Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) und das Bundesministerium der Justiz (BMJ) haben unter Beteiligung des Bundeskanzleramtes einen Vorschlag für eine Fortentwicklung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) erarbeitet. Das IfSG enthält unter anderem die rechtlichen Grundlagen zur Pandemiebekämpfung. Die bisherigen auf die COVID-19-Pandemie bezogenen Sonderregeln sind bis zum 23. September 2022 befristet. Im Herbst und Winter ist mit einem saisonalen Anstieg der COVID-19-Fälle zu rechnen – und mit einer gesteigerten Belastung des Gesundheitssystems und der sonstigen kritischen Infrastrukturen. Deshalb sind modifizierte Anschlussregeln erforderlich. Der Vorschlag sieht lageangepasste Rechtsgrundlagen vom 1. Oktober 2022 bis zum 7. April 2023 vor. Die bisherigen pandemiebedingten Sonderregelungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) werden bis zum 30. September 2022 befristet.
Bundesminister für Gesundheit Prof. Karl Lauterbach:
„Deutschland soll besser als in den vergangenen Jahren auf den nächsten Coronawinter vorbereitet sein. Dafür haben wir einen 7- Punkte-Plan entwickelt. Die jetzt vereinbarten Anpassungen des IfSG sind Teil dieses Plans zur Umsetzung der Corona-Herbststrategie. Impfkampagne mit neuen Impfstoffen, Pandemieradar mit tagesaktuellen Daten, Test- und Behandlungskonzepte, Schutzkonzepte für Pflegeheime und ein rechtssicherer Rahmen für Schutzmaßnahmen: Damit können wir arbeiten. Mit einem solchen IfSG-Stufenmodell geben wir Bund und Ländern rechtssichere Werkzeuge zur Pandemievorsorge an die Hand. Dazu gehört der bundesweite Einsatz von Masken und zielgerichtetes Testen für besonders gefährdete Personen. Ab 1.10. können die Länder die Maskenpflicht in den Innenräumen nutzen. Wenn die Situation es gebietet, gilt auch eine Maskenpflicht bei Außenveranstaltungen und es kommt zu Obergrenzen im öffentlichen Raum. Wir können die Pandemie nur gemeinsam überwinden.“
Bundesminister der Justiz Dr. Marco Buschmann:
„Vorbereitet sein – Verhältnismäßigkeit wahren – vulnerable Personen schützen: An diesen drei V orientiert sich unser Corona-Schutzkonzept für die Zeit ab Oktober. Wir nehmen die Pandemie weiter ernst. Und vor allem nehmen wir die Grundrechte ernst. Auch im Herbst und Winter gilt: Freiheitseinschränkungen darf es nur geben, wenn sie erforderlich sind. Lockdowns und Ausgangssperren erteilt unser Konzept deshalb eine Absage. Stattdessen setzen wir auf Maßnahmen, die wirksam sind und zugleich zumutbar.
Masken schützen. Und in bestimmten Situationen ist eine Maskenpflicht auch zumutbar. Deshalb wird es in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sowie im Fernverkehr eine Maskenpflicht geben. Wenn das Pandemiegeschehen dies erfordert, können die Länder daneben für weitere Bereiche des öffentlichen Lebens in Innenräumen eine Maskenpflicht anordnen. In Kultur, Freizeit, Sport und Gastronomie muss es allerdings Ausnahmen für getestete, frischgeimpfte und frischgenesene Personen geben. In diesen sozialen Bereichen ist es richtig, mehr auf die Eigenverantwortung der Zivilgesellschaft zu setzen – so wie es auch die meisten anderen europäischen Staaten tun.
Den Schulen gilt unser besonderes Augenmerk. Kinder haben ein Recht auf schulische Bildung und einen möglichst unbeschwerten Schulalltag. Schulschließungen darf es deshalb nicht geben. Auch eine pauschale Maskenpflicht an Schulen wäre nicht angemessen. Die Länder werden eine Maskenpflicht an Schulen deshalb nur anordnen können, wenn dies erforderlich ist, um weiter Präsenzunterricht durchführen zu können – und auch dann nur für Kinder ab der fünften Klasse.
Unser Schutzkonzept ist die richtige Antwort auf die jetzige Pandemielage. Ich bin froh, dass wir uns innerhalb der Bundesregierung so zügig darauf verständigt haben. Wir folgen damit genau dem vereinbarten Fahrplan. Bis Ende September ist ausreichend Zeit, um das Gesetzgebungsverfahren zu einem überzeugenden Abschluss zu bringen.“
Der Vorschlag für die Fortentwicklung des IfSG sieht ein mehrstufiges, lagebezogenes Schutzkonzept vor. Danach sollen zwischen Anfang Oktober und Anfang April bestimmte bereichsspezifische Schutzmaßnahmen bundesweit gelten. Vorgesehen ist ferner, dass die Länder bestimmte weitere Schutzmaßnahmen anordnen können, soweit dies erforderlich ist, um die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems oder der sonstigen kritischen Infrastruktur zu gewährleisten und einen geregelten Schulunterricht in Präsenz aufrechtzuerhalten. Sofern in einem Land eine konkrete Gefahr für die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems oder der sonstigen kritischen Infrastruktur besteht, kann das Land – nach einem Parlamentsbeschluss – in betroffenen Gebietskörperschaften bestimmte weitergehende Schutzmaßnahmen anordnen.
Schutzmaßnahmen vom 1. Oktober 2022 bis zum 7. April 2023:
Bundesweit geltende Schutzmaßnahmen
• Maskenpflicht im Luft- und öffentlichen Personenfernverkehr.
• Masken und Testnachweispflicht für den Zutritt zu Krankenhäusern sowie voll- und teilstationären Pflegeeinrichtungen und vergleichbaren Einrichtungen sowie für Beschäftigte in ambulanten Pflegediensten und vergleichbaren Dienstleistern während ihrer Tätigkeit.
Ausnahmen von der Testnachweispflicht sind vorgesehen für frisch geimpfte und genesene Personen sowie für Personen, die in den jeweiligen Einrichtungen oder von den jeweiligen Dienstleistern behandelt, betreut oder gepflegt werden.
Ausnahmen von der Maskenpflicht sind vorgesehen, wenn die Behandlung dem Tragen einer Maske entgegensteht sowie für in den jeweiligen Einrichtungen behandelte oder gepflegte Personen in den für ihren persönlichen Aufenthalt bestimmten Räumlichkeiten; ferner für Kinder unter 6 Jahren, für Personen, die aus medizinischen Gründen keine Maske tragen können, sowie gehörlose und schwerhörige Menschen.
Optionale, weitergehende Schutzmaßnahmen der Länder
Die Länder können weitergehende Regelungen erlassen, um die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems oder der sonstigen kritischen Infrastruktur zu gewährleisten. Diese möglichen Maßnahmen in Länderverantwortung sind:
• Maskenpflicht im öffentlichen Personennahverkehr.
• Maskenpflicht in öffentlich zugänglichen Innenräumen. Eine zwingende Ausnahme ist bei Freizeit-, Kultur- oder Sportveranstaltungen, in Freizeit- und Kultureinrichtungen sowie in gastronomischen Einrichtungen und bei der Sportausübung für Personen vorzusehen, die über einen Testnachweis verfügen oder genesen sind (Genesenennachweis; es gilt die bisherige 90 Tage-Frist) oder die vollständig geimpft sind und bei denen die letzte Impfung höchstens drei Monate zurückliegt.
• Verpflichtung zur Testung in bestimmten Gemeinschaftseinrichtungen (z.B. Einrichtungen zur Unterbringung von Asylbewerbern, Hafteinrichtungen, Kinderheimen) sowie Schulen und Kindertageseinrichtungen.
• Maskenpflicht in Schulen und sonstigen Ausbildungseinrichtungen für Beschäftigte und für Schülerinnen und Schüler ab dem fünften Schuljahr, wenn dies zur Aufrechterhaltung eines geregelten Präsenz-Unterrichtsbetriebs erforderlich ist.
Stellt ein Landesparlament für das gesamte Bundesland oder eine konkrete Gebietskörperschaft anhand bestimmter, gesetzlich geregelter Indikatoren eine konkrete Gefahr für die Funktionsfähigkeit des Gesundheitssystems oder der sonstigen kritischen Infrastrukturen fest, können dort außerdem folgende Maßnahmen angeordnet werden:
• Maskenpflicht bei Veranstaltungen im Außenbereich, wenn ein Mindestabstand von 1,5 m nicht eingehalten werden kann, sowie bei Veranstaltungen in öffentlich zugänglichen Innenräumen. Die Ausnahmeregelung für genesene, frisch geimpfte oder getestete Personen gilt dann nicht.
• Verpflichtende Hygienekonzepte (Bereitstellung von Desinfektionsmitteln, Vermeidung unnötiger Kontakte, Lüftungskonzepte) für Betriebe, Einrichtungen, Gewerbe, Angebote und Veranstaltungen aus dem Freizeit-, Kultur- und Sportbereich für öffentlich zugängliche Innenräume, in denen sich mehrere Personen aufhalten.
• Anordnung eines Mindestabstands von 1,5 m im öffentlichen Raum.
• Festlegung von Personenobergrenzen für Veranstaltungen in öffentlich zugänglichen Innenräumen.
Der Vorschlag für die Fortentwicklung des IfSG soll voraussichtlich noch im August vom Bundeskabinett beschlossen werden. Anschließend soll er in das bereits laufende Verfahren zum Gesetz zur Stärkung des Schutzes der Bevölkerung und insbesondere vulnerabler Personengruppen vor COVID-19 eingebracht werden. Dadurch ist sichergestellt, dass die Regelungen rechtzeitig in Kraft treten können.
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