Zum Jahreswechsel 2015/2016 erhöhten viele Krankenkassen ihren Zusatzbeitrag. Doch die Information darüber, zu der sie laut Gesetz eindeutig verpflichtet sind, verpackten manche Kassen für ihre Versicherten in viel Selbstlob. Wir sammelten Beispiele und einen besonders dreisten Fall verfolgten wir genauer.
HEK verschleiert Beitragserhöhung
Die HEK – Hanseatische Ersatzkasse teilte ihren Versicherten gleich im ersten Satz des Briefes mit, dass ihr Zusatzbeitrag „weiterhin unter dem durchschnittlichen Zusatzbeitrag liegt”. Die Erhöhung des Beitragssatzes erwähnte die Kasse nicht, und das daraus resultierende Sonderkündigungsrecht drehte die HEK ganz elegant zu ihrem Vorteil um: „Mit jeder Änderung des individuellen Zusatzbeitragssatzes entsteht auch ein Kündigungsrecht. Deshalb empfehlen Sie uns gerne Freunden und Verwandten, die ebenfalls von den Vorteilen der Business-K(l)asse profitieren möchten.”
Selbst auf Nachfrage vermied die HEK das Wort „Erhöhung”. Ein Versicherter wollte nach Erhalt dieses Schreibens wissen, ob sich denn nun der Zusatzbeitrag erhöhe oder nicht – denn nur dann gibt es das besondere Kündigungsrecht, auf das da hingewiesen wurde. Die Antwort der HEK wiederholte nur die schon im ersten Schreiben breitgetretene Mitteilung, dass die HEK mit einem Zusatzbeitrag von 1,0 Prozent um 0,1 Prozentpunkte unter dem durchschnittlichen Zusatzbeitrag liege. Erst auf nochmalige ausdrückliche Nachfrage, „ob der Zusatzbeitrag trotz des wirtschaftlichen Handelns und einer effektiven Verwaltung … steigt” kam dann im dritten Schreiben die ehrliche Antwort: „… damit ist der Zusatzbeitrag um 0,2 % für Sie gestiegen. Im Jahr 2015 lag er bei 0,8 %.”
Klage erfolgreich
Dieses völlig missverständliche Schreiben sollte keine Schule machen. Das Bundesversicherungsamt, das wir als Aufsichtsbehörde einschalteten, erwies sich jedoch als zahnloser Tiger. Es konnte bei der HEK nur eine kleine Unregelmäßigkeit erkennen und versprach eine „Erörterung” mit der Kasse zur „Optimierung für zukünftige Fälle”. Das reichte uns nicht. Wir forderten die HEK auf, eine Unterlassungserklärung zu unterzeichnen. Die lehnte ab, also mussten wir klagen.
Das Landgericht Hamburg stellt dazu fest: Die HEK „klärt in ihrem Schreiben nicht hinreichend über das durch die Erhöhung des individuellen Zusatzbeitrags (…) konkret entstandene Sonderkündigungsrecht ihrer Mitglieder auf und erfüllt daher nicht die gesetzlichen Voraussetzungen des § 175 Abs. 4 S. 6 SGB V.“ Die Kasse stelle gerade keinen Zusammenhang zwischen der eigenen Erhöhung des individuellen Zusatzbeitrags und einem Kündigungsrecht her. Vielmehr habe sie die Information über das Kündigungsrecht an die Aufforderung geknüpft, Freunden und Verwandten den Übertritt zur HEK zu empfehlen. „Das Schreiben verschleiert gerade die Möglichkeit der Kündigung, statt darüber aufzuklären”, heißt es in dem rechtskräftigen Urteil vom vom 11. Juli 2017 (Az. 312 O 290/16).
Noch deutlicher wird das Gericht beim Einwand der HEK, sie sei schließlich an Recht und Gesetz gebunden (Art. 30 Abs. 3 Grundgesetz). Dazu schreibt das Gericht, „eine Bindung an Recht und Gesetz [bedeute] noch nicht, dass sich der jeweilige Adressat auch daran hält”.
Wir nehmen nicht an, dass die HEK, die sich als „Business-Kasse“ unter den gesetzlichen Krankenkassen versteht, das alles aus Unkenntnis tat. Die sprichwörtliche Ehrlichkeit und Korrektheit Hamburger Kaufleute, wie sie zum „Business”-Image dieser Kasse passen würde, sucht man in dem Schreiben jedenfalls vergebens.
Nachdem das Bundesversicherungsamt nur eine kleine Unregelmäßigkeit bei der HEK erkennen konnte und rechtlich alles okay fand, freuen wir uns um so mehr, dass die HEK nun von den Richtern in die Schranken gewiesen wurde.
Quelle:VZHH
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