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Private Krankenversicherung muss bei inoperablem Tumor nach gescheiterter Chemotherapie Kosten einer Alternativtherapie mit dendritischen Zellen tragen

qimono (CC0), Pixabay
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Die dendritische Zelltherapie stellt eine Heilbehandlung im Sinne der Krankheitskostenbedingungen (MB/KK 2009) der privaten Krankenversicherungen dar. Führt eine schulmedizinische Erstlinientherapie (hier: Chemotherapie) bei einer lebenszerstörend und unheilbar an einem Tumor erkrankten Person nicht zum gewünschten Behandlungserfolg, muss sich die versicherte Person nicht auf eine Zweitlinientherapie mit prognostisch noch geringerer Wirksamkeit verweisen lassen. Sie kann vielmehr unmittelbar Übernahme der Kosten einer neuartigen wissenschaftlich fundierten Alternativtherapie verlangen, wenn diese im Zeitpunkt der Behandlung die nicht ganz entfernte Aussicht begründet, einen über die palliative Standardtherapie hinausreichenden Erfolg zu erbringen. Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) hat die Berufung der Versicherung gegen die Verpflichtung zur vollständigen Kostenübernahme mit heute veröffentlichter Entscheidung zurückgewiesen.

Die Klägerin nimmt die beklagte Krankenversicherung auf Kostenerstattung für die medizinische Behandlung ihres mittlerweile verstorbenen Ehemannes in Anspruch. Nach den in den privaten Krankenversicherungsvertrag einbezogenen Bedingungen leistet der Versicherer, „im vertraglichen Umfang für Untersuchungs- oder Behandlungsmethoden und Arzneimittel, die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt sind. Er leistet darüber hinaus für Methoden und Arzneimittel, die sich in der Praxis als ebenso Erfolg versprechend bewährt haben oder die angewandt werden, weil keine schulmedizinischen Methoden oder Arzneimittel zur Verfügung stehen…“.

Beim Ehemann der Klägerin war ein nicht operabler Tumor der Bauchspeicheldrüse diagnostiziert worden, der Anfang 2018 zunächst mit einer Chemotherapie behandelt worden war. Auch nach dieser Behandlung wurde der Tumor als nicht operabel eingestuft. Es erfolgte eine Behandlung im Rahmen einer kombinierten Immuntherapie mit dendritischen Zellen. Die Beklagte lehnte ihre Erstattungspflicht hierfür ab, übernahm aber freiwillig die Hälfte der Kosten. Das Landgericht hatte die Beklagte auch zur Zahlung der nicht übernommenen Kosten verurteilt.

Die hiergegen eingelegte Berufung hatte vor dem OLG keinen Erfolg. Die Behandlung mit dendritischen Zellen habe die Symptome der Krebserkrankung lindern und den Gesundheitszustand stabilisieren sowie einer Verschlimmerung entgegenwirken sollen. Die spezifische Wirkweise der dendritischen Zellen sei auf die Zerstörung von Tumorzellen ausgerichtet, wie der gerichtliche Sachverständige bestätigt habe.

Diese Heilbehandlung sei auch medizinisch notwendig gewesen. „Bei einer lebenszerstörenden, unheilbaren Krankheit kann nicht mehr darauf abgestellt werden, ob sich die gewünschte Behandlung zur Erreichung des vorgegebenen Behandlungszieles tatsächlich eignet“, stellte der Senat insoweit heraus. Die objektive Vertretbarkeit der Behandlung sei vielmehr bereits dann zu bejahen, wenn sie nach medizinischen Erkenntnissen im Zeitpunkt ihrer Vornahme wahrscheinlich auf eine Verhinderung der Verschlimmerung der Erkrankung oder zumindest auf ihre Verlangsamung hinwirke. Ausreichend sei ein nach medizinischen Erkenntnissen nachvollziehbarer Ansatz, der die prognostizierte Wirkweise auf das angestrebte Behandlungsziel erklären könne. Eine hinreichende wissenschaftliche Evidenz für die Effektivität sei nicht erforderlich. Der Sachverständige habe hier einen solchen nachvollziehbaren Ansatz bestätigt, der – jedenfalls bei bestimmten Krebsarten – mittlerweile auch Erfolge zeige.

Da hier eine schulmedizinische Erstlinientherapie versucht worden sei, die keinen Behandlungserfolg erbracht habe, habe unmittelbar auf den „neuartige(n) wissenschaftlich fundierte(n) Ansatz der Alternativtherapie zurückgegriffen“ werden dürfen. Es sei nicht zunächst noch der prognostisch zweifelhafte Erfolg einer Zweitlinientherapie abzuwarten. Die in den Versicherungsbedingungen aufgegriffene Formulierung, ob ein bestimmtes schulmedizinisches Arzneimittel „zur Verfügung“ stehe, dürfe der Versicherungsnehmer vielmehr so auffassen, dass er sich nicht auf nahezu aussichtslose schulmedizinische Methoden verweisen lassen müsse. Bei einer schnell fortschreitenden und lebenszerstörenden Erkrankung müsse auch auf neuartige Behandlungsformen zugegriffen werden können, sofern sich im maßgeblichen Zeitpunkt der Durchführung der Therapie eine gegenüber einem schulmedizinischen Ansatz potentiell bessere Eignung aus einem fundierten wissenschaftlichen Ansatz ergebe, selbst wenn dieser im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung in Bezug auf die spezifische Krebsart nicht mehr verfolgt werde.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde kann die Beklagte die Zulassung der Revision beim BGH begehren.

Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Urteil vom 29.06.2022, Az. 7 U 140/21
(vorausgehend LG Wiesbaden, Urteil vom 22.07.2020, Az. 5 O 121/18)

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