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Produktintervention als neues Aufsichtsmittel der BaFin

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Mit dem Kleinanlegerschutzgesetz ist am 10.07.2015 nahezu unbemerkt eine sehr weitreichende neue Regelung der Befugnisse der BaFin in Kraft getreten. Es handelt sich dabei um § 4b WpHG, dem Recht der Bafin zur Produktintervention gegen Emittenten, Marketing, Vertrieb und gegen Fehlverhalten von Marktteilnehmern als Bestandteil eines behördlichen „Product-Governance“-Prozesses in Ergänzung zum zukünftigen institutsinternen echten Product-Governance Prozess (Produktfreigabeverfahren) nach § 33 b Abs. 3b bis 3d WpHG.

Die Regelung in § 4b WpHG nimmt schon die mit der europäischen Finanzmarktverordnung MiFIR – Markets in Financial Instruments Regulation (Verordnung EU Nr. 600/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15.05.2014) in den Art. 39 bis 43 geregelten Produktinterventionsmöglichkeiten der europäischen und der nationalen Aufsichtsbehörden auf nationaler Ebene voraus. Damit wird in zeitlicher Hinsicht auch dem zum 03.01.2017 vorgesehenen Inkrafttreten von § 33 Abs. 3b bis 3d WpHG (Produktfreigabeverfahren) vorgegriffen.

Nach Auffassung der BaFin dient die Regelung in § 4b WpHG der Überbrückung des Zeitraumes bis zum Inkrafttreten von MiFIR Anfang 2017 und stellt ein „scharfes Schwert“ der aufsichtsrechtlichen Befugnisse dar.

Regelungsinhalt

Nach § 4b Abs. 1 WpHG kann die BaFin alle ihr geeignet und verhältnismäßig erscheinenden Maßnahmen zur Produktintervention im Hinblick auf Finanzinstrumente oder strukturierte Einlagen treffen und zwar betreffend Vermarktung, Vertrieb, Verkauf sowie bestimmte Formen der Finanztätigkeit oder der Finanzpraxis verbieten oder beschränken. Dies gilt ausdrücklich auch für alle Vermögensanlagen, da § 18 Abs. 2 VermAnlG nF der BaFin die entsprechenden Befugnisse einräumt. Außerdem sind nach § 2 Abs. 2b WpHG alle in § 1 Abs. 2 VermAnlG nF definierten Vermögensanlagen Finanzinstrumente.

Das heißt konkret:

Die BaFin kann vollumfänglich sowohl Produktintervention (Tätig werden in Bezug auf bestimmte Finanzmarktprodukte) als auch Verhaltensintervention (Tätig werden im Hinblick auf von der BaFin als Fehlverhalten gewertetes Agieren von Unternehmen und Personen in den Märkten und gegenüber den Kunden) betreiben.

Dabei kann die BaFin Beschränkungen, aber auch vollständige Verbote aussprechen. Solche Maßnahmen können bereits vor Beginn der Vermarktung eines konkreten Finanzproduktes getroffen werden. Der BaFin ist damit eine rechtliche Möglichkeit an die Hand gegeben worden, an jeder Stelle des Produktzyklus, also bereits bei der Produktgestaltung bis hin zum laufenden Vertrieb einzugreifen.

Eingriffsvoraussetzungen

In § 4b Abs. 2 WpHG sind als Eingriffsvoraussetzungen zunächst, dass ein Interventionsgrund vorliegt und dann, dass ein auf Grund eines Interventionsgrundes ausgesprochenes Verbot oder eine ausgesprochene Beschränkung ihrerseits auch verhältnismäßig ist.

Als Interventionsgründe kommen in Betracht:

Ø Ein Finanzinstrument, eine strukturierte Einlage oder ein Verhalten wirft erhebliche Bedenken für den Anlegerschutz auf

Ø Ein Finanzinstrument, eine strukturierte Einlage oder ein Verhalten stellt eine Gefahr für das ordnungsgemäße Funktionieren und die Integrität der Finanz- und Warenmärkte dar

Ø Ein Finanzinstrument, eine strukturierte Einlage oder ein Verhalten stellen eine Gefahr für die Stabilität des gesamten Finanzsystems oder eines seiner Teile innerhalb zumindest eines EU-Mitgliedsstaates dar

Ø Ein Derivat hat negative Auswirkungen auf den Preisbildungsmechanismus in den zugrunde liegenden Märkten.

Eine Maßnahme (Beschränkung oder Verbot) kann nur ausgesprochen werden, einem dieser 4 Risiken nur durch ein Verbot oder einer Beschränkung als mildestes Mittel begegnet werden kann.

Von besonderer Bedeutung ist dabei, dass eine ausgesprochene Maßnahme stets die festgestellten Risiken, das Kenntnisniveau der betreffenden Anleger oder Marktteilnehmer und die Auswirkungen der Maßnahme auf Anleger oder Marktteilnehmer im Rahmen der Verhältnismäßigkeit berücksichtigen muss.

Konkret bedeutet dies, dass hier viele unbestimmte Rechtsbegriffe im Gesetz vorhanden sind, deren Umfang und Auslegung von der BaFin im Zuge ihrer Verwaltungspraxis, also der Verhängung solcher Beschränkungen und Verbote sicherlich am Markt „ausgetestet“ werden. Man darf gespannt sein, wie dies gehandhabt werden wird und wie sich dann die Gerichte bei Überprüfungen solcher Maßnahmen dazu stellen.

Anwendungsbereich

Beim Anwendungsbereich von Maßnahmen nach § 4b WpHG ist zwischen der Produktintervention und der Verhaltensintervention zu unterscheiden.

Bei der Produktintervention nach § 4b Abs. 1 Nr. 1 WpHG ist im Gesetz ausdrücklich kein konkreter Adressat genannt. Eine Maßnahme der BaFin kann sich damit gegen Einzelpersonen, Finanzdienstleistungsunternehmen, Wertpapierdienstleister und alle sonstigen Unternehmen und Personen richten. Das bedeutet, dass sich solche Maßnahmen der BaFin z. B. gegen freie Finanzvermittler, Emittenten, die den Direktvertrieb betreiben oder Unternehmen/Personen, die lediglich der Gewerbeaufsicht unterliegen wie z. B. die nach § 34 f GewO erlaubnispflichtigen Finanzanlagevermittler richten können.

Die Verhaltensintervention nach § 4b Abs. 1 Nr. 2 WpHG kann sich dementsprechend gegen alle Personen oder Unternehmen richten, deren Tätigkeit oder Verhalten nach Ansicht der BaFin und entsprechend der vorgennannten Voraussetzungen zu missbilligen ist.

Entsprechende Maßnahmen der BaFin können in Verwaltungsakten gegen einzelne Personen oder Unternehmen münden, aber auch im Weg einer Allgemeinverfügung, wie z. B. mit dem Verbot des Cold-Callings geschehen, ergehen.

Mittel der BaFin zur Erkenntnisgewinnung

Die BaFin selbst nennt als Mittel zur Erkenntnisgewinnung zur Beurteilung, ob ein Einschreiten aus ihrer Sicht erforderlich ist, beispielhaft folgende Erkenntnisquellen:

Ø laufende Beaufsichtigung der Institute,

Ø Kundenbeschwerden,

Ø jährliche Institutsprüfungen,

Ø Vor-Ort Besuche,

Ø Marktbeobachtung,

Ø Marktaufsicht,

Ø Gespräche mit Marktteilnehmern,

Ø Auswertung von Presse- und Fachartikeln,

Ø Nutzung von Datenbanken und Marktstudien,

Ø Austausch von Informationen mit der Deutschen Bundesbank und anderen nationalen und internationalen Aufsichtsbehörden

sowie

Ø Auswertung der Daten der Finanzmarktwächter der Verbraucherzentralen.

Damit kommt den bei der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. (vzbv) angesiedelten Finanzmarktwächtern, für den bereits bis Ende 2015 ein interaktives Onlineportal aufgebaut werden soll, eine große Bedeutung als – so ausdrücklich die BaFin „Frühwarnsystem für Fehlentwicklungen“ – zu.

Konsequenzen

Die Konsequenzen aus dieser sehr weitgehenden Eingriffsbefugnis und der der BaFin insbesondere durch das Kleinanlegerschutzgesetzes sehr verstärkt zugedachten Rolle eines „Verbraucherschützers für Finanzprodukte und Verhalten auf den Finanzmärkten“ werden sein, dass die BaFin diese Mittel umgehend am Markt einsetzten wird. Dies dürfte erst recht vor dem Hintergrund zutreffen, dass die BaFin selbst die gesetzlich geschaffenen Möglichkeiten der Produktintervention als „scharfes Schwert“ bezeichnet. Auch sollte bedacht werden, dass hier die BaFin dann das „Zusammenspiel“ zwischen den Finanzmarktwächtern der Verbraucherzentralen und ihrer Behörde nutzen wird. Richtig „rund“ wird das Bild im Hinblick auf die möglichen zukünftigen Konsequenzen, wenn man bedenkt, dass dann noch ab dem 03.01.2017 nach Art. 13 des Kleinanlegerschutzgesetzes die neuen Regelungen in § 33 Abs. 3b bis 3d WpHG zum Produktfreigabeprozess (institutsinterner Product-Governance Prozess) in Kraft treten.

Bedeutung für Emittenten

Für Emittenten heißt dies, dass sie sowohl bei der Produktkonzeption als auch beim Marketing und dem Vertrieb die engen, bereits jetzt von der BaFin gesteckten Grenzen beachten und laufend, also mindestens in der Platzierungsphase sehr kritisch und aufmerksam den Markt und die Aufnahme des Produktes am Markt einschließlich des Verhaltens des Vertriebes beobachten. Das gilt unabhängig davon, ob der Emittent das jeweilige Finanzinstrument selbst im Weg des Direktvertriebs vertreibt oder über Dritte, z. B. Anlagevermittler, vertreiben lässt.

Bedeutung für Marketing

Für das Marketing bedeutet dies, dass eine Werbung, die z. B. konkrete Renditeaussagen enthält, nachprüfbar zutreffend sein muss und vor allem, dass für Anlageprodukte grundsätzlich nicht mit dem Argument der angeblichen oder tatsächlichen Sicherheit der Erzielung einer Rendite („Garantiezins“, „so sicher wie ein Sparbuch“ etc.) oder im Hinblick auf Rückzahlungen etc. geworben werden darf. Im Grunde muss daher jede Art von Werbung, egal in welchem Medium und egal in welcher Art und Weise sie gemacht wird, zuvor genauestens auf Aussagen überprüft werden, die möglicherweise von der BaFin beanstandet werden könnten.

Bedeutung für Vertriebe

Alle Unternehmen oder Personen, die Finanzinstrumente vertreiben, unabhängig davon, welchen aufsichtsrechtlichen Statuts sie haben, müssen die Grundsätze der Produktintervention beachten. Das gilt auch für Unternehmen oder Personen, die zum Vertrieb nur eine gewerberechtliche Erlaubnis oder möglicherweise sogar gar keine eigene Erlaubnis (z. B. die gebundenen Vermittler nach § 2 Abs. 10 KWG) benötigen.

Bedeutung für Anleger

Mit den neuen Eingriffsmöglichkeiten der BaFin werden die Rechte der Anleger umfassend gestärkt. Anleger sollten sorgfältig darauf achten, dass die ihnen gegenüber auftretenden Anbieter, Emittenten, Vermittler, Berater diese Grenzen kennen und einhalten.

http://www.dr-machunsky.de/aktuelles/news/?tx_ttnews%5Btt_news%5D=60&cHash=a5839f35ad0a24653b75dc6f992b2c49

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