Diebewertung: Sehr geehrter Herr Ellerbrock, Ihre Kanzlei vertritt die meisten P&R-Vermittler. Wie laufen die Haftungsprozesse?
Ellerbrock: Insgesamt noch entspannt. Zwar verzeichnen wir eine Steigerung der Inanspruchnahmen, alles in allem ist das aber noch im erträglichen Rahmen für unsere Mandanten. Der Schlüssel ist nach wie vor das gute Verhältnis mit den P&R-Anlegern neben der abwartenden Haltung gegenüber den Neuigkeiten aus den Insolvenzverfahren.
Diebewertung: Und wie läuft es vor Gericht?
Ellerbrock: Bei uns gut. Es geisterte zwar vor einiger Zeit eine Entscheidung des Landgerichts Erfurt (Februar 2019) durch die Medien, in welcher ein P&R-Vermittler wurde zur Leistung von Schadenersatz in Höhe von ca. EUR 120.000,00 verurteilt wurde. Bei uns jedoch läuft es anders.
Diebewertung: Können Sie das näher erläutern?
Ellerbrock: Das LG Erfurt hat die Entscheidung unter anderem begründet mit der unterlassenen Aufklärung über das Risiko eines Totalverlustes, der unbeschränkten Haftung des Anlegers bis hin zum Risiko der Privatinsolvenz sowie Plausibilitätsdefiziten.
Wir halten das für fehlerhaft. Die Kauf- und Verwaltungsverträge bzw. Kauf- und Mietverträge der P&R waren entgegen der Rechtsauffassung des LG Erfurt nicht mit einem Totalverlustrisiko oder gar mit dem Risiko einer persönlichen Nachhaftung verbunden.
Vor dem Hintergrund, dass die Anleger konzeptionsgemäß Eigentum an den Seefrachtcontainern erwerben sollten, bestand allenfalls ein Teilverlustrisiko, z.B. im Falle der Insolvenz der P&R-Gesellschaften, aber auch im theoretisch denkbaren Fall des unterbleibenden Rückkaufes der Container bei Vertragsbeendigung.
Auch die vom LG Erfurt angesprochenen Plausibilitätsdefizite, insbesondere Im Hinblick auf die garantierten Mieterträge, dürften einer kritischen Betrachtung nicht standhalten.
Diebewertung: Haben Sie gerichtliche Erfahrung mit derselben Argumenatation wie in Erfurt?
Ellerbrock: Ja, sogar mit demselben Anlegeranwalt. So habe ich am 24.04.2019 einen Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LG Stuttgart für einen beklagten P&R-Vermittler wahrgenommen.
Auf Klägerseite war der derselbe Kollege tätig, welcher zuvor bereits öffentlichkeitswirksam für die Verbreitung der Entscheidung des LG Erfurt gesorgt hat.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung machte die zuständige Richterin beim LG Stuttgart deutlich, dass auch nach ihrem Verständnis ein Hinweis auf ein Totalverlustrisiko nicht geschuldet war. Auch vermochte sie dem Vortrag der Klägerin zur angeblichen Unplausibilität der Kauf- und Verwaltungsverträge bislang nicht zu folgen.
Kritik äußerte das Gericht hingegen am Inhalt der bis zum Ende des Jahres 2016 von der P&R verwendeten Informationsbroschüren.
Dessen ungeachtet machte die Richterin auch durch die Höhe des von ihr unterbreiteten Vergleichsvorschlags deutlich, dass sie die derzeitigen Prozessrisiken überwiegend auf Seiten der Klägerin sieht. Eine Distanzierung zur Entscheidung des LG Erfurt war somit durchaus erkennbar.
Diebewertung: Am 10. April 2019 berichtete die Frankfurter Allgemeine Zeitung darüber, dass den P&R-Anlegern möglicherweise Rückforderungsansprüche des Insolvenzverwalters drohen. Was sagen Sie Ihren Mandanten dazu?
Ellerbrock: Ich weise in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Möglichkeit der Rückforderung von Mieten und/oder Rückkaufpreisen sich nicht direkt, d.h. als Pflichtverletzung auf eine potentielle Haftung der P&R-Vermittler auswirken wird.
Es handelt sich hierbei nicht um ein Risiko, welches bei Vermittlung der Verträge aufklärungspflichtig gewesen wäre. Auf der anderen Seite kann selbstverständlich nicht ausgeschlossen werden, dass Anleger, welche vom Insolvenzverwalter zur Rückzahlung aufgefordert werden, eine gerichtliche Inanspruchnahme ihres Vermittlers erwägen, um hierdurch finanzielle Belastungen zu reduzieren.
Ob und in welchem Umfang tatsächlich Rückforderungsansprüche geltend gemacht werden, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch offen. Uns liegt eine Stellungnahme vom Pressesprecher der Kanzlei Jaffé vom 23.04.2019 vor.
Hierin wird zunächst darauf hingewiesen, dass der Insolvenzverwalter gesetzlich verpflichtet ist, dass Bestehen insolvenzrechtlicher Anfechtungsansprüche zu prüfen. Zugleich wird die Auffassung vertreten, dass die vom BGH etablierte Rechtsprechung zur Anfechtung von Scheingewinnen im Rahmen eines Schneeballsystems als unentgeltliche Leistung gem. § 134 InsO auf die P&R-Fallgestaltung nach vorläufiger Einschätzung nicht anwendbar sei.
Es seien keine (tatsächlich nicht erzielten) Gewinne, sondern Zahlungen auf Mieten bzw. Rückkäufe geleistet worden. Ob auch diese Zahlungen anfechtbar seien, werde zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch geprüft. Das Thema wird von dort also noch nach hinten geschoben.
Diebewertung: Teilen Sie die Einschätzung?
Ellerbrock: Dazu fehlen mir insgesamt noch weitere Erkenntnisse, insbesondere stichhaltige Berichte der Insolvenzverwalter und aus den Ermittlungsverfahren.
Ich gebe allerdings zu bedenken, dass in einem umfassenden Schneeballsystem die aus dem System herrühren Zahlungen nicht deswegen entgeltlich im insolvenzrechtlichen Sinne sein könnten, weil man etwa auf dem Papier oder zwischen involvierten Gesellschaften Rechtsgründe schaffen würde.
Ich denke, hier müsste eher eine Gesamtbetrachtung vorgenommen werden. Wie diese ausfallen wird, kann ich aber noch nicht sagen.
Es bleibt daher allen Beteiligten nichts anderes übrig, als das Ergebnis der Prüfung des Insolvenzverwalters abzuwarten. Spekulative Verlautbarungen wie zuletzt in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung sollten zurückhaltend aufgenommen werden.
Für Rückfragen stehe ich gerne zur Verfügung.
Marc Ellerbrock, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, BEMK Rechtsanwälte PartGmbB, Markdorf
In der Tat; diese Entscheidung ist verwirrend.
Die Sache geht schon deshalb in die Berufung zum OLG Stuttgart, weil eine andere Kammer des LG Stuttgart, das LG München I und das LG Nürnberg-Fürth die Frage des Hinweises auf das Totalverlustrisiko anders beurteilen als die hiesige Kammer des LG Stuttgart (allesamt zu P&R), ebenso das OLG Frankfurt und das OLG München (diese indes zu Schiffsfondsbeteiligungen).
Darüber hinaus besticht die Ansicht des BGH. Dieser hat zu geschlossenen Immobilienfonds mehrmals entschieden, das gesonderter Hinweis auf das Totalverlustrisiko bei einem geschlossenen Immobilienfonds grundsätzlich nicht erforderlich ist; BGH XI ZR 31/15, B. v. 10. Januar 2017; BGH XI ZR 363/10, U. v. 11. September 2012; BGH XI ZR 337/08, U. v. 27. Oktober 2009. Denn auch wenn sich der Fonds nur an Gesellschaften beteiligt, die ihrerseits Eigentümer von Gebäuden sind und diese vermieten, tritt der Totalverlust des Anlegerengagements nur dann ein, wenn die Vermietung nicht erfolgen, aufgenommene Kredite nicht zurück gezahlt werden und durch die Verwertung der Immobilien Ansprüche des Fonds bzw. der Anleger nicht einmal teilweise erfüllt werden können.
Genauso verhält es sich bei der Investition der Anlagegesellschaft in Direktinvestments wie Container oder IT-Systeme und deren Nutzungsüberlassung.
Es wird Zeit, dass das OLG Stuttgart hier für Klarheit sorgt. Wir berichten.
Das im Artikel angesprochene Verfahren vor dem LG Stuttgart scheint ja mittlerweile beendet zu sein:
https://www.anwalt.de/rechtstipps/pr-news-landgericht-stuttgart-verurteilt-vermittler-zum-schadensersatz_161527.html
Alles sehr verwirrend.