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Rechtslage im Internet

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Langsam, ganz langsam klärt sich die Rechtslage im Internet. Das Landgericht Heidelberg hat am 14. Oktober 2014 in dem Verfahren 2 O 162/13 die Rechte von Verbrauchern gestärkt und den Suchmaschinengiganten Google in seine Schranken verwiesen und zugleich für den deutschen Rechtsraum das Urteil des europäischen Gerichtshof aus dem Mai 2014 (C 131/12 EuGH) inhaltlich bestätigt. 

Erschreckend ist, dass das Gericht die Rechtsfragen mangels vernünftiger Normen über den § 1004 Bürgerliches Gesetzbuch klärt.

Wird das Eigentum in anderer Weise als durch Entziehung oder Vorenthaltung des Besitzes beeinträchtigt, so kann der Eigentümer von dem Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen. Sind weitere Beeinträchtigungen zu besorgen, so kann der Eigentümer auf Unterlassung klagen.

 
 

I. Einleitung

1. Die Infrastruktur des Internets liegt in privaten Händen, eine staatliche Eingriffsverwaltung (wie im öffentlichen Straßenverkehr) gibt es in Deutschland nicht = Im Internet herrscht Anarchie wie früher im Wilden Westen!

(Nebenbei: In Frankreich verfolgt die Behörde HADOPI z.B. Tauschbörsenverletzungen)

2. Angesichts der zahlreichen Gefahren des Netzes bedeutet dies keine grenzenlose Freiheit, sondern mangels der Rechtsschutzmöglichkeiten der Opfer eher eine entgrenzte Schutzlosigkeit

II. Der Autor einer ehrverletzenden Äußerung

1. Die Teilnahme am Internet erfolgt immer anonymer, so daß Hemmungen für Rechtsverletzungen im Internet schneller fallen. (z.B. beim Download-Click fühlen sich viele sicherer als beim Diebstahl einer DVD im Kaufhaus)

2. Der Betreiber eines Internetportals ist grundsätzlich nicht befugt, ohne Einwilligung eines Nutzers dessen personenbezogene Daten in Erfüllung eines Auskunftsanspruchs wegen einer Persönlichkeitsverletzung an den Betroffenen zu übermitteln (BGH, Urt. V. 1.7.2014 – VI ZR 345/13 – Ärzteforum)

(Begründung: in Ermangelung einer gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage iSd § 12 Abs. 2 TMG)

3. Der dem Geschädigten bekannte Autor einer ehrverletzenden Äußerung im Internet kann auf Unterlassung und Schadensersatz in die Haftung genommen werden.

4. Dies gilt für ehrverletzende Tatsachenbehauptungen genauso wie für ehrverletzende Werturteile. Zwar sind Werturteile grundsätzlich vom Recht zur freien Meinungsäußerung gem. Art. 5 Abs. 1 S. 1 GG gedeckt, soweit sie nicht zugleich darauf gerichtet sind, die Persönlichkeit herabzusetzen, zu diffamieren oder sie formal beleidigend sind.

 

III. Haftung von Vermittlern

1. Allgemeine Grundsätze

1. Das Vertrauen, auf der jede Rechtsordnung basiert, ist angesichts der zunehmenden Anonymität einzelner Nutzer nicht zwischen diesen erreichbar, sondern allenfalls zu Mittlern (Providern), was deren Bedeutung, aber auch Verantwortung verdeutlicht.

2. Grundsatz (im nationalen Recht wie in der europäischen E-Commerce-Richtlinie): Providerprivilegien statt allgemeiner Gefährdungshaftung

3. Content-Verantwortlichkeit: Allgemeine Störerhaftung

(Rechtsgrundlage für die Unterlassungs- und Beseitigungshaftung von Vermittlern im Netz ist die allgemeine Störerhaftung nach § 1004 iVm § 823 Abs. 1 BGB analog, die keine Haftung als Täter oder Teilnehmer bedeutet.)

4. Eine Schadensersatzpflicht trifft die Vermittler grundsätzlich nicht. Dabei ermöglicht deren Tätigkeit häufig erst den Zugang zu Rechtsverletzungen entsprechend einer Eröffnung von Gefahrquellen, die Verkehrssicherungspflichten und damit eine Schadensersatzhaftung bei zumindest fahrlässiger Verletzung nach sich ziehen müsste

(so die vielfältigen Forderungen in der Literatur: vgl. Czychowski/Nordemann, GRUR-Beilage 2014, 3 [7]; Fürst, WRP 2009, 378 [389]; Nordemann, FS Loewenheim, 2009, S. 215 [219]; Schaefer, ZUM 2010, 699 [700])

2. Host-Provider

(von User-Generated-Content-Sites [wie eBay, Youtube, Facebook, Meinungsforum] oder Filehosts [z.B. von Sharehostern wie Rapidshare oder Link-Seiten])

1. Grundsatz der faktischen Wiederholung und sekundären Prüfpflicht: Hostprovider haften verschuldensunabhängig neben dem Schädiger vergleichbar der allgemeinen Hilfeleistungspflicht in „Unglücksfällen“ iSd § 323c StGB auf Beseitigung und Unterlassung, sofern er Kenntnis von einer Rechtsverletzung erhält. „Auf Zuruf“ hat ein Forenbetreiber daher einen ehrverletzenden Beitrag unverzüglich (innerhalb weniger Stunden!) zu löschen; andernfalls droht ihm eine Abmahnung.

2. Der Provider ist nicht nur zur Beendigung von Verletzungen verpflichtet, sondern auch zu geeigneten Vorsorgemaßnahmen, um zu verhindern, dass gleichartige Verletzungen in der Zukunft nicht erneut geschehen

3. Eine primäre eigene Schadensersatzpflicht trifft Hostprovider nur bei einer „aktiven Rolle“.

(Etwa wenn eine Internetauktionsplattform ihren Kunden Hilfestellung bei der Präsentation der Verkaufsangebote leistet (OLG Hamburg, BeckRS 2011, 25731),  ein Forenbetreiber sich einen Beitrag zu eigen macht (z.B. indem er einen Thread provozierend anmoderiert oder nach redaktioneller Kontrolle veröffentlicht: Bundesgerichtshof, MMR 2010, 556) oder der Betreiber eines Internetgästebuchs die Einträge über längere Zeit ungeprüft lässt (Landgericht Trier, MMR 2012, 694).

 

3. Suchmaschinen

1. Suchmaschinen sind „ein unverzichtbarer Infrastrukturprovider im Internet“

(Zitat von Czychowski/Nordemann, GRUR-Beilage 2014, 3 [8])

2. Für Suchmaschinenbetreiber gelten nicht die Provider-Haftungsprivilegien (§§ 8-10 des Telemedien-Gesetzes)! (grundlegend OLG Hamburg, MMR 2011, 685 [686])

3. Textauschnitte und Thumbnail-Bilder sind eigene Inhalte der Suchmaschine, für sie haftet die Suchmaschine aber erst ab Kenntnis klarer Rechtsverletzungen, dann aber auf Beseitigung und Vorbeugemaßnahmen gegen gleichartige Verletzungen (BGH, GRUR 2010, 628 – Vorschaubilder I)

4. Für bezahlte Links haftet eine Suchmaschine wie ein Hostprovider (EuGH, GRUR 2010, 445 – Google Adwords).

5. Bei Links auf ehrverletzende Seiten hat ein Suchmaschinenbetreiber diese „auf Zuruf“ „unverzüglich“ zu löschen (bei Google neben google.de auch auf google.com) und ihren Crawler so umzuprogrammieren, dass die Seite künftig nicht mehr in Suchmaschinenergebnissen auftaucht.

 

4. Access-Provider

1. Ein Zugangsprovider muss bei Mitteilung einer Rechtsverletzung ihm zumutbare Maßnahmen treffend (z.B. DNS- oder IP-Sperre).

2. Ein präventiver Filter für bestimmte Rechtsverletzungen ist aus verfassungsrechtlichen Gründen (da unverhältnismäßig!) nicht erforderlich (EuGH, GRUR 2012, 265).

5. Inhaber von Internetzugängen im gewerblichen Bereich

1. Hotels, Cafés etc., die ihren Gästen einen WLAN-Anschluss zur Verfügung stellen, haben dafür Sorge zu tragen, dass Kunden diesen nicht zu Rechtsverletzungen nutzen. Eine Haftung tritt hier aber erst ein, wenn sie Prüfpflichten verletzen, insbesondere wenn der WLAN-Anschluss nicht hinreichend gesichert oder die Kunden nicht hinreichend belehrt hat.

2. Eine Pflicht, die Internetaktivitäten der Kunden durch Mitarbeiter ständig überwachen zu lassen, trifft sie (mangels Zumutbarkeit) nicht (Amtsgericht Koblenz, BeckRS 2014, 15122).

 

IV. Strafrechtliche Konsequenzen

1. Bei ehrverletzenden Tatsachenbehauptungen im Netz macht sich der Urheber wegen übler Nachrede (§ 186 StGB) strafbar, wenn sich die Wahrheit der Aussage nicht beweisen lässt

2. Für eine strafbare üble Nachrede muss die ehrverletzende Tatsachenbehauptung nicht vorsätzlich falsch sein!

(= Die Nichterweislichkeit der Wahrheit ist eine reine objektive Bedingung der Strafbarkeit, auf die sich der Vorsatz nicht zu erstrecken braucht)

V. Datenschutz

1. Provider haben sich bei der Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten am Grundsatz der Datenverarbeitung und Datensparsamkeit auszurichten.

2. Die Impressumspflicht trifft neben Online-Zeitungen auch Inhaber von privaten Profilen in sozialen Netzwerken.

(These von Richter, MMR 2014, 517; Impressumspflicht folgt aus § 55 Abs. 1 RStV)

3. Anspruch auf Datenlöschung gegenüber Google: „Recht auf Vergessen“ (EuGH, NJW 2014, 2257)

 

VI. Gewerbeaufsicht

  1. Die Verletzung von IT-Sicherheitspflichten von Unternehmen kann zur Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit oder zumindest strengen Auflagen führen.
  1. Für einen effektiven Opferschutz empfiehlt sich die Gründung von „Neue Medien“-Abteilungen bei den Gewerbeaufsichtsämtern mit weitreichenden Kontroll- und Eingriffsbefugnissen (in diese Richtung bereits Koenig, MMR-Beilage 1998, 1 [14], der die Gründung von „Länderbüros Neue Medien“ fordert).

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