Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) hat einer Klage der Verbraucherzentrale Hamburg gegen ein Unternehmen der Prokon-Unternehmensgruppe wegen unlauterer Werbung stattgegeben. Dessen Verkaufsprospekt enthalte irreführende Werbeaussagen zur vermeintlichen Sicherheit der Geldanlage, teilte das OLG am Freitag, 7. September 2012, mit (Urteil vom 5.9.2012, Az. 6 U 14/11). Das Unternehmen bewerbe sogenannte Genussrechte als Geldanlage. Bei Genussrechten, einer Beteiligungsform an einer Gesellschaft, bestehe die Möglichkeit, dass bei einer Insolvenz die Einlagen ganz oder teilweise nicht mehr zurückgezahlt werden können.
Verbraucher könnten die Werbung des Unternehmens so verstehen, als handele es sich um eine ebenso sichere Anlage wie ein Sparbuch. Dies sei aber nicht der Fall, da es bei einem Sparbuch eine Einlagensicherung bis zu 100 000 Euro gebe. Zudem investiere der Erwerber nicht direkt in Windkraftanlagen, wie durch den Verkaufsprospekt suggeriert werde. Auch eine maximale Flexibilität, mit der das Unternehmen geworben habe, sei nicht gegeben, da eine reguläre Kündigungsmöglichkeit erst ab fünf Kalenderjahren bestehe. Zum gesamten Wortlaut der Pressemitteilung des OLG Schleswig.
Soweit die Mitteilung des OLG. Wir freuen uns. Denn das Urteil ist ein großer Erfolg für die Verbraucherzentrale, für den sauberen Wettbewerb und alle Anlegerinnen und Anleger. Auch bei Investitionen in den Klimaschutz muss es für Anlegr fair und sauber zugehen.
Wie alles begann
Das Unternehmen Prokon warb massiv im gesamten Bundesgebiet mit Plakaten, Postwurfsendungen, Flyern und Kurzprospekten für eine Anlage in Genussrechten. „Rentabel, flexibel, einfach“, so der Slogan, der sich „an alle Sparfüchse“ richtete. Versprochen wurde eine Verzinsung von 8 Prozent p.a., der Abschluss sei einfach und die Anlage „maximal flexibel“. Man erwerbe eine „Geldanlage, die Sicherheit und Stabilität bietet“, eine Investition in „reale, zukunftssichere und rentable Sachwerte“ mit „sicheren Einnahmen“. Die Genussrechte seien „die Alternative zur Bank oder Lebensversicherung“ und ein „grünes Sparbuch“.
Riskante Geldanlage
An keiner Stelle der Prokon-Werbung fanden sich Hinweise auf die erheblichen Risiken der Anlage in Genussrechten. Anleger können nämlich nicht sicher sein, dass der hohe versprochene Zins tatsächlich ausgezahlt wird; Anspruch haben sie nur auf tatsächlich erwirtschaftete Gewinne. Bei Verlusten der Gesellschaft reduziert sich die Zinszahlung. Auch eine Rückzahlung des Kapitals nach Rückgabe der Genussrechte ist nicht sicher. Denn genau wie die Zinszahlung hängt die Rückzahlung des Kapitals vom erfolgreichen Geschäft der Windkraftfirma ab. Die von Prokon als Absicherung gerne hervorgehobene „Rückzahlungsgarantie“ nützt bei Zahlungsengpässen nur bedingt, denn die Garantie greift nur, wenn die Garantiegeber noch zahlungsfähig sind. Da diese aber ebenfalls Teile der Prokon-Unternehmensgruppe sind, ist fraglich, ob bei Zahlungsnöten des einen nicht die anderen Unternehmen der Prokon ebenfalls betroffen sind und damit die Garantie hinfällig ist. Ein potenzieller Anleger sollte auch wissen, dass er als Genussrechtsinhaber keine Mitspracherechte im Unternehmen hat, obwohl er mit Zins und Rückzahlung vom unternehmerischen Erfolg abhängig ist. Seine Ansprüche werden im Insolvenzfall nachrangig bedient, das heißt nach allen anderen Gläubigern. Eine über die Einlage hinausgehende Haftung besteht allerdings nicht.
•Mehr über die Geschäftspraktiken von Prokon lesen Sie im Beitrag „Lücken in der Ökobilanz” der Zeitschrift Capital vom Juli 2012.
Prokon vor Gericht
Mit Urteil vom 15. März 2011 hat das Landgericht Itzehoe (Az.: 5 O 66/10) auf unseren Antrag hin Prokon verboten, künftig mit irreführenden Angaben für eine Anlage in Prokon-Genussrechten zu werben. Prokon darf in seiner Werbung keine Formulierungen mehr verwenden, die einseitig Vorteile der Anlage in Genussrechten hervorheben, ohne zugleich auf die erheblichen Risiken dieser Geldanlage hinzuweisen. Insbesondere ist es Prokon künftig verwehrt, damit zu werben, seine Genussrechte seien eine „Alternative zur Bank oder Lebensversicherung“ oder eine „Geldanlage, die Ihnen Sicherheit und Stabilität bietet“ oder gar ein „grünes Sparbuch“, wenn nicht zugleich auf Risiken hingewiesen wird. Auch die Formulierung „maximale Flexibilität“ im Zusammenhang mit der Anlage in Prokon-Genussrechten ist demnach nicht mehr erlaubt. Prokon hält sich seitdem an die Auflagen des Gerichts, ging jedoch in Berufung. Die Verhandlung vor dem Oberlandesgericht Schleswig steht noch aus.
In seiner Urteilsbegründung stellte das Landgericht fest, dass Prokon nicht oder nur unzureichend auf das Risiko der Nichtverzinsung und das Risiko des Totalverlusts hingewiesen hatte. Die Prokon-Werbung sei irreführend, weil dem interessierten Anleger vorgespiegelt werde, er könne sein Geld ohne Verlustgefahr investieren. Tatsächlich trage der Anleger bei Erwerb der Genussscheine das volle unternehmerische Risiko hinsichtlich des investierten Kapitals, ohne dass er im Insolvenzfall auf eine Einlagensicherung zurückgreifen könne oder ohne dass er auch nur irgendwelchen Einfluss auf die Geschäftsführung der Gesellschaft habe, bei der sein Kapital angelegt wird. Ebenfalls werde der Anleger darüber in die Irre geführt, dass mit dem Kauf der Genussscheine tatsächlich und unmittelbar in Windkrafträder investiert und damit Sachwerte erworben würden. Denn tatsächlich diene das eingeworbene Genussrechtskapital lediglich zur Finanzierung derartiger Projekte, ohne dass die einzelnen Anleger durch Beteiligungen an den Sachwerten abgesichert wären.
Außerdem beanstandete das Gericht, dass die Genussrechte keine flexiblen Anlagen seien, schon gar nicht „maximal flexibel“ wie beworben. Denn tatsächlich ist eine Verfügung über die angelegten Gelder frühestens nach drei Jahren möglich (wenn die Rückzahlungsgarantie greift), sonst erst nach fünf Jahren. Mit der Flexibilität etwa von Tages- oder Festgeldanlagen oder einer Sparanlage hat diese lange Laufzeit nichts zu tun.
Dem Gerichtsverfahren vorausgegangen war eine Abmahnung, mit der wir die Unterlassung der irreführenden Werbung von Prokon verlangt hatten. Nachdem das Unternehmen die Unterlassung der beanstandeten Werbung abgelehnt hatte, haben wir Klage erhoben.
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Stand vom Freitag, 7. September 2012
Quelle:VBZ Hamburg
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