Diebewertung.de: Herr Blazek, Ihre Kanzlei berät Vertriebe. Welche Besonderheiten gelten beim Vertrieb von Token?
Blazek: Die Besonderheit ist, dass sich speziell dazu noch keine flächendeckende Rechtsprechung etabliert hat. Im Grundsatz gelten jedoch wenig Besonderheiten. In der Rechtsprechung zählt bei den Pflichten des Vertriebs hinsichtlich der Anlage eher eine wirtschaftliche Betrachtungsweise. Handelt es sich nach danach um eine Anlage, dann gelten auch die entsprechenden vorvertraglichen Pflichten. Das hat der BGH beispielsweise schon bei Immobilien oder bei Kapitalanlagen im Versicherungsmantel entschieden oder früheren Direktinvestments.
Diebewertung.de: Und wie sind Token-Käufe zu betrachten?
Blazek: Es handelt sich um ein Investment, ganz grob vergleichbar mit einer initialen Ausgabe von Wertpapieren. Man wettet darauf, dass die Token im Wert steigen bzw. im jeweiligen System bestimmte Waren oder Leistungen möglichst günstig dafür erworben werden können. Die jeweiligen Risiken sind meiner Meinung nach deshalb vor Erwerb aufklärungspflichtig.
Diebewertung.de: Welche Risiken sind das genau?
Blazek: Das hängt von der Ausgestaltung des jeweiligen Angebots ab. Grundsätzliche Risiken dürften aber solche sein wie die Wertentwicklung bis hin zum Totalverlust, Verzögerungen und andere Probleme im technischen Ablauf, ein zu eingeschränkter Produkt- bzw. Gegenwertkreis und diejenigen Risiken, die mit der jeweiligen rechtlichen Ausgestaltung verbunden sind. Das kann bis zu Problemen mit dem KWG führen.
Diebewertung.de: Wie sieht es mit Coins aus, die durch Sachwerte wie Gold abgesichert sind?
Blazek: Grundsätzlich genauso. Speziell geht es aber darum, wie genau die Absicherung mit dem Angebot rechtlich verknüpft ist. Das muss im Einzelfall bewertet werden. Darüber hinaus besteht das Risiko, dass natürlich die nötige Menge an Gold in der rechtlich zutreffenden und tatsächlich verwertbaren Form zur Verfügung gestellt wird. Goldpreise können schwanken, über Bruchteilseigentum kann man nicht gut verfügen.
Diebewertung.de: Was gilt, wenn das Management sich pflichtwidrig oder sogar im strafrechtlichen Sinne rechtswidrig verhält? Muss der Vertrieb über diese Möglichkeit auch vor dem Kauf aufklären?
Blazek: Nein. Dies hat der BGH schon entschieden. Dieses Risiko besteht quasi immer und ist per se nicht aufklärungsbedürftig.
Diebewertung.de: Gelten denn bei der Aufklärung Besonderheiten deshalb, weil es sich beim Vertrieb um eine MLM-Struktur handelt?
Blazek: Ja. Da es sich um eine bestimmte Form des Direktvertriebs bzw. Strukturvertriebs handelt, ist in aller Regel der Käufer auch irgendwann Vertrieb. Er ist zu einem Zeitpunkt also aufklärungsbedürftiger als später. Es kommt bei der Aufklärung schließlich immer auf den Empfängerhorizont an. Wann sich die Aufklärungsbedürftigkeit wandelt, ist in der Tat die spannende Frage. Eine weitere spannende Frage ist, ob für eine eventuell fehlerhaftes Vertriebssystem nicht auch die Strukturspitze gegenüber den Strukturangehörigen haftet. Ich meine, dies kommt unter bestimmten Umständen in Betracht. Aber hierzu werden noch Gerichtsprozesse ausgefochten werden müssen, Rechtsprechung muss sich erst noch etablieren.
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