Bisher sind die Flügelkämpfe innerhalb der Kanzlerinnenpartei CDU in Schach gehalten worden. Nach den Vorgängen rund um die Thüringer Wahl zum Ministerpräsidenten hat sich dieses Blatt aber gewendet. Die Landes-CDU hatte mit ihrer Taktik offen gegen den Willen von Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer gehandelt. Diese hat nun einmal mehr ein Führungsproblem.
Die CDU in Thüringen habe „ausdrücklich gegen die Empfehlungen, Forderungen und Bitten der Bundespartei“ gehandelt, sagte Kramp-Karrenbauer nach der Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Thüringer Ministerpräsidenten. Dieser war mit den Stimmen von FDP, CDU und der rechtspopulistischen AfD völlig überraschend gewählt worden. Die Reaktionen fielen prompt heftig aus, von „Tabubruch“ und „Skandal“ war die Rede.
Auch Forderungen nach einer Neuwahl in Thüringen wurden laut, denen nur ein Tag später Folge geleistet wurde: Kemmerich stellte sein Amt wieder zur Verfügung, man werde zudem einen Antrag auf Auflösung des Landtags zur Herbeiführung einer Neuwahl stellen, sagte er am Donnerstag. Auch das CDU-Präsidium hatte eine Neuwahl gefordert.
Dem Präsidium gehört auch der Thüringer CDU-Chef Mike Mohring an, der Kemmerich entgegen der Parteilinie zum Wahlsieg verholfen hatte. Wie Mohring in der Besprechung des Präsidiums auf die Neuwahlforderung reagierte, darüber gab es am Donnerstag widersprüchliche Angaben.
Klar ist, dass die Schockwellen des Thüringer Wahlvorgangs bis nach Südafrika reichten, wo sich am Donnerstag die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel zum Staatsbesuch aufhielt. Merkel hatte die Agenden als Parteichefin im Dezember 2018 an Kramp-Karrenbauer übergeben und sich seither kaum mehr öffentlich zu Parteiangelegenheiten geäußert. Nun nannte sie die Geschehnisse in Erfurt „unverzeihlich“. Wichtig sei nun, „dass die CDU sich an einer Regierung unter dem Ministerpräsidenten“ Kemmerich „nicht beteiligt“.
Merkel sprach ein „Machtwort“, wie die „Bild“-Zeitung schrieb. So habe sie Kramp-Karrenbauer als Parteichefin quasi entmachtet. Die CDU-Führung berief erst einmal eine Sondersitzung des Präsidiums am Freitag ein. Thüringen brauche einen „Neustart“, hieß es.
Kramp-Karrenbauer hatte ihren Parteifreunden in Erfurt mit Konsequenzen gedroht. Eine Zusammenarbeit mit Kemmerich sei ein Verstoß gegen die Parteilinie, die jede Kooperation mit der AfD ausschließe – „mit den entsprechenden Folgen“, so Kramp-Karrenbauer. Laut Reuters sei intern auch diskutiert worden, einzelne Akteure in Erfurt aus der Partei auszuschließen. Auch ein Ausschluss des ganzen CDU-Landesverbandes aus der Union sei in den Beratungen erwähnt worden. Doch das würde die Grabenkämpfe nur verdeutlichen, war die Befürchtung.
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