Der Einsatz von Chlor zur Reinigung des Seewassersystems auf dem LNG-Schiff Höegh Esperanza in Wilhelmshaven ist rechtlich zulässig. Dies hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am 19. Dezember 2024 entschieden. Das Gericht wies eine Klage der Deutschen Umwelthilfe (DUH) ab, die sich gegen die wasserrechtliche Einleitungserlaubnis richtete.
Hintergrund: Gasversorgungskrise und der Einsatz der Höegh Esperanza
Im Zuge der Gasversorgungskrise, die durch den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine ausgelöst wurde, hatte die Bundesregierung Ende 2022 die FSRU (Floating Storage and Regasification Unit) Höegh Esperanza als Teil eines LNG-Importterminals in Wilhelmshaven in Betrieb genommen. Die schwimmende Anlage dient dazu, verflüssigtes Erdgas (LNG) zu speichern und wieder in den gasförmigen Zustand zu überführen.
Für diesen Prozess wird Seewasser sowohl zur Erwärmung des tiefgekühlten Erdgases als auch zur Maschinenkühlung genutzt. Nach der Nutzung wird das behandelte Seewasser zurück in die Jade eingeleitet. Um das sogenannte Biofouling – den Bewuchs durch Seepocken, Muscheln und andere Organismen in den Rohrleitungen – zu verhindern, wird Chlor durch ein Verfahren namens Elektrochlorierung erzeugt. Dabei wird das im Seewasser enthaltene Salz (Natriumchlorid) mittels Elektrolyse in Chlor umgewandelt. Dieses Chlor wirkt als Antifoulingmittel und ist unerlässlich für den Betrieb der Anlage.
Der Anlagenbetreiber unterliegt dabei strengen Vorgaben, insbesondere für den Chlorgehalt des Abwassers, das in die Jade zurückgeführt wird.
Klage der Deutschen Umwelthilfe: Kritik am Einsatz von Chlor
Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hatte gegen die wasserrechtliche Genehmigung geklagt. Sie argumentierte, dass das Verfahren der Elektrochlorierung nicht dem Stand der Technik entspreche. Stattdessen forderte sie den Einsatz eines biozidfreien Ultraschallverfahrens, das als umweltfreundlichere Alternative gelte.
Gerichtsurteil: Elektrochlorierung entspricht dem Stand der Technik
Das Bundesverwaltungsgericht wies die Klage ab. Nach Auffassung des Gerichts erfüllt die Elektrochlorierung die gesetzlichen Anforderungen an den Stand der Technik. Für die Anerkennung als „Stand der Technik“ müsse eine Methode in der Praxis bewährt und ihre Eignung praktisch gesichert sein. Dies sei beim Ultraschallverfahren jedoch (noch) nicht der Fall.
Das Gericht führte aus, dass:
Der bisherige Einsatz des Ultraschallverfahrens auf Seeschiffen keine ausreichende praktische Bewährung darstelle.
Das Seewassersystem einer FSRU wie der Höegh Esperanza deutlich komplexer und größer sei als das eines herkömmlichen Schiffes, sodass sich die Technik hier noch nicht als geeignet erwiesen habe.
Auch der Einsatz des Ultraschallverfahrens auf einer anderen FSRU in Wilhelmshaven, der Excelerate Excelsior, lediglich Teil einer Erprobungsphase sei. Erkenntnisse über die Bewährung der Technik stünden daher noch aus.
Das Gericht betonte, dass es sich bei der Elektrochlorierung um ein bewährtes Verfahren handelt, das die aktuellen gesetzlichen Anforderungen erfüllt.
Fazit des Urteils
Der Einsatz von Chlor auf der Höegh Esperanza bleibt erlaubt, da die Elektrochlorierung dem Stand der Technik entspricht und als praktisch bewährte Methode anerkannt ist. Das biozidfreie Ultraschallverfahren hingegen erfüllt diese Anforderungen derzeit noch nicht.
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts unterstreicht die Bedeutung praktischer Bewährung bei der Bewertung technischer Verfahren – insbesondere bei komplexen Anlagen wie der FSRU. Gleichzeitig lässt das Urteil jedoch offen, ob das Ultraschallverfahren in Zukunft eine Alternative zur Elektrochlorierung werden könnte, falls die derzeit laufenden Tests positive Ergebnisse liefern.
Aktenzeichen: BVerwG 7 A 14.23, Urteil vom 19. Dezember 2024
Kommentar hinterlassen