Wie erfasst das RKI die Situation in Deutschland, wie schätzt das RKI die Lage ein und welche Empfehlungen gibt es für die Fachöffentlichkeit?
Das RKI analysiert fortlaufend verschiedene Datenquellen, um die Lage in Deutschland so genau wie möglich erfassen und einschätzen zu können. Dazu zählen unter anderem die offiziellen Meldedaten (u.a. Fall- und Todeszahlen, geografische Verteilung, zeitlicher Verlauf, betroffene Altersgruppen, Hospitalisierungen, Ausbrüche), aber auch Informationen aus bereits bestehenden Surveillance-Systemen (z.B. zur Influenza) und aus Projekten und Studien, die im Rahmen der COVID-19-Pandemie – auch in Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen – entstehen. Auch die Anzahl der COVID-19-Patienten auf Intensivstationen und der in Deutschland insgesamt durchgeführten Labortests auf SARS-CoV-2 wird erfasst. Alle Informationen werden gemeinsam bewertet und im täglichen Situationsbericht veröffentlicht. Die aktuelle Risikobewertung ist unter www.rki.de/covid-19-risikobewertung abrufbar.
Darüber hinaus arbeitet das Institut eng mit verschiedenen Behörden und Einrichtungen zusammen – auf internationaler und nationaler Ebene. Auf dieser Basis erstellt das Institut Empfehlungen für die Fachöffentlichkeit, welche Maßnahmen ergriffen werden sollen, um die Weiterverbreitung des Virus zu verlangsamen.
Alle Informationen und Dokumente sind unter www.rki.de/covid-19 abrufbar. Sie werden kontinuierlich an die Lage angepasst. Fortlaufend aktualisierte Informationen zu Erreger und Erkrankung werden in einem Steckbrief zu COVID-19 zur Verfügung gestellt.
Was versteht man unter der Reproduktionszahl R, und wie wichtig ist sie für die Bewertung der Lage?
Die Reproduktionszahl beschreibt, wie viele Menschen eine infizierte Person im Mittel ansteckt.
Am Anfang einer Pandemie gibt es den Startwert R0 (auch: Basisreproduktionszahl), der beschreibt, wie viele Menschen ein Infizierter im Mittel ansteckt, wenn die gesamte Bevölkerung empfänglich für das Virus ist (weil es noch keine Immunität in der Bevölkerung gibt), noch kein Impfstoff verfügbar ist und noch keine Infektionsschutzmaßnahmen getroffen wurden.
Bei SARS-CoV-2 liegt R0 zwischen 3,3 und 3,8, das heißt jeder Infizierte steckt im Mittel zwischen drei und vier Personen an. Ohne Gegenmaßnahmen würde die Zahl der Infektionen rasch exponentiell ansteigen und erst stoppen, wenn bis zu 70 % der Bevölkerung eine Infektion bzw. Erkrankung durchgemacht haben, also immun sind und das Virus ihrerseits nicht mehr weiterverbreiten können.
Durch Infektionsschutzmaßnahmen lässt sich die Reproduktionszahl verringern. Man spricht von einer zeitabhängigen Reproduktionszahl R(t). Es gilt:
- Wenn R größer 1, dann steigende Anzahl täglicher Neuinfektionen,
- Wenn R gleich 1, dann konstante Anzahl täglicher Neuinfektionen,
- Wenn R unter 1, dann sinkende Anzahl täglicher Neuinfektionen.
Bei SARS-CoV-2 ist das Ziel, die Reproduktionszahl stabil bei unter 1 zu halten.
Die Schätzung des R-Wertes basiert auf dem sogenannten Nowcasting, einem statistischen Verfahren, das die Entwicklung der Fallzahlen nach Erkrankungsbeginn darstellt und für die letzten Tage auch prognostiziert (mehr Informationen zur Methode, Beispielrechnungen und aktuelle Zahlen unter www.rki.de/covid-19-nowcasting). Diese Prognose ist mit Unsicherheit behaftet, die sich auch in den zum R-Wert angegebenen Prädiktionsintervallen spiegelt. Nach Eingang weiterer Fallmeldungen am RKI wird der R-Wert im Verlauf für die zurückliegenden Tage angepasst und ggf. nach oben oder unten korrigiert.
Im täglichen Situationsbericht werden zwei R-Werte dargestellt. Zum einen der sensitivere 4-Tage-R-Wert. Dieser Wert bildet zeitnah den Trend der Anzahl von Neuerkrankungen ab und kann auf mögliche Trendänderungen hinweisen. Er reagiert jedoch empfindlich auf kurzfristige Änderungen der Fallzahlen – wie sie etwa durch einzelne Ausbruchsgeschehen verursacht werden können – was besonders bei insgesamt kleineren Anzahlen von Neuerkrankungen zu verhältnismäßig großen Schwankungen führen kann. Zusätzlich gibt das RKI ein stabileres 7-Tage-R an, das sich auf einen längeren Zeitraum bezieht und daher weniger tagesaktuellen Schwankungen unterliegt. Das 7-Tage-R bildet Trends zuverlässiger ab, bezieht sich dabei jedoch auf ein Infektionsgeschehen, das etwas länger zurückliegt als beim 4-Tage-R-Wert.
Technisch werden beide R-Werte auf der Basis des Nowcasting geschätzt. Das Nowcasting endet am Datum von vor 4 Tagen, da noch keine zuverlässige Aussage zur Anzahl der Neuerkrankungen der letzten 3 Tage gemacht werden kann.
Der sensitivere 4-Tage-R-Wert kann geschätzt werden durch Verwendung eines gleitenden 4-Tages-Mittels der durch das Nowcasting geschätzten Anzahl von Neuerkrankungen. Er vergleicht dann die geglättete Anzahl eines Tages mit der entsprechenden Anzahl vor 4 Tagen. Die Infektionen zu diesen Neuerkrankungen liegen nochmal 4 bis 6 Tage davor, das heißt also vor 8 bis 13 Tagen. Der 4-Tage-R-Wert, der heute berichtet wird, bildet also das Infektionsgeschehen vor etwa einer bis zwei Wochen ab. Analog dazu wird das 7-Tage-R durch Verwendung eines gleitenden 7-Tages-Mittel der Nowcasting-Kurve geschätzt. Schwankungen werden dadurch stärker ausgeglichen. Das 7-Tage-R vergleicht den 7-Tages-Mittelwert der Neuerkrankungen eines Tages mit dem 7-Tages-Mittelwert 4 Tage zuvor. Die Infektionen zu den Neuerkrankungen liegen 4 bis 6 Tage davor, das heißt also vor 8 bis 16 Tagen. Das 7-Tage-R bildet somit das Infektionsgeschehen vor etwa einer bis etwas mehr als zwei Wochen ab. Für die Einschätzung der epidemiologischen Lage kommt dem 7-Tage-R-Wert eine höhere Bedeutung zu, da dieser weniger beeinflusst wird von tagesaktuellen Schwankungen der Zahl der gemeldeten und an das RKI übermittelten Fälle.
Beispiel:
(A) Berechnung R-Wert, der am 14. Mai im Lagebericht veröffentlicht wird. Dieser Wert basiert auf der geschätzten Anzahl von Neuerkrankungen bis zum 10. Mai. Er berechnet sich als Summe der Neuerkrankungen zwischen den 4 Tagen vom 7. bis zum 10. Mai geteilt durch die Summe der Neuerkrankungen der 4 Tage vom 3. bis zum 6. Mai. Er bezieht sich damit auf die Neuerkrankungen vom 7. bis zum 10. Mai, die zugehörigen Infektionen liegen eine Inkubationszeit davor und damit 4 bis 6 Tage davor, das heißt also zwischen dem 1. und 6. Mai. Damit liegt das beschriebene Infektionsgeschehen 8 bis 13 Tage vor dem 14. Mai.
(B) Berechnung des 7-Tage-R-Werts, der am 14. Mai im Lagebericht veröffentlicht wird. Dieser Wert basiert auf der geschätzten Anzahl von Neuerkrankungen bis zum 10. Mai. Er berechnet sich als Summe der Neuerkrankungen zwischen den 7 Tagen vom 4. bis zum 10. Mai geteilt durch die Summe der Neuerkrankungen der 7 Tage vom 30. April bis zum 6. Mai. Er bezieht sich damit auf die Neuerkrankungen vom 4. bis zum 10. Mai, die zugehörigen Infektionen liegen eine Inkubationszeit davor und damit 4 bis 6 Tage davor, das heißt also zwischen dem 28. April und dem 6. Mai. Damit liegt das beschriebene Infektionsgeschehen 8 bis 16 Tage vor dem 14. Mai.
Unter www.rki.de/covid-19-nowcasting werden Beispielrechnungen und beide R-Werte mit Prädiktionsintervallen als Excel-Tabelle zur Verfügung gestellt und täglich aktualisiert.
Welchen Zusammenhang gibt es generell zwischen erhöhten Testzahlen und erhöhten Fallzahlen?
Testen ist essentieller Bestandteil einer umfassenden Pandemie-Bekämpfungs-Strategie: Testen ermöglicht eine schnelle und präzise Erfassung der Zahl und Verteilung von infizierten Personen in Deutschland. Dies ist Grundlage für eine Unterbrechung von Infektionsketten und für einen Schutz vor Überlastung unseres Gesundheitssystems. Die Anzahl der nachgewiesenen SARS-CoV-2 Infektionen hängt generell vom Vorkommen dieser Infektionen in der Bevölkerung, der Teststrategie und der Anzahl der durchgeführten Tests ab. Die Testkriterien werden an die jeweilige epidemiologische Lage angepasst (siehe Nationale Teststrategie und Flussschema).
Eine Ausweitung der Testindikationen (z.B. für Reiserückkehrer) oder eine Erhöhung der Zahl durchgeführter Tests (z.B. im Rahmen von Ausbrüchen oder Studien) kann zu einem Anstieg der Fallzahlen führen, da zuvor unentdeckte Infizierte (auch ohne oder mit nur sehr milden Symptomen) erkannt werden. Das heißt aber nicht, dass umgekehrt die beobachteten steigenden Fallzahlen nur mit dem vermehrten Testaufkommen zu erklären wären, geschweige denn mit einem vermeintlich hohen Anteil an falsch-positiven Ergebnissen der PCR-Testung (für weitere Informationen siehe „Welche Rolle spielen falsch-positive Testergebnisse?“).
Gibt es eine Saisonalität bei SARS-CoV-2?
Viele Viren, die akute Atemwegserkrankungen verursachen, verbreiten sich in der kälteren Jahreszeit generell besser: Grund dafür sind unter anderem die niedrigeren Temperaturen, weniger UV-Strahlung, aber auch die Tatsache, dass man mehr Zeit dicht gedrängt in Räumen verbringt. Eine solche Saisonalität wurde bei anderen humanen Coronaviren beobachtet (Schnupfenviren).
Wo gibt es die aktuellen Fallzahlen und Inzidenzen?
Die an das RKI übermittelten Fallzahlen und die 7 Tages Inzidenzen in Deutschland werden – nach Bundesland und Landkreisen – grafisch und tagesaktuell in einem Dashboard dargestellt (https://corona.rki.de). Sie sind auch im täglichen Situationsbericht zu finden. Eine tagesaktuelle Tabelle nach Bundesland ist auch unter www.rki.de/covid-19-fallzahlen abrufbar. Eine Excel-Tabelle aller vom RKI berichteten Fälle, Todesfälle und Inzidenzen seit Beginn der Pandemie ist abrufbar unter www.rki.de/covid-19 > Daten zum Download.
Bei der Übermittlung der Fälle von den Gesundheitsämtern über die zuständigen Landesbehörden bis ans RKI kann es zu einem Melde- und Übermittlungsverzug von einigen Tagen kommen, sowohl bei den reinen Fallzahlen als auch bei den 7-Tages-Inzidenzen (siehe auch „Warum sind die Fallzahlen am Wochenende geringer als an Arbeitstagen?“ und „Wie entsteht die Diskrepanz zwischen Inzidenzen der Landkreise den Angaben des RKI-Dashboards?“).
Weltweite Fallzahlen sind auf den Internetseiten der Weltgesundheitsorganisation (WHO) und des Europäischen Zentrums für die Prävention und Kontrolle von Krankheiten (ECDC) abrufbar.
Was ist alles meldepflichtig?
Meldepflichtig sind der Verdacht auf eine Erkrankung, eine Erkrankung und der Tod in Bezug auf COVID-19 sowie der Nachweis des Erregers SARS-CoV-2, soweit er auf eine akute Infektion hinweist (siehe www.rki.de/covid-19-meldepflicht). Ein direkter Erregernachweis z.B. durch eine PCR, weist in der Regel auf eine akute Infektion hin und muss daher gemeldet werden. Bei einem indirekten Erregernachweis sollte folgendes beachtet werden: Mit den derzeit am Markt befindlichen serologischen Tests kann bei einmaliger Untersuchung noch nicht ausreichend sicher festgestellt werden, ob eine akute Infektion vorliegt. Sollte im Rahmen einer Untersuchungsserie bei einer Person eine Serokonversion festgestellt werden (Abstand der beiden Tests maximal 30 Tage), kann dies auf eine akute Infektion hinweisen. Der Nachweis von IgM-Antikörpern und der Nachweis von IgG-Antikörpern in getrennten Tests, kann ebenfalls bei entsprechender Beurteilung durch das Labor unter Berücksichtigung der verwendeten Tests, ein Hinweis auf eine akute Infektion sein. Der einmalige Nachweis von IgM lässt nicht sicher auf eine akute Infektion schließen. Die Bewertung, ob der Nachweis auf eine akute Infektion hinweist, muss unter Berücksichtigung der Eigenschaften der jeweils verwendeten Tests, ggf. durchgeführten Voruntersuchungen und anamnestischen Angaben durch das diagnostizierende Labor im Rahmen des laborärztlichen Befundes erfolgen (siehe auch „Wie wird eine Infektion mit SARS-CoV-2 labordiagnostisch nachgewiesen, welche Test gibt es?“).
Die Meldepflicht ermöglicht dem Gesundheitsamt die erforderlichen Infektionsschutzmaßnahmen zu treffen. Die Daten werden am Gesundheitsamt validiert und an die zuständigen Landesbehörden und von dort ans RKI übermittelt (siehe „Wie funktioniert der Meldeweg und welche Informationen zu den Erkrankten werden ans RKI übermittelt?“).
Wie funktioniert der Meldeweg und welche Informationen zu den Erkrankten werden ans RKI übermittelt?
Die Ärztin oder der Arzt, der bei einem Patienten den Verdacht auf COVID-19 stellt, muss dies dem Gesundheitsamt gemäß Infektionsschutzgesetz (IfSG) melden (siehe dazu die „Empfehlungen zur Meldung von Verdachtsfällen von COVID-19“). Auch das Labor, das das neuartige Coronavirus bei einem Menschen nachweist, muss dies dem Gesundheitsamt melden.
Die Meldung muss unverzüglich erfolgen und dem Gesundheitsamt spätestens innerhalb von 24 Stunden vorliegen. Dabei müssen auch Name, Adresse und Kontaktdaten der betroffenen Person dem Gesundheitsamt gemeldet werden, damit das Gesundheitsamt die Person kontaktieren kann und die notwendigen Maßnahmen (z.B. Isolierung der betroffenen Person, Ermittlung von Kontaktpersonen) einleiten kann. Der Meldeweg vom Arzt oder Labor zum Gesundheitsamt läuft derzeit noch routinemäßig per Fax, selten per Telefon oder E-Mail. Dabei nutzen die Labore in der Regel automatisiert aus der Meldesoftware heraus erstellte Faxe. Seit Mitte Juni 2020 haben Labore die Möglichkeit, Erregernachweise von SARS-CoV-2 elektronisch an das zuständige Gesundheitsamt zu melden (erste Ausbaustufe des Deutschen Elektronischen Melde- und Informationssystems für den Infektionsschutz DEMIS). Für Labore muss die Meldung von SARS-CoV-2-Erregernachweisen ab dem 01.01.2021 verpflichtend über DEMIS erfolgen.
COVID-19-Fälle, die die Falldefinition des RKI erfüllen, müssen vom zuständigen Gesundheitsamt spätestens am nächsten Arbeitstag elektronisch an die zuständige Landesbehörde und von dort spätestens am nächsten Arbeitstag an das RKI übermittelt werden, allerdings ohne Name, Wohnort und Kontaktdaten der Betroffenen. In der aktuellen Lage übermitteln die meisten Gesundheitsämter früher und häufiger als gesetzlich vorgesehen, meist täglich und auch am Wochenende. Allerdings kann es bei der Übermittlung der Fälle auch zu einem Melde- und Übermittlungsverzug von einigen Tagen kommen. Siehe dazu auch „Warum sind die Fallzahlen am Wochenende geringer als an Arbeitstagen?“ und „Wie entsteht die Diskrepanz zwischen Inzidenzen der Landkreise den Angaben des RKI-Dashboards?“.
Dabei können – sofern sie dem Gesundheitsamt vorliegen – auch zusätzliche Informationen übermittelt werden, z.B. Erkrankungsbeginn, wahrscheinlicher Infektionsort, Symptome und ob der/die Betroffene ins Krankenhaus oder auf eine Intensivstation eingewiesen worden ist. Die Daten werden vom RKI ausgewertet und dargestellt (siehe Dashboard und Situationsberichte). In vielen Fällen sind diese Informationen aber nicht vollständig, weil sie zum Zeitpunkt der Meldung noch nicht vorliegen und von den Gesundheitsämtern erst ermittelt werden müssen. Bei COVID-19 kann es vorkommen, dass zunächst mild erkrankte Personen erst einige Tage später schwer erkranken und im Krankenhaus behandelt werden müssen, diese Information zum Verlauf aber den Gesundheitsämtern nicht immer vorliegt. Siehe auch „Wie erfassen Gesundheitsämter Fälle, Ausbrüche und Infektionsumstände?“ und „Wie werden Todesfälle erfasst?“.
Wie entsteht die Diskrepanz zwischen Inzidenzen der Landkreise und den Angaben des RKI-Dashboards?
Generell gilt: Die Behörden im Land- oder Stadtkreis verfügen immer über die aktuellsten Zahlen. Diese sind mit ausschlaggebend für die Bewertung der Situation vor Ort. Die örtlichen Behörden entscheiden auch darüber, welche Maßnahmen ergriffen werden.
Das RKI-Dashboard bietet eine Übersicht über die COVID-19-Fälle in Deutschland nach Bundesland zur Verfügung. Die Zahlen, die für einen Landkreis im Dashboard aktuell angezeigt werden, können jedoch von den Zahlen, die die lokalen Behörden für den Landkreis aktuell kommunizieren, abweichen.
Diskrepanzen zwischen den berichteten Inzidenzen der Landkreise und den Daten des Dashboards können verschiedene Ursachen haben. Beispielsweise können sie durch den Übermittlungsverzug bedingt sein (z.B. wenn das Gesundheitsamt bereits Fälle an die zuständige Landesbehörde übermittelt hat, diese aber noch nicht vom Land an das RKI übermittelt worden sind, siehe „Wie funktioniert der Meldeweg und welche Informationen zu den Erkrankten werden ans RKI übermittelt?“). In anderen Fällen kann das auch an einem anderen Datenstand liegen (das RKI verwendet den Datenstand jeweils 0 Uhr, möglicherweise nutzen die Landebehörden/Gesundheitsämter einen anderen zeitlichen Rahmen).
Die 7-Tage-Inzidenz basiert auf dem Meldedatum der Fälle, das ist der Zeitpunkt, an dem der Fall dem Gesundheitsamt bekannt wird. Durch den Übermittlungsverzug kann es zu einer Unterschätzung der 7-Tage-Inzidenz kommen, insbesondere bei dynamischen Entwicklungen, da noch nicht alle Daten vollständig vorliegen.
Im Rahmen der COVID-19-Pandemie werden die Daten aufgrund des großen Informationsbedürfnisses tagesaktuell veröffentlicht. Die Daten werden automatisiert und elektronisch übermittelt. Die anschließende Qualitätskontrolle kann dazu führen, dass Datensätze im Verlauf ergänzt oder korrigiert werden. Es kann zum Beispiel sein, dass dadurch Fälle und Todesfälle wieder aus der Berichterstattung fallen und so auch negative Differenzen zum Vortag entstehen. Die Korrektur der Daten erfolgt immer auf Ebene des Gesundheitsamtes.
Warum sind die Fallzahlen am/nach dem Wochenende geringer als an Arbeitstagen?
In der Regel werden an Samstagen und Sonntagen weniger COVID-19-Fälle an das RKI übermittelt als an anderen Tagen. Das führt dazu, dass an Sonntagen und Montagen meist deutlich geringere Fallzahlen vom RKI berichtet werden als an anderen Wochentagen.
Dies hat mehrere Gründe: Zum einen suchen am Wochenende meist weniger Personen einen Arzt auf, dadurch werden weniger Proben genommen und weniger Laboruntersuchungen durchgeführt. Dies führt dazu, dass weniger Erregernachweise an die zuständigen Gesundheitsämter gemeldet werden. Zum anderen kann es sein, dass am Wochenende nicht alle Gesundheitsämter und zuständigen Landesbehörden an das RKI übermitteln. Gemäß IfSG ist sollte die Übermittlung, sobald die Falldefinitionen des RKI erfüllt sind, spätestens am folgenden Arbeitstag erfolgen. In der aktuellen Lage übermitteln jedoch die meisten Gesundheitsämter früher und häufiger als gesetzlich vorgesehen, meist täglich, auch am Wochenende.
Wie erfassen Gesundheitsämter Fälle, Ausbrüche und Infektionsumstände?
Gesundheitsämter ermitteln nicht nur im Rahmen der Umgebungsuntersuchung Kontaktpersonen, die sich bei dem Fall angesteckt haben könnten, sondern erheben auch, wo sich ein Fall selbst angesteckt haben könnte (Quellensuche). Die betroffenen Personen werden hierfür vom Gesundheitsamt eingehend befragt, ob sie innerhalb der 14 Tage vor ihrem Symptombeginn Kontakt zu einem bestätigten Fall hatten und wenn ja, ob sich dieser Kontakt im Haushalt, am Arbeitsplatz oder in einer medizinischen Einrichtung zugetragen hat. Diese Informationen lassen sich nicht immer ermitteln, sie liegen nur für einen Teil der Fälle vor.
Das wahrscheinliche Infektionsumfeld wird ebenfalls erhoben und in die Meldesoftware eingegeben. Die Daten und Entwicklungen werden dienstags im Situationsbericht veröffentlicht. Tatsächlich ist es in der Praxis für Gesundheitsämter und Betroffene oft sehr schwer, den exakten Infektionsort zu bestimmen. Die Inkubationszeit ist mit bis zu 14 Tagen sehr variabel und die Symptome beginnen schleichend und sind oft unspezifisch. Übertragungen können auch von Personen ausgehen, die (noch) keine Symptome zeigen. In den 14 Tagen vor Symptombeginn kann sich ein COVID-19 Fall an vielen möglichen Orten und Umständen angesteckt haben. Eine eindeutige Aufklärung der eigenen Infektionsumstände ist daher für sehr viele Einzelfälle nicht möglich. Die Angaben hierzu im Meldewesen sind daher nur mehr oder weniger hohe Wahrscheinlichkeiten, keine Gewissheiten.
Gemäß Infektionsschutzgesetz soll auch übermittelt werden, ob die COVID-19-Fälle in einer für den Infektionsschutz relevanten Einrichtung betreut, untergebracht oder tätig sind. Dabei wird zwischen verschiedenen Arten von Einrichtungen unterschieden (z.B. betreut oder tätig in einer Gemeinschaftseinrichtung, einer medizinischen Einrichtung oder einer Gemeinschaftsunterkunft. Auch diese Daten erscheinen täglich im Situationsbericht. Da Angaben zu Betreuung, Unterbringung und Tätigkeit bei einem Teil der Fälle fehlen, sind die Anteile der Fälle mit einer Betreuung, Unterbringung oder Tätigkeit in den einzelnen Einrichtungen als Mindestangaben zu verstehen. Betreuung oder Tätigkeit in einer Einrichtung ist nicht gleichbedeutend mit einem Infektionsort in derselben. Aus den Angaben zur Einrichtung kann also nicht direkt auf den Infektionsort geschlossen werden – die Angaben sollen vielmehr das Gesundheitsamt frühzeitig in die Lage zu versetzen, nach Auftreten des Falls in diesen Einrichtungen Infektionsschutzmaßnahmen zu treffen und z.B. durch Betretungs- oder Tätigkeitsverbote oder auch Schließungen die weitere Verbreitung des Erregers zu verhindern.
Da eine eindeutige Aufklärung der eigenen Infektionsumstände für sehr viele Einzelfälle nicht möglich ist, ist die Aufarbeitung von COVID-19-Ausbruchsgeschehen umso wichtiger. Die Gesundheitsämter ermitteln im Umfeld von Fällen, ob weitere Fälle auftreten. Solche Ausbruchsgesehen werden den Landesbehörden und dem RKI ebenfalls übermittelt. Die bisherigen Daten zeigen, dass Ausbrüche in vielfältigen Settings in Deutschland stattfinden und dass daher ein breiter Präventionsansatz mit Beachtung der AHA+L-Regeln (Abstand, Hygiene, Alltagsmasken und Lüften) in allen Lebenswelten essenziell ist, um COVID-19-Ausbrüche zu verhindern. Auswertung von Ausbrüchen sind im Epidemiologischen Bulletin 38/2020 abrufbar und werden seit dem 20.10.2020 jeden Dienstag im Situationsbericht veröffentlicht. Die Daten sind auf der Webseite verfügbar: www.rki.de/covid-19-ausbruchsdaten.
Für die zielgerichtete Prävention von COVID-19-Infektionen und -Ausbrüchen ist es wichtig zu wissen, unter welchen Bedingungen sich Infektionsübertragungen besonders leicht ereignen und Ausbrüche entstehen.
Die Ausweisung von Ausbrüchen dient in erster Linie der Erleichterung der Arbeit im Gesundheitsamt und besseren Zusammenarbeit zwischen beteiligten Gesundheitsämtern. Wie Ausbrüche in den Gesundheitsämtern als solche gekennzeichnet werden, ist sehr unterschiedlich und hängt von den Gegebenheiten vor Ort sowie der Charakteristika der Ausbrüche ab. Manchmal kann es sinnvoll sein, einen größeren Ausbruch in mehrere kleinere Cluster zu unterteilen, sodass die absolute Anzahl der übermittelten Ausbrüche nicht immer aussagekräftig ist.
Auch bei Ausbruchsgeschehen wird erfasst, in welchem Infektionsumfeld sie sich ereignen. Dabei kann zwischen Wohnstätten, Übernachtungen, Arbeitsplatz, Ausbildungsstätten, medizinischen Behandlungseinrichtungen, Betreuungseinrichtungen, Freizeit, Speisestätten, Verkehrsmitteln, und sonstigen unterschieden werden. Es sind jeweils weitere Unterteilungen möglich. Allerdings sind auch diese Angaben mit Vorsicht zu interpretieren: Die Zuordnung ist nicht immer eindeutig. Trotz der Vielzahl der Auswahlmöglichkeiten werden nicht alle Settings abgedeckt, in denen es zu Ausbrüchen kommt. Die Gesundheitsämter hatten zudem während der Krisensituation der ersten Welle aufgrund des hohen Aufkommens von Fällen häufig nicht die Kapazität, detaillierte Informationen zu Ausbrüchen zu erheben und zu übermitteln. Im Mittelpunkt stand zu dieser Zeit die Übermittlung der Fälle.
Viele Erkenntnisse zu besonderen Übertragungsrisiken werden nicht direkt aus dem Meldewesen- Surveillancedaten gewonnen, sondern aus der aktiven Beteiligung des RKI an Ausbruchsuntersuchungen, beispielsweise in Tischenreuth.
An einzelnen Ausbruchsgeschehen können Übertragungswege manchmal im Rahmen von Studien genauer nachvollzogen werden
Für weitere Informationen siehe auch „Wie funktioniert der Meldeweg und welche Informationen zu den Erkrankten werden an das RKI übermittelt?“.
Wie werden Todesfälle erfasst?
In die Statistik des RKI gehen die COVID-19-Todesfälle ein, bei denen ein laborbestätigter Nachweis von SARS-CoV-2 (direkter Erregernachweis) vorliegt und die in Bezug auf diese Infektion verstorben sind. Das Risiko an COVID-19 zu versterben ist bei Personen, bei denen bestimmte Vorerkrankungen bestehen, höher. Daher ist es in der Praxis häufig schwierig zu entscheiden, inwieweit die SARS-CoV-2 Infektion direkt zum Tode beigetragen hat. Sowohl Menschen, die unmittelbar an der Erkrankung verstorben sind („gestorben an“), als auch Personen mit Vorerkrankungen, die mit SARS-CoV-2 infiziert waren und bei denen sich nicht abschließend nachweisen lässt, was die Todesursache war („gestorben mit“) werden derzeit erfasst. Generell liegt es immer im Ermessen des Gesundheitsamtes, ob ein Fall als verstorben an bzw.mit COVID-19 ans RKI übermittelt wird oder nicht. Bei einem Großteil der an das RKI übermittelten COVID-19-Todesfälle wird „verstorben an der gemeldeten Krankheit“ angegeben.
Verstorbene, die zu Lebzeiten nicht auf COVID-19 getestet wurden, aber in Verdacht stehen, an COVID-19 verstorben zu sein, können post mortem auf das Virus untersucht werden.
Darüber hinaus wird in fast allen Bundesländern der vertrauliche Teil der Todesbescheinigung an das Gesundheitsamt gesendet. Dort kann ein Abgleich mit den Meldedaten erfolgen, wenn auf der Todesbescheinigung als Todesursache eine Infektionskrankheit angegeben ist (siehe auch „Was ist beim Umgang mit an COVID-19-Verstorbenen zu beachten?„).
Weiß man, wie viele COVID-19-Patienten im Krankenhaus und auf Intensivstationen behandelt werden und wie viele die akute Infektion überstanden haben?
Wie viele COVID-19-Fälle aktuell im Krankenhaus behandelt werden, kann über die Meldedaten erfasst werden und wird jeden Dienstag im Situationsbericht veröffentlicht. Allerdings liegen die Daten aktuell nicht immer vollständig vor (siehe „Wie funktioniert der Meldeweg, was ist alles meldepflichtig und welche Informationen zu den Erkrankten werden ans RKI übermittelt?“ und Situationsbericht jeden Dienstag).
Im DIVI-Intensivregister von RKI und DIVI werden u.a. intensivmedizinisch behandelte COVID-19-Patienten erfasst: Das Register stellt tagesaktuell dar, wie viele Patienten sich deutschlandweit in intensivmedizinischer Behandlung befinden, wie viele davon beatmet werden, bei wie vielen die Behandlung abgeschlossen wurde und wie viele Patienten gestorben sind. Die Zahlen werden im täglichen Situationsbericht zusammengefasst. Ausführliche Tagesreports, Karten, Ländertabellen und Zeitreihen sind unter www.intensivregister.de abrufbar.
Informationen zu Krankenhausaufenthalten können aber auch über andere Surveillancesysteme des RKI erfasst werden, z.B. durch die Krankenhaussurveillance schwerer akuter respiratorischer Infektionen (ICOSARI). Seit 2015 werden am RKI – zur Bewertung der Grippewelle und anderer schwer verlaufender akuter Atemwegserkrankungen – zusätzlich Informationen aus inzwischen rund 70 Sentinelkrankenhäusern ausgewertet und in den Influenza-Wochenberichten veröffentlicht. Genutzt werden dabei insbesondere Entlassungsdiagnosen von Patienten mit Grippe, Lungenentzündungen und anderen akuten Infektionen der unteren Atemwege. Ein ICOSARI-Kurzbericht ist jeden Donnerstag im Situationsbericht zu finden.
Daten darüber, ob ein Patient die akute Infektion überstanden hat, werden nicht offiziell erhoben. Die Erhebung ist auch nicht gesetzlich vorgesehen. Das RKI schätzt die Zahl dieser Genesenen und stellt sie täglich auf dem RKI-Dashboard (https://corona.rki.de) und im Situationsbericht zur Verfügung. Berücksichtigt werden die Angaben, ob ein COVID-19-Fall verstorben ist und ob Angaben zur Hospitalisierung vorliegen. In Abhängigkeit von Erkrankungsbeginn bzw. Meldedatum feste Zeitintervalle addiert, wobei angenommen wird, dass der Großteil der Personen in diesem Zeitraum bereits wieder genesen ist. Der Algorithmus zur Schätzung der Genesenen berücksichtigt jedoch nicht, ob ggf. Spätfolgen der Erkrankung vorliegen, weil diese Daten nicht regulär im Meldesystem erfasst werden.
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