Über diese Frage haben wir gestern mit Rechtsanwalt Daniel Blazek telefoniert und ihn gebeten, seine Ausführungen dazu einmal zusammen zu fassen. Hier seine Antwort:
Sehr geehrte Damen und Herren,
gerne fasse ich das Gespräch über „Anfechtungen wegen Schneeballsystems“ für Sie zusammen.
Dabei möchte ich betonen, dass es sich um abstrakte und grundsätzliche, grobe Ausführungen handelt. Das Thema ist durchaus komplex. Zudem möchte ich festhalten, dass ich nicht behaupte, dass es im Vorgang um PIM Gold tatsächlich ein Schneeballsystem gegeben hat. Dies müssen die Ermittlungsbehörden klären. Darüber hinaus ist noch keine involvierte Gesellschaft insolvent; allerdings rechne ich persönlich mit Insolvenzen.
Mit der insolvenzrechtlichen Anfechtung wegen eines sog. Schneeballsystems ist für gewöhnlich gemeint, dass ein Insolvenzverwalter eine Anfechtung nach § 134 InsO erklärt mit der Rechtsfolge des § 143 InsO (Zurückgewährung zur Masse durch den Anfechtungsgegner).
Nach § 134 InsO ist eine sog. „unentgeltliche Leistung“ anfechtbar. Unentgeltlich ist im Zwei-Personen-Verhältnis eine Leistung, wenn ein Vermögenswert des Verfügenden zugunsten einer anderen Person aufgegeben wird, ohne dass dem Verfügenden ein entsprechender Vermögenswert vereinbarungsgemäß zufließen soll. Stark verkürzt könnte man sagen, dass eine rechtsgrundlose Leistung erfolgte, die dann zugunsten der Masse bzw. der Gläubiger zurück zu leisten ist.
Bei Sachwertinvestments wie bei PIM Gold oder den P&R-Containern ist also zu fragen, ob der Anleger/Vertragspartner objektiv eine Leistung von der jeweiligen Insolvenzschuldnerin erhielt und darauf keinen Anspruch hatte.
Solche Ansprüche können sich aus dem jeweiligen Vertragswerk, aber auch aus anderen Bestimmungen ergeben. Ergibt sich kein Rechtsgrund, kommt die Anfechtung ins Spiel. Bei sog. Schneeballsystemen, also vorsätzlichen und strafbaren Handlungen, wissen die verantwortlichen Personen grundsätzlich von der Rechtsgrundlosigkeit. Deswegen ist gerade die Anfechtung wegen Schneeballsystemen im Ergebnis ein Paradefall.
Diese Anfechtungsvoraussetzungen muss der Insolvenzverwalter darlegen. Dies gelingt regelmäßig erst dann, wenn der Verwalter tief in die Vorgänge bei der jeweiligen Insolvenzschuldnerin eingestiegen ist, was üblicherweise länger dauert.
Dass dabei schon eine Verurteilung wegen einer oder mehrerer Straftaten bzw. Schneeballsystems vorliegt, ist nicht erforderlich. Die Voraussetzungen der insolvenzrechtlichen Anfechtung sind andere als die der Strafbarkeit, und ein Insolvenzverfahren und ein Ermittlungsverfahren haben auch nicht denselben Zweck.
Anfechtungen werden im Interesse aller Gläubiger der jeweiligen Insolvenzschuldnerin geltend gemacht. Letztlich werden alle Gläubiger, deren Forderungen im Insolvenzverfahren festgestellt wurden und werden, über eine erhöhte Quotenzahlung damit besser gestellt.
Stellt der jeweilige Insolvenzverwalter fest, dass die Voraussetzungen für eine Anfechtung gegeben sind, hat er keine Wahl und muss anfechten.
Angefochten werden dann diejenigen unentgeltlichen Leistungen, welche die Anfechtungsgegner im Anfechtungszeitraum erhielten. Dieser beläuft auf die jeweilige Insolvenzantragstellung und vier Jahre davor, § 134 Abs. 1 InsO. Die Anfechtungsansprüche geltend zu machen, hat der jeweilige Insolvenzverwalter drei Jahre ab Insolvenzeröffnung Zeit, wobei das Jahr der Eröffnung nicht mitgerechnet wird (Regelverjährung).
Wird also beispielsweise ein Insolvenzantrag am 1. Oktober 2019 gestellt und das Insolvenzverfahren noch in 2019 eröffnet, so kann der Insolvenzverwalter bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen unentgeltliche Leistungen anfechten, die im Zeitraum vom 1. Oktober 2015 bis zum 1. Oktober 2019 erfolgten. Zur Aufklärung und Verfolgung dieser Ansprüche hätte er Zeit bis zum Ablauf des Jahres 2022.
Mit freundlichen Grüßen
Daniel Blazek, BEMK Rechtsanwälte PartGmbB
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