Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht
Beschluss
In Sachen
Kerstin Teubner, Eisenacherstraße 20, 96486 Lautertal
– Musterklägerin – |
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Einhornstraße 21, 72138 Kirchentellinsfurt, Gz.: 10009/18 KU/KU
gegen
1) |
NORTRUST Goessler & Hacker GmbH Steuerberatungsgesellschaft, vertreten durch d. Geschäftsführer, Stadthausbrücke 8, 20355 Hamburg |
– Musterbeklagte – |
2) |
KSH Fund Verwaltungsgesellschaft mbH, vertreten durch d. Geschäftsführer, Große Bleichen 35, 20354 Hamburg |
– Musterbeklagte – |
3) |
KSH Capital Partners AG, vertreten durch d. Vorstand, Yorckstraße 10, 24105 Kiel |
– Musterbeklagte – |
Prozessbevollmächtigte zu 1:
Rechtsanwälte Heuking Kühn Lüer Wojtek – Partnerschaft mbB von Rechtsanwälten und Steuerberatern, Magnusstraße 13, 50672 Köln, Gz.: 51588-19/5159/5cre
Prozessbevollmächtigte zu 2 und 3:
Rechtsanwälte Weisner Partner mbB Rechtsanwälte, Große Bleichen 34, 20354 Hamburg, Gz.: 20/062 DH
hat der 5. Zivilsenat des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Hilgenhövel, die Richterin am Oberlandesgericht Dr. Gärtner und die Richterin am Oberlandesgericht Kruse am 22. Juli 2021 beschlossen:
Der Antrag der Musterklägerin vom 16. November 2020, das Musterverfahren um die in dem Antrag genannten Feststellungsziele zu erweitern, wird abgelehnt. |
Gründe
I.
Die Musterklägerin hat mit Schriftsatz vom 16. November 2020 (Blatt 138 der Akte) beantragt, das Musterverfahren um folgende Feststellungsziele zu erweitern:
3. Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt über eine Beteiligung an der KSH Energy Fund II GmbH & Co. KG (KSH II) in der Fassung vom 16.12.2008 (nachfolgend „Verkaufsprospekt KSH II“) in wesentlichen Angaben unrichtig, irreführend und unvollständig ist, da |
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a) der Verkaufsprospekt nicht darüber aufklärt, dass für die Anwendung des Progressionsvorbehalts eine Einkunftserzielungsabsicht erforderlich ist, die auch hinsichtlich einer beabsichtigten Verlustverrechnung mit anderen Einkünften aus derselben Einkunftsart und demselben Land erforderlich ist; |
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b) der Verkaufsprospekt nicht darüber aufklärt, dass bei einer Fremdfinanzierung der Beteiligung des Anlegers und für den Fall der vorzeitigen Anteilsübertragung im Wege der Schenkung bzw. Veräußerung das Risiko besteht, dass das Vorliegen der Einkunftserzielungsabsicht infrage gestellt werden könnte; |
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c) der Verkaufsprospekt nicht über das Risiko aufklärt, dass die laufenden Einkünfte in Deutschland voll steuerpflichtig wären und den Anlegern selbst dann zugerechnet werden würden, wenn keine Ausschüttungen erfolgten; |
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d) der Verkaufsprospekt nicht darüber aufklärt, dass die Steueranrechnung auf den Betrag der (deutschen) Einkommensteuer begrenzt ist, die auf US-Einkünfte entfällt, so dass es in jedem Fall bei der von einem der beiden Staaten (Deutschland und USA) festgesetzten höheren Steuerbelastung des Anlegers verbleibt. |
II.
Die Erweiterungsanträge der Musterklägerin waren nicht zuzulassen.
Nach § 15 Abs. 1 KapMuG erweitert das Oberlandesgericht auf Antrag eines Beteiligten das Musterverfahren um weitere Feststellungsziele, wenn die Entscheidung des zugrunde liegenden Rechtsstreits von den weiteren Feststellungszielen abhängt, die Feststellungsziele den gleichen Lebenssachverhalt betreffen, der dem Vorlagebeschluss zugrunde liegt, und das Oberlandesgericht die Erweiterung für sachdienlich erachtet.
Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht erfüllt. Die Entscheidung des zugrunde liegenden Rechtsstreits hängt nicht von den weiteren Feststellungszielen ab. Der Entscheidungserheblichkeit steht der Vorrang der spezialgesetzlichen Prospekthaftung entgegen (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2018 – XI ZB 3/16, Rn. 57 zu § 127 InvG aF; Beschluss vom 19. Januar 2021 – XI ZB 35/18, Rn. 26). Ansprüche aus spezialgesetzlicher Prospekthaftung sind nach § 46 BörsG verjährt.
Neben der spezialgesetzlichen Prospekthaftung aus § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF ist eine Haftung der Musterbeklagten unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung aufgrund der Verwendung des unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung ausgeschlossen (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – XI ZB 35/18, Rn. 26). Die Veranlasserhaftung nach § 13 VerkProspG, § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF erfasst den Gründungsgesellschafter als Veranlasser und als künftigen Vertragspartner des Gesellschaftsvertrags der Anlagegesellschaft (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – XI ZB 35/18, Rn. 26). Die Haftung nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF verwirklicht in der Person des Gründungsgesellschafters stets auch die Voraussetzungen des Verschuldens bei Vertragsschluss mittels Verwendens eines fehlerhaften Verkaufsprospekts (§ 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB). Wollte man diese allgemeinen Haftungsgrundsätze neben § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF ohne jede Einschränkung zur Anwendung bringen, liefe die gesetzgeberische Entscheidung, dem Gründungsgesellschafter als Veranlasser im Sinne des § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BörsG aF die Möglichkeit zu eröffnen, sich mit dem Nachweis einfach fahrlässiger Unkenntnis der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Verkaufsprospekts zu entlasten (§ 45 Abs. 1 BörsG aF), und eine Sonderverjährungsfrist (§ 46 BörsG aF) anzuordnen, vollständig leer (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – XI ZB 35/18, Rn. 26). Eine Haftung des Gründungsgesellschafters nach § 280 Abs. 1 BGB i.V.m. § 311 Abs. 2 BGB kommt daher nur bei Sachverhaltskonstellationen in Betracht, die von der Regelung der § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF nicht erfasst sind (BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – XI ZB 35/18, Rn. 26). Hierunter fallen unrichtige mündliche Zusicherungen oder irreführende Vertragsgestaltungen (BGH, Beschluss vom 23. Oktober 2018 – XI ZB 3/16, Rn. 57). Um derartige Sachverhaltskonstellationen geht es vorliegend nicht. Es stehen vielmehr ausschließlich Richtigkeit und Vollständigkeit des Prospekts in Rede.
Die Musterbeklagte zu 3 ist Prospektverantwortliche nach § 44 Abs. 1 Nr. 1 BörsG, weil sie als Unterzeichnerin für den Prospekt Verantwortung übernommen hat. Die Musterbeklagten zu 1 und 2 sind nach dem Vorstehenden als Gründungsgesellschafter Prospektverantwortliche nach § 44 Abs. 1 Nr. 2 BörsG.
Ansprüche aus spezialgesetzlicher Prospekthaftung sind nach § 46 BörsG verjährt. Der Prospekt ist am 16. Dezember 2008 aufgestellt und veröffentlicht worden. Der offensichtliche Eintritt der Verjährung steht überdies auch der Sachdienlichkeit der Erweiterung entgegen.
Dr. Hilgenhövel
Vorsitzender Richter |
Dr. Gärtner
Richterin |
Kruse
Richterin |
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