Die deutsche Wirtschaft wird laut der aktuellen Herbstprognose der EU-Kommission auch weiterhin hinter den anderen Ländern des Euroraums zurückbleiben. Während die europäische Konjunktur insgesamt auf vorsichtige Erholungskurse geht, rechnet Brüssel für Deutschland mit einem wirtschaftlichen Rückgang von 0,1 Prozent beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) im laufenden Jahr. Im Gegensatz dazu soll der Euroraum insgesamt um 0,8 Prozent wachsen.
Für das kommende Jahr sieht die Prognose zwar eine leichte Erholung, doch die Unterschiede bleiben: Für Deutschland wird ein bescheidenes Wachstum von 0,7 Prozent erwartet, während die Wirtschaft im Euroraum voraussichtlich um 1,3 Prozent zulegen wird. Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni betonte bei der Vorstellung der Zahlen, dass die europäische Wirtschaft insgesamt langsam in die Spur finde, allerdings bleibe Deutschland ein Sorgenkind.
Inflation und Investitionen als Motor der Erholung
Gentiloni hob hervor, dass die abflauende Inflation, eine niedrige Arbeitslosenquote sowie das Anziehen von Privatkonsum und Investitionen die europäische Wirtschaft stützen. „Die Inflation sinkt, und das gibt sowohl Verbrauchern als auch Unternehmen wieder mehr Spielraum“, erklärte der Wirtschaftskommissar. Besonders der Rückgang der Energiepreise und eine spürbare Beruhigung der Lieferkettenprobleme trügen dazu bei, dass in vielen Ländern wieder Investitionen getätigt und Konsumausgaben hochgefahren werden.
Doch bei Deutschlands Wirtschaftsmotoren hakt es weiter: Die Industrieproduktion ist noch nicht auf das Niveau zurückgekehrt, das vor der Pandemie erreicht wurde. Hohe Energiepreise, Fachkräftemangel und eine schwache Binnennachfrage bremsen die Entwicklung. Während andere Länder ihre Wirtschaft in den vergangenen Monaten durch gezielte staatliche Investitionen angekurbelt haben, bleibt Deutschland zurückhaltend, was Gentiloni indirekt kritisierte: „Deutschland muss mehr tun, um seine Wirtschaft widerstandsfähiger zu machen.“
Der Euroraum als Hoffnungsträger – mit Vorsicht
Trotz der positiven Impulse warnt die EU-Kommission vor übermäßigem Optimismus. Gentiloni sprach von einer „fragilen Erholung“, die durch globale Risiken wie den Krieg in der Ukraine, geopolitische Spannungen und anhaltende Unsicherheiten auf den Weltmärkten gefährdet sei. Vor allem Länder, die stark vom Export abhängig sind – darunter Deutschland –, könnten stärker unter möglichen wirtschaftlichen Rückschlägen leiden.
Interessanterweise scheinen südliche Mitgliedstaaten wie Spanien und Portugal aktuell eine deutlich dynamischere Entwicklung zu zeigen, was zum Teil auf die hohe Nachfrage im Tourismus und eine beschleunigte Digitalisierung zurückzuführen ist.
Was Deutschland tun muss
Die Experten in Brüssel empfehlen Deutschland, vor allem die grüne Transformation und die Digitalisierung weiter voranzutreiben. „Investitionen in Zukunftstechnologien und eine Modernisierung der Infrastruktur sind entscheidend“, so Gentiloni. Ebenso sei eine Entlastung des Mittelstands sowie eine Steuer- und Arbeitsmarktreform erforderlich, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben.
Fazit: Deutschland unter Zugzwang
Die Zahlen der EU-Kommission machen deutlich: Während die europäische Wirtschaft insgesamt vorsichtig optimistisch in die Zukunft blickt, bleibt Deutschland auf der Sorgenliste. Die größten Volkswirtschaft Europas muss sich intensiver darum bemühen, die konjunkturelle Lücke zu schließen und wieder zum Wachstumstreiber im Euroraum zu werden. Die Prognosen mahnen zu mehr wirtschaftspolitischem Handeln, denn die Konkurrenz schläft nicht – und Deutschland droht, weiter ins Hintertreffen zu geraten.
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