Ein Großteil aller Kapitallebensversicherungen wird vorzeitig gekündigt oder beitragsfrei gestellt. Lange versuchten die Versicherungskonzerne daraus zusätzliches Kapital zu schlagen – sie erhoben Stornogebühren und zahlten zu geringe Rückkaufswerte aus.
Bereits mehrfach entschied der Bundesgerichtshof: Das ist nicht rechtens! Die entsprechenden Vertragsklauseln, die zwischen Mitte 1994 und 2008 verwendet wurden, sind größtenteils unwirksam.
Doch trotz der höchstrichterlichen Entscheidung stellten sich die Versicherer quer und verwendeten die Klauseln einfach weiter in ihren Verträgen. Aus diesem Grund haben wir viele Lebensversicherer zunächst abgemahnt und sie schließlich verklagt, wenn sie sich weigerten eine Unterlassungserklärung abzugeben.
Urteil gegen die R+V Versicherung
Im aktuellen Fall der R+V Versicherung verurteilte das Oberlandesgericht Frankfurt den Versicherer auf unsere Klage hin nun dazu, sich weder auf bestimmte Klauseln zur Beitragsfreistellung, zur Kündigung und zum Stornoabzug zu berufen noch diese zu verwenden. Denn: Diese Vertragsbedingungen der R+V Versicherung waren für den Verbraucher unangemessen und intransparent. Das Oberlandesgericht hat keine Revision zugelassen. Das Urteil ist demnach rechtskräftig. (Urteil vom 15. Juni 2016, Az. 7 U 59/15).
Versicherungsbranche vor Gericht
Es ist eine Unverschämtheit, dass die Versicherungskonzerne Jahre ins Land gehen lassen, bis Verbraucher endlich zu ihrem Recht und Geld kommen. Bereits im Jahr 2012 hatte der Bundesgerichtshof entschieden, dass Versicherte bei vorzeitiger Kündigung ihrer Lebens- und Rentenversicherungsverträge wegen einer nachteiligen Verrechnung von Abschlusskosten und Provisionen sowie dem sogenannten Stornoabzug nicht mehr so viel Geld verlieren dürfen. Heute schreiben wir das Jahr 2016 und wir streiten uns mit den Unternehmen immer noch vor Gericht.
Die R+V Versicherung gehört zu einer Vielzahl von Versicherungsgesellschaften, von denen wir auf dem Klageweg einfordern mussten, was der Bundesgerichtshof im mehreren Urteilen entschieden hatte. In der gleichen Sache haben wir bereits gegen die Stuttgarter Lebensversicherung AG, die Zurich Deutscher Herold Lebensversicherung AG, die Skandia Lebensversicherung AG sowie die Lebensversicherer DBV, PB (Postbank), Nürnberger, AachenMünchener und Axa obsiegt.
So holen Sie sich Ihr Geld zurück
Der Fall der R+V Versicherung zeigt erneut, dass die Versicherungsunternehmen nicht selbst aktiv werden, um ihre Kunden ordnungsgemäß zu entschädigen. Für Versicherungsnehmer aller Anbieter heißt dies:
Wenn Sie Ihre Kapitallebens- oder private Rentenversicherungspolice vorzeitig gekündigt haben, sollten Sie Ihre Ansprüche auf einen höheren Rückkaufswert und die Rückerstattung von Stornogebühren schriftlich bei Ihrem Versicherer anmelden. Das ist bis zu drei Jahre nach dem Ende eines Vertrags möglich. Was Sie über die Rückerstattung wissen müssen, lesen Sie in unserem Beitrag „Lebensversicherung: So gibt’s Nachschlag“.
Unser Musterbrief hilft Ihnen dabei, Ihre Forderungen geltend zu machen.
Allerdings ist es manchmal sinnvoller, von seinem Widerspruchsrecht Gebrauch zu machen. Vielen Versicherten steht dieses Recht zu, weil die entsprechenden Belehrungen in ihren Verträgen fehlerhaft sind. Sollte das auch bei Ihnen der Fall sein, erhalten Sie nach einem Widerspruch sogar Ihre Prämien abzüglich der Risikokosten, aber inklusive der Abschluss- und Verwaltungskosten zurück. Was es genau mit dem Widerspruch von Lebensversicherungen auf sich hat, können Sie nachlesen in unserem Beitrag „Geld zurück bei Widerspruch“.
Unterstützen Sie uns!Mit Klagen gegen die Versicherungskonzerne setzen wir uns für faire Vertragsbedingungen und gegen Wettbewerbsverstöße ein. Das nützt allen Kunden der betroffenen Unternehmen, ja der Verbraucherschaft insgesamt – und natürlich auch Ihnen ganz persönlich! Denn damit bahnen wir den Weg für Ihre Ansprüche. Doch die Gerichtsprozesse sind mit erheblichen Kosten verbunden, für die wir in Vorleistung gehen müssen. Und das manchmal über Jahre und mehrere Instanzen hinweg – dabei stehen uns nur geringe staatliche Zuschüsse zur Verfügung. Die Versicherungswirtschaft aber hat das Kapital für einen langen Atem. Mit einer Spende (Stichwort: „Lebens- und Rentenversicherung”) helfen Sie uns, Ihre Interessen durchzusetzen.
Die Verbraucherzentrale Hamburg e.V. ist gemeinnützig. Ihre Spende ist steuerlich absetzbar. Sie erhalten eine Zuwendungsbestätigung. Herzlichen Dank! |
Stand vom Dienstag, 26. Juli 2016
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