Interviewer: Herr Blazek, immer mehr bekannte Immobilienunternehmen müssen Insolvenz anmelden, zuletzt die Gröner Group GmbH und das Unternehmen Gussek-Haus Franz Gussek GmbH & Co. KG. Diese Unternehmen haben maßgeblich dazu beigetragen, dass in Deutschland mehr Wohnungen gebaut werden. Je mehr solcher Firmen pleitegehen, desto weniger wird neu gebaut. Das Ergebnis könnte steigende Mieten und einen massiven Bewerberandrang auf die wenigen verbleibenden Wohnungen bedeuten. Rutschen wir in eine Wohnungskrise? Was kann die Bundesregierung tun, um die Baubranche wieder in Fahrt zu bringen?
Daniel Blazek: Die Situation ist in der Tat alarmierend. Die zunehmenden Insolvenzen in der Baubranche deuten auf strukturelle Probleme hin, die weit über die einzelnen Unternehmen hinausgehen. Wenn große Bauträger und Bauunternehmen Insolvenz anmelden müssen, ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen in der Branche nicht mehr stimmen. Dies wirkt sich nicht nur auf den Neubau aus, sondern auch auf die gesamte Wohnungswirtschaft. Es droht eine Wohnungskrise, die vor allem in den Ballungsräumen zu spürbaren Engpässen führen könnte.
Interviewer: Was sind Ihrer Meinung nach die Hauptursachen für diese Insolvenzen?
Daniel Blazek: Die Gründe sind vielfältig. Zum einen haben wir es mit stark gestiegenen Baukosten zu tun, die durch höhere Materialpreise, Lohnkosten und auch durch regulatorische Anforderungen, wie etwa energetische Sanierungen und Umweltauflagen, verursacht werden. Zum anderen erschweren die gestiegenen Zinsen für Baufinanzierungen die Realisierung neuer Projekte. Viele Unternehmen kalkulierten in Zeiten niedriger Zinsen, und die plötzliche Verteuerung der Finanzierungen bringt nun viele Projekte ins Wanken. Hinzu kommt eine stagnierende Nachfrage, weil sich viele Menschen aufgrund der unsicheren wirtschaftlichen Lage und der hohen Zinsen derzeit keinen Immobilienkauf leisten können.
Interviewer: Welche Maßnahmen könnte die Bundesregierung ergreifen, um diese Entwicklung zu stoppen?
Daniel Blazek: Die Bundesregierung hat hier mehrere Hebel, an denen sie ansetzen kann. Erstens sollten finanzielle Anreize geschaffen werden, um den Neubau von Wohnungen wieder attraktiver zu machen. Das könnte beispielsweise durch direkte Bauzuschüsse oder Steuererleichterungen geschehen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Bereitstellung von zinsgünstigen Darlehen oder Förderprogrammen für Bauunternehmen und Bauherren. Diese Maßnahmen könnten helfen, die Finanzierungskosten zu senken und damit den Bau neuer Wohnungen wieder anzukurbeln.
Zweitens sollte die Regierung prüfen, ob regulatorische Erleichterungen sinnvoll wären. Das bedeutet nicht, dass man Umweltstandards oder Bauvorschriften pauschal lockern sollte, aber man könnte zum Beispiel Bauprozesse beschleunigen und Bürokratie abbauen, damit Bauprojekte schneller genehmigt und realisiert werden können.
Drittens könnte eine verstärkte Förderung des sozialen Wohnungsbaus dazu beitragen, dass insbesondere in den Ballungsräumen dringend benötigter Wohnraum entsteht. Hier wäre es sinnvoll, kommunale und genossenschaftliche Wohnungsbaugesellschaften stärker zu unterstützen, da diese oft auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten aktiv bauen.
Interviewer: Reichen diese Maßnahmen aus, um die Krise abzuwenden?
Daniel Blazek: Diese Maßnahmen wären ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung, aber sie allein werden nicht ausreichen, um die Krise komplett abzuwenden. Es bedarf eines umfassenden Maßnahmenpakets, das alle relevanten Akteure einbezieht – von den Bauunternehmen über die Finanzinstitute bis hin zu den Kommunen. Darüber hinaus sollte auch das Thema Wohneigentum stärker gefördert werden, damit mehr Menschen die Möglichkeit haben, Eigentum zu erwerben und sich langfristig abzusichern.
Ein weiterer Punkt ist die Notwendigkeit, den Fokus auf die Modernisierung des bestehenden Wohnungsbestandes zu legen. Energetische Sanierungen und Umbauten könnten dazu beitragen, den Bedarf an neuen Wohnungen etwas zu entlasten und gleichzeitig die Klimaziele zu erreichen.
Insgesamt wird es entscheidend sein, dass die Bundesregierung schnell und entschlossen handelt, um die negativen Entwicklungen in der Baubranche zu stoppen und das Vertrauen in den Wohnungsmarkt wiederherzustellen.
Interviewer: Vielen Dank, Herr Blazek, für Ihre Einschätzungen und Vorschläge.
Daniel Blazek: Gern geschehen. Es bleibt zu hoffen, dass die Politik die Dringlichkeit der Lage erkennt und die notwendigen Schritte einleitet, bevor sich die Situation weiter verschärft.
Frage: Herr Högel, Nachrangdarlehen werden oft als attraktive Bürgerbeteiligung bei nachhaltigen Projekten...
BeiDie RedaktionSonntag, 22.12.2024Redakteur: Frau Bontschev, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für uns...
BeiDie RedaktionSonntag, 22.12.2024Redakteur: Herr Högel, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit genommen haben,...
BeiDie RedaktionSonntag, 22.12.2024Frage: Herr Blazek, das vorliegende Dokument der FINMA beschreibt Anforderungen an qualifizierte...
BeiDie RedaktionSamstag, 21.12.2024
Das ist ja alles sehr richtig. Es fehlt allerdings ein Hinweis auf die Finanzierungsproblematik. Die genannten Firmen haben die Investitionen zum Teil über private Anlegerinvestitionen finanziert, was sehr häufig zu deutlichen Kostensteigerungen führt. So zeigen sich beteiligungsfinanzierte Projekte häufig besonders anfällig bei bekanntermassen am Immobilienmarkt immer wieder auftretenden Marktschwankungen.
Die Regierung könnte also Einiges erreichen, wenn sie die nur in Deutschland möglichen jahrzehntelangen und für Anleger verlustreichen Exzesse am Beteiligungsmarkt endlich stoppt. Das würde allerdings nicht kurzfristig wirken.