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Politikdrama in Sachsen Grüne Parteitagstragödie zwischen Mensa-Stille, Theater-Metaphern und Freundschaftsbändchen

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Katja Maier kann es nicht glauben. „Das ist doch nicht wahr!“, zischt Sachsens scheidende grüne Justizministerin – allerdings so laut, dass es alle im Tagungssaal der Chemnitzer Mensa hören können. Es ist Samstagvormittag, und die Stimmung im Saal könnte wohl kaum frostiger sein. Der Grund: Die Grünen haben gerade ihre eigene Parteifreundin Christin Furtenbacher als Vorsitzende durchfallen lassen. Und das war erst der Auftakt zu einem Polit-Drama, das Shakespeare vor Neid hätte erblassen lassen.

Furtenbacher schafft es zwar im zweiten Wahlgang, doch der Schaden ist angerichtet. Knapp 24 Stunden später kommt die nächste Bombe: Die langjährige Grünen-Chefin erklärt ihren Rücktritt. „Ich habe erkannt, dass ich unseren Landesverband unter diesen Bedingungen nicht durch diesen wichtigen Bundestagswahlkampf führen kann.“ Bühne frei für eine innerparteiliche Tragödie.

Ein Parteitag, der keiner werden wollte

Eigentlich wollten Sachsens Grüne an diesem Wochenende nur routiniert ihren Vorstand wählen. Doch wer routiniert denkt, hat die sächsischen Grünen unterschätzt. Die Ausgangslage war alles andere als einfach. Nach einer desaströsen Landtagswahl, bei der die Partei eine Bauchlandung hinlegte, hatte Ko-Vorsitzende Marie Müser angekündigt, nicht erneut zu kandidieren. Doch dann geschah, was immer geschieht, wenn die Grünen planen: Das Chaos zog ein.

Die Berliner Ampelkoalition schaltete sich ab (politisch, versteht sich), und eine vorgezogene Bundestagswahl im Februar stand im Raum. In der Not entschied sich Müser plötzlich, doch noch einmal anzutreten – offenbar nach dem Motto „Wenn es brennt, bleibt man besser am Herd“. Gemeinsam mit Furtenbacher wollte sie die Partei als Übergangsvorstand in den Wahlkampf führen. Stabilität war das erklärte Ziel – doch was die Parteibasis hörte, war eher „festkleben“.

Theater-Metaphern und ein zögerlicher Applaus

Furtenbacher, die erste Rednerin des Tages, versuchte, die skeptische Basis mit einer Metapher aus dem Theater zu überzeugen: „Stellt euch vor, ein erfolgreiches Stück wird plötzlich vorverlegt. Was tut das Theater? Es holt das alte Ensemble und öffnet den Vorhang!“ Dramatisch war die Rede – überzeugend weniger. Von den 110 Delegierten stimmten nur 51 für Furtenbacher. Ein Warnschuss, der eher einer Abrissbirne glich. Doch sie durfte erneut antreten, griff zum politischen Bühnenvorhang und holte im zweiten Anlauf 63 Stimmen. Knapp, aber geschafft.

Ein Paukenschlag und ein Rücktritt

Das Ergebnis saß. „Schwer getroffen“, nannte es Furtenbacher später. Der Rückhalt in der Partei sei zu gering. Am Sonntag verkündete sie deshalb ihren Rückzug – nicht nur als Parteivorsitzende, sondern auch als Anwärterin für den Spitzenplatz der Bundestagsliste. „Ich klebe nicht am Stuhl“, erklärte sie, was angesichts der vorherigen Diskussionen um ihre Kandidatur fast wie eine Spitzenkandidatinspointe wirkte.

Ihre Parteifreundin Müser erging es besser. Sie bekam mit 63,5 Prozent direkt die Mehrheit – ein Ergebnis, das in der Partei offenbar als „überwältigend“ durchgeht. Doch während die Parteitagsteilnehmer applaudierten, dürften viele schon innerlich darüber nachgedacht haben, wer im Frühjahr wirklich übernehmen soll.

Hinter den Kulissen: Leipziger Intrigen und Theaterdonner

Warum Furtenbacher beim ersten Wahlgang durchfiel, darüber wird spekuliert. Zwei Theorien kursieren: Erstens, der Leipziger Stadtverband wollte ein Zeichen setzen. Leipzig, die grüne Machtzentrale Sachsens, setzt lieber auf die Bundestagsabgeordnete Paula Piechotta. Die Ärztin und politisch kalkulierende Strategin gilt als Hoffnungsträgerin und bringt einen akademischen Glanz mit, der in Chemnitz offenbar fehlte.

Zweitens, Furtenbacher wurde als Blitzableiterin für die allgemeine Unzufriedenheit nach der Wahlschlappe benutzt. Hätte Müser als Erste gesprochen, wäre wohl sie die Leidtragende geworden. Doch Theater funktioniert bekanntlich nach Drehbuch – und diesmal stand Furtenbacher allein im Rampenlicht.

Schwere Zeiten und die Frage nach dem „Wie weiter?“

Furtenbachers Rücktritt wirft die Grünen in Sachsen mitten in die Turbulenzen. Nicht nur steht ein Wahlkampf vor der Tür, sondern auch die Frage, wie die Partei künftig agieren will: konstruktive Opposition oder harte Kante? Der neue Vorstand wird diese Frage beantworten müssen, während die Basis noch die Wunden der letzten Abstimmungen leckt.

Und während die sächsischen Grünen noch nach Stabilität suchen, bleibt eine Lektion aus diesem Parteitag unvergessen: Wer Theatermetaphern bemüht, sollte sicherstellen, dass die eigene Inszenierung nicht zur Tragikomödie wird.

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