite zu legen.
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