Startseite Interviews Rechtsanwältin Kerstin Bontschev zur Bilanzkontrolle 2025: „Anleger sollten jetzt besonders wachsam sein“
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Rechtsanwältin Kerstin Bontschev zur Bilanzkontrolle 2025: „Anleger sollten jetzt besonders wachsam sein“

styles66 (CC0), Pixabay
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Frage: Frau Bontschev, die BaFin hat angekündigt, in den Konzernabschlüssen 2024 schwerpunktmäßig die Werthaltigkeit bilanzierter Vermögenswerte zu prüfen. Was bedeutet das aus Anlegersicht?

Kerstin Bontschev: Diese Ankündigung zeigt, dass die BaFin genau hinschauen wird, ob Unternehmen ihre Vermögenswerte realistisch bewerten und eventuelle Wertminderungen angemessen berücksichtigen. Aus Anlegersicht ist das wichtig, denn überbewertete Vermögenswerte können die finanzielle Stabilität eines Unternehmens verzerren. Wenn Vermögenswerte in der Bilanz höher angesetzt sind als ihr tatsächlicher Wert, kann das ein falsches Bild der Unternehmenssituation vermitteln. Sollte die BaFin bei den Prüfungen Mängel feststellen und das Unternehmen gezwungen sein, Korrekturen vorzunehmen, könnte das zu kurzfristigen Kursschwankungen führen.

Frage: Die BaFin hebt in ihrer Mitteilung hervor, dass die Werthaltigkeitsprüfungen der Unternehmen transparent und nachvollziehbar dokumentiert werden müssen. Was sollten Anleger in diesem Zusammenhang beachten?

Kerstin Bontschev: Transparenz ist das A und O für Anleger, um fundierte Entscheidungen treffen zu können. Die BaFin erwartet, dass Unternehmen ihre Bewertungsansätze, Annahmen und die zugrunde liegenden Prognosen detailliert und nachvollziehbar offenlegen. Anleger sollten in den Geschäftsberichten gezielt nach solchen Angaben suchen und prüfen, ob die Einschätzungen des Unternehmens nachvollziehbar erscheinen. Wenn Unternehmen diese Transparenz nicht bieten oder wenn die BaFin Mängel in der Dokumentation aufdeckt, ist das ein Warnsignal.

Frage: Die BaFin spricht auch die aktuellen geopolitischen und wirtschaftlichen Herausforderungen an. Wie wirken sich diese auf die Werthaltigkeit bilanzierter Vermögenswerte aus?

Kerstin Bontschev: Geopolitische Unsicherheiten und wirtschaftliche Herausforderungen können die Vermögenswerte eines Unternehmens stark beeinträchtigen. Denken Sie zum Beispiel an die steigenden Zinsen, die für Unternehmen mit hohen Schulden eine erhebliche Belastung darstellen können. Oder an Lieferkettenprobleme, die besonders Sachanlagen und nichtfinanzielle Vermögenswerte in Mitleidenschaft ziehen. Solche Risiken erhöhen die Wahrscheinlichkeit von Wertminderungen. Anleger sollten darauf achten, ob und wie das Unternehmen diese Faktoren in seine Bewertung einbezieht.

Frage: Die BaFin wird ihre Prüfungen auf die Standards IAS 36 und IFRS 9 stützen, die Wertminderungen für finanzielle und nichtfinanzielle Vermögenswerte regeln. Warum ist das relevant?

Kerstin Bontschev: IAS 36 und IFRS 9 sind internationale Rechnungslegungsstandards, die klare Richtlinien für die Bewertung und Wertminderung von Vermögenswerten festlegen. IAS 36 betrifft vor allem Sachanlagen und immaterielle Vermögenswerte, während IFRS 9 auf finanzielle Vermögenswerte wie Forderungen und Investitionen abzielt. Wenn ein Unternehmen diese Standards korrekt anwendet, sind die Chancen höher, dass die Bilanz ein realistisches Bild der Vermögenssituation zeigt. Für Anleger sind das wertvolle Informationen, denn sie geben Aufschluss darüber, wie robust das Unternehmen aufgestellt ist und wie es mit potenziellen Risiken umgeht.

Frage: Dr. Thorsten Pötzsch von der BaFin betonte in seiner Rede, dass die BaFin eine faire und transparente Kontrolle am Kapitalmarkt sicherstellen will. Glauben Sie, dass diese Schwerpunktprüfung den Anlegern tatsächlich mehr Sicherheit gibt?

Kerstin Bontschev: Absolut. Indem die BaFin risikoorientiert und transparent arbeitet, gibt sie Anlegern ein höheres Maß an Sicherheit und Vertrauen in die Finanzberichte kapitalmarktorientierter Unternehmen. Wenn die BaFin bei ihren Prüfungen Unregelmäßigkeiten feststellt, werden diese öffentlich gemacht. Das schafft Klarheit für den Markt und ermöglicht es den Anlegern, besser informierte Entscheidungen zu treffen. Langfristig trägt dies zur Stabilität des Kapitalmarkts bei und mindert das Risiko, dass Anleger durch fehlerhafte Bilanzierungen getäuscht werden.

Frage: Ein weiteres Thema sind die neuen Nachhaltigkeitsberichte, die Unternehmen ab 2024 erstmals erstellen müssen. Was bedeutet das für Anleger?

Kerstin Bontschev: Nachhaltigkeitsberichte geben Einblicke in die nichtfinanzielle Performance eines Unternehmens, also zum Beispiel in den Umgang mit Umwelt- und Sozialrisiken. Die BaFin wird künftig auch hier verstärkt prüfen, ob die Angaben korrekt und vollständig sind. Für Anleger, die Wert auf ESG-Kriterien (Umwelt, Soziales und Unternehmensführung) legen, wird das ein entscheidender Faktor bei der Anlageentscheidung sein. Die BaFin stellt klar, dass sie auch hier einen hohen Standard an Transparenz und Nachvollziehbarkeit einfordert, was aus Anlegersicht sehr positiv ist.

Frage: Was raten Sie Anlegern konkret, die sich durch die Ankündigungen der BaFin stärker mit dem Thema Bilanzkontrolle auseinandersetzen möchten?

Kerstin Bontschev: Anleger sollten die Geschäftsberichte der Unternehmen, in die sie investieren, aufmerksam lesen, insbesondere die Abschnitte zu Wertminderungen und Risikomanagement. Sie sollten auf Hinweise achten, wie das Unternehmen seine Vermögenswerte bewertet und welche Annahmen dabei zugrunde gelegt werden. Wer auf Nummer sicher gehen will, kann zusätzlich auf die Prüfberichte der BaFin oder anderer Aufsichtsbehörden achten. Diese geben oft wertvolle Hinweise darauf, welche Unternehmen besonderen Prüfungen unterzogen wurden und welche Schwachstellen aufgedeckt wurden.

Quellen:

  • BaFin, „Bilanzkontrolle 2025: Werthaltigkeit von Vermögenswerten im Fokus“

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