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Schneeballsysteme

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benoithamann (CC0), Pixabay
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Angefangen hat es in den 80’ern mit Kettenbriefen, zum Kopieren und Weiterschicken. Manche enthielten Sinnsprüche, die Weitergabe sollte Glück bringen, die Nichtbeachtung Pech. Andere lockten mit Gewinnen, Anschriften und Kontonummern inklusive. Es folgten Piloten-/ Generalspiele. Von trainierten Einpeitschern eingestimmte Leute zahlten 1.000 DM in das „Gewinnsystem“ ein und wurden enttäuscht. Jump-Gründer (später Titan) Andreas Metzler soll innerhalb von 2 Jahren 60 Mio. DM durch Täuschung naiver Glücksucher verdient haben. 1992 folgte Joachim Appel mit Life und psychologischen Techniken. Ableger hießen Light, Time, Spring, Champ, Step, Cash, Take Off, Sunshine, Logo, Anyway,…

„Unfehlbare Gewinnchancen“ und skandierte Parolen (Wir sind die Erfolgreichen!) trieben die Besucher vom „European Kings Club“ in totale Euphorie. „Es ging um den größten Anlagenbetrug in der Nachkriegsgeschichte. Den Mitgliedern in 40 Ländern hatten Dagmar Bertges und ihre Kumpane rund 2 Milliarden Mark abgeknöpft, bevor das ungesetzliche Strukturspiel 1994 zusammenbrach. Fassungslos nahmen Wirtschaftsfahnder und Staatsanwälte zur Kenntnis, dass über 94.000 Menschen den hohen Rendite-Versprechungen der Täter gefolgt waren.“ (Nordhausen, Billerbeck: Psychosekten, 1997, S. 402) Die „Präsidentin“ ging 1997 wegen Betrugs und Gründung einer kriminellen Vereinigung für acht Jahre ins Gefängnis.

In den Ländern des ehemaligen Ostblocks fanden sich aufgrund der Armut und fehlender Investitionsmöglichkeiten viele Mitspieler. In Rumänien wurde ein Spiel namens Caritas (!) zum Volkssport. 1994 brach es zusammen; ein Volksaufstand drohte. „Das bettelarme Albanien stürzte im Januar 1997 in bürgerkriegsähnliche Zustände, als zwei Kettenspiele zusammenbrachen, in die Hunderttausende von Albanern alles investiert hatten, was sie besaßen. (…) die Volkswirtschaft geriet an den Rand des Ruins; mehrere hundert Millionen Mark waren ins Ausland geschafft worden. Tausende Demonstranten zogen vor die Bankfilialen. Der Regierung warfen sie vor, die Geschäfte zu lange geduldet und davon profitiert zu haben. Aus Demonstrationen wurden Massenproteste, aus Massenprotesten blutige Zusammenstöße mit der Polizei und schließlich ein bewaffneter Aufstand, der zum Sturz der Regierung und zu Neuwahlen führte.“ (Nordhausen, Billerbeck, S. 420)

 

„Die Teilnehmer wirkten wie gehirngewaschen“ – sektiererische Strukturen?

In einer Information des Landeskriminalamtes Berlin (AG Schneeball) werden typische Anzeichen für ein Schneeballsystem aufgezählt:
„Einführung der Veranstaltung durch laute Musik, die Anwesenden stehen auf, springen auf Stühle und Tische, es folgt rhythmisches Klatschen. Es wird ihnen aufgezeigt, welch hohe Summen sie verdienen können. Es werden Ihnen nur positive Dinge erzählt. Kritische Anfragen werden abgewürgt. Durch eine fest einstudierte Inszenierung werden die Menschen euphorisiert und psychisch beeinflusst. Viele Teilnehmer verfügen nicht über den Einstiegsbetrag und werden zur Aufnahme von Krediten überredet. Für viele ist das oftmals der Weg in die totale Abhängigkeit. Lassen Sie sich nicht (für dumm) verkaufen!!“

Da Konditionierung und Indoktrination durch verhaltenspsychologische Methoden sowohl in Schneeballsystemen als auch in diversen „Psychogruppen“ vorkommen, fand sich bald der Begriff „kommerzielle Kulte“ (commercial cults). Die Grenzen sind fließend.
„Die kultähnliche Inszenierung der Werbeveranstaltungen und die überwachende Betreuung des Kunden bis zur Einzahlung der Beteiligung erinnert an die Steuerung und Kontrolle eines Mitglieds in totalitären Gruppen, wie z.B. in der Scientology Organisation…“ heißt es im Endbericht der Enquete-Kommission „Sogenannte Sekten und Psychogruppen“ (1998, S. 204). Und zur Bewertung der Vorgehensweisen: „…ist die Einbindung eines neuen Kunden in die Struktur des Systems mittels eines minutiös festgelegten Drehbuchs unter Ausnutzung individual- und sozialpsychologischer Steuerungs- und Kontrolltechniken in der Regel höchst manipulativ und verstößt auch deshalb gegen die guten Sitten.“ (Endbericht; S. 202)
Nicht zufällig sprechen ähnliche Strukturen ähnliches Klientel an, so dass auch Scientologen versuchten, Geld für die Kurse bei ihrer Organisation zu gewinnen. Weitergehende Verbindungen dieser Systeme zur Scientology Organisation sind uns nicht bekannt.

 

Herzkreis & Co

„Geld ist eine starke Energie, die Dein Leben verändern kann! Bist Du eine aktive, spirituelle Frau, die für ihre priv./berufl. Verwirklichung Geld braucht? Bist Du bereit, Dich in einem privaten Frauenkreis auf das Thema schenken und empfangen einzulassen?! Dann bist Du herzlich willkommen unter Tel. 0251-xxxxxxx“ („na dann…“, Veranstaltungsblatt aus Münster)

Die „Schenkkreise“ der letzten Jahre kommen auch ohne großen Organisationsaufwand und riesige Säle aus. Die Beeinflussung erfolgt nicht nur durch einzelne Leitende, sondern stärker untereinander und geschieht subtiler. Insbesondere in den Herzkreisen mag Frau es etwas privater. Die Treffen finden in feinen Villen mit üppigem Buffet oder einfacher im Wohnzimmer statt: „bitte bring ein Sitzkissen und etwas zu essen mit“ (Aus einer Einladung).

Sie heißen Herzkreis, Herzspirale, Sonnenmänner, Tafelrunde, womens gifting circle, Sternenkreis, … Die Einsätze sind sehr unterschiedlich und reichen von 100 bis 10.000 Euro. 5.000 Euro ist der häufigst genannte „Schenkungsbetrag“. Manche Kreise locken Frauen (z.B. Herzkreise) und Männer (z.B. Tafelrunde) getrennt, andere Kreise sind offener.

Längst nicht nur junge unerfahrene oder weniger gebildete Menschen lassen sich begeistern. Galeristinnen, Journalistinnen, Geschäftsfrauen, Ärztinnen, Künstlerinnen, Krankengymnastinnen und Hausfrauen sind mit dabei, wenn es beim Herzkreis heißt:
„Wir laden Dich durch diesen Kreis ein, gemeinsam mit anderen Frauen die Kraft von gegenseitigem Unterstützen, Geben und Empfangen zu erfahren. Wenn Du Dich offen und mit Deiner ganzen Energie auf dieses Abenteuer einlässt, birgt es für Dich die Möglichkeit, auf geistiger, seelischer und finanzieller Ebene eine neue Ebene von Überfluss und Weite zu erfahren. Wir erleben, dass jede kraftvolle Bereicherung nach innen und außen mit freiem Geben unsererseits beginnt. Das Schenken ist der Sprung in diese neue, weite Dimension.“

Diese Dimension verdient eine nähere Betrachtung. Zum besseren Verständnis wird erst der Verlauf des ebenso vorkommenden, streng exponentiellen 8’er Systems dargestellt. Ein Mensch initiiert ein Pyramidensystem und lässt sich von acht anderen einen Betrag X (z.B. 1.000 Euro) zahlen und besitzt nun 8.000 Euro. Diese acht Geber suchen sich wiederum jeweils acht, also 64 neue Geldgeber und lassen sich mit 8 x 1.000 Euro beschenken. Den Einsatz abgezogen hat jeder 7.000 Euro. Die Tabelle verdeutlicht die weitere Entwicklung:

Mit der 11. Runde müssen aufgrund der mangelnden Erdbevölkerung die Konföderierten aus den Weiten des Alls einsteigen (Dürfen die Klingonen auch ..?). Werden keine Geldgeber gefunden bricht das System zusammen, die Einsätze der letzten Runde sind weg. Selbst die intergalaktische Dimension verändert nicht die 1 zu 8 Quote von Gewinnern zu Verlierern.

Bei den verschiedenen zur Zeit laufenden Systemen sind z.B. die Anzahl der Ebenen, der Geldgeber pro Runde verschieden – Prinzip und Folgen bleiben gleich. Die weitverbreiteten Herzkreise behalten das Gewinn/Verlust-Verhältnis bei, allerdings unter Einschiebung zweier „Warte-Ebenen“, die das System entschleunigen: Erst die 17. Kreisteilung fordert über 1 Mio. neue Mitspieler… Zudem gibt es nun seltener direkte Verbindungen von Angeworbenen als Schenkenden zu Werbenden als Beschenkten. Die Zwischenebenen anonymisieren.

Der Initiatoren-Kreis besteht aus sieben Leuten (die ersten drei Ebenen), die nie einzahlen. Diese suchen acht zahlungswillige Einsteiger (vierte Ebene). Aufgrund dieses anfänglichen Ungleichgewichts liegt die Verliererquote zunächst höher, später stabil bei 87,5%. Die Pyramidenstruktur des Herzkreises in einer Skizze:

Die häufig zu findende Darstellung in Form einer auf dem Kopf stehenden Pyramide soll hierbei „beweisen“, dass dies kein Pyramidenspiel ist (!?!). In der folgenden Darstellung (die zugrundeliegende Struktur ist unverändert) ist ein Gewinnzyklus mitsamt seiner parallelen Kreisentwicklung abgebildet:

Noch einmal zum Mitzählen: Es wird einem vorgegaukelt, es seien lediglich 8 Leute nötig, um zum Gewinn zu kommen, nur 2 müssten selbst geworben werden. Damit die 8 Geldgeber des ersten Kreises (darunter Frau X) von Ebene 4 auf Ebene 1 und damit an das Geld kommen können, sind für inzwischen 8 Kreise aber 112 weitere Mitspieler nötig: 16 Mitspieler auf Ebene 2, 32 auf Ebene 3 und 64 Geldgeber auf Ebene 4! Wer nun zu den 64 Neuen gehört ist sehr früh dabei, da jetzt erst die Gewinner als glückliche Multiplikatoren fungieren. Es braucht es wiederum drei Kreisteilungen und 896 neu zu werbende Geldgeber. 512 von ihnen bezahlen diese 64. Für 512 neue und parallele Kreise sind 7.168 Gutgläubige nötig… Die 17. Kreisteilung fordert 1.048.546 neue Zahlende.
Diese Dynamik erklärt die flächenbrandartige Entwicklung. Wo die lokalen Bekanntenkreise abgebrannt sind, wird teilweise Nachschub aus dem Umland rekrutiert, bis der Funke überspringt. So wurden für Kölner Kreise Teilnehmer teils mit Busfahrten aus Wuppertal herangeholt, bis es dort eigene Zirkel gab. So springen die Kreise über Stadt und Land. Ist man zu spät eingestiegen, ist das Geld weg. 87,5% der Teilnehmenden gehen leer aus – immer!

 

Die Folgen

Ob alle Initiatoren von Schenkkreisen mit krimineller Energie gezielt Ausbeutung betreiben, kann bezweifelt werden. Mit Sicherheit jedoch findet genau dies in vielen Kreisen statt. Auch viele Mitspieler wissen, wann die Chancen für sie selbst noch gut stehen und muten anderen bewusst schlechtere Chancen zu. Nach ihrem eigenen Gewinn sind sie für die von ihnen geworbenen „Freunde“ meist nicht mehr erreichbar. Man kannte nur den Vornamen, die Handy-Nr. ist plötzlich tot. Vielleicht ziehen sie in einer anderen Stadt die gleiche Masche ab.

Herrn Y traf ich zufällig im Vorfeld zweier Veranstaltungen, von denen seine sich als Schenkkreis herausstellte. Während wir warteten, erklärte er mir, er habe es nicht so mit dem esoterischen Getue. Aber das Netzwerk mit der Möglichkeit neuer und interessanter Kontakte interessiere ihn sehr. Im Verlaufe des Gespräches (ich habe vorsichtig auf die mathematische und asoziale Struktur hingewiesen) wurde sein finanzielles Interesse immer deutlicher, bis er zuletzt zugab, dass er finanzielle Probleme habe. Eigene Freunde wolle er keinesfalls anwerben, da ihm klar sei, dass diese vielleicht nicht mehr so gute Chancen hätten wie er. (persönliches Erlebnis)

Schenkkreise sterben schnell. Weiter lebt die Idee vom schnellen, mühelosen Geld. Dafür werden neue Kreise gegründet. Die Ersten ziehen den Gewinn ab. Die Folgenden sind die Dummen. Egal ob mit oder ohne esoterischem Getue, mit oder ohne Unrechtbewusstsein. Doch von der Partystimmung um jede mathematische Einsicht gebracht, haben manche Teilnehmende Kredite aufgenommen. Ist der freundliche Zauber erst verflogen, ist der Frust groß. Das Polizeipräsidium Koblenz verteilt seit November 2003 den Flyer „Schöne Bescherung im Schenkkreis“. Darin wird auch gewarnt:
„Einige dieser Kreise werden zudem begleitet von roher Gewalt. Teilnehmer, die Geld erhalten haben, wurden auch schon Opfer von Raubstraftaten oder körperlicher Gewalt – dabei geht es bis zum Mord.“
Mittlerweile stehen dem Internetbesucher viele Berichte zur Verfügung, werbende und warnende. In vielen Foren (z.B. Lichtpyramide.de) werden vehement Vorteile, Nachteile und Urteile erörtert. Aufklärende Seiten erhalten Zulauf (z.B. daneben.de/ mlm-beobachter.de/..). Werbeseiten werden wieder gelöscht (z.B. schenkkreis.de). Immer wieder berichteten die Medien zum Thema. Viele Anfragen erreichten den Sekten-Info Essen e.V.. Hunderte suchen inzwischen Rat bei Anwälten und versuchen ihr Geld zurück zu bekommen.

 

Wer lässt sich darauf ein?

Die aufgezeigte Struktur ist nicht jedem gleich klar, der von einer tollen Gruppe hört. Der Antrieb für die epidemie-artige Ausbreitung der Systeme ist die Verlockung des plötzlichen Reichtums. Deutlich werden zunächst nur die riesigen Gewinne. Überall dort wo sich neue Kreise ausbreiten, scheint es zunächst nur glückliche Gewinner zu geben, Feiern, liebevolle Unterstützung, fließende Energien. Ein Rausch benebelt die Sinne.

Es gibt Sekt und Kanapees, es wird sich geduzt und Freundschaften angeboten. Gern wird vom „Loslassen“ gesprochen, denn nur wer sein Geld loslassen könne, dem werden Energie, Offenheit, ein „gereiftes ICH“ versprochen. Ein Vortrag klärt Neuzugänge auf; sie werden den Abend über umworben. „Love Bombing“ nennt man die Methode der Euphorisierung im Bereich der sogenannten Sekten und Psychogruppen. Bei den „Beschenkungen“ wird das Geld im Rahmen einer feierlichen Zeremonie in bar überreicht. Das Geld ist mit Schleifchen versehen oder in Herzen verpackt. Mancherorts regnet es Geld über den Gewinnern. Derartige Sinnlichkeit wirkt überzeugend.

Die Illusion wird im Kreis gepflegt. Angeblich oder tatsächlich mitspielende Polizisten, Anwälte, Pastoren, Lehrer und Ärzte scheinen die Unbedenklichkeit zu bestätigen. Angebliche Steuerfreiheit und Schenkungsurkunden behaupten die Legalität; alles in Frage zu stellen erscheint grob und unfreundlich. Das Wunschdenken siegt über den kritischen Verstand. Sehnsüchte werden zu Tatsachen. Manche Teilnehmer wirken wie hypnotisiert. Sparbücher werden geplündert, Kredite aufgenommen, Freunde angepumpt.

Gelegentlich ist von einer sozialen Alternative zum Zins-Geld-System die Rede. Man schenkt sich Bücher wie „Bestellungen beim Universum“, mit der These, alle Wünsche würden durch die Harmonie im Universum in Erfüllung gehen, wenn man sie richtig bestellt (Bestellungen beim Universum; Bärbel Mohr; Omega Verlag, Aachen, 2002).
Unter dem Deckmantel eines sozialen, gar wohltätigen Anspruches warb ein Kreis mit Unterstützung von Unicef. Eine Unterlassungsklage der Hilfsorganisation stoppte die Werbung. Im Bekanntenkreis darf Menschen mit Problemen ebenfalls „geholfen“ werden: „Auch bei Diabetes-Selbsthilfegruppen ist in letzter Zeit verstärkt beobachtet worden, dass für eine Teilnahme in einem Schenkkreis geworben wurde.“ (Diabetes-Journal Heft 2, 2004, S. 47)

 

Die esoterische Theologie der Herzkreise in Zitaten

„Wenn man in die Augen der frisch Beschenkten schaut, die von diesem unglaublichen Erlebnis der Beschenkung erzählen, bekommt man zuweilen den Eindruck, dass das Geld regelrecht angebetet wird und manchen der Herzkreis sogar als Ersatz für eine religiöse Gemeinschaft dient.“ (abgeschreckte Kreisbesucherin)

„Herzkreis: eine neue Art von & für Frauen miteinander zu teilen (…) im Vertrauen zu wachsen und den Reichtum der Seele erblühen zu lassen.“ „Im Kraftfeld des Circles, worin die linear-kausale Struktur unseres „normalen“ Denkens aufgehoben ist, werden Kreativität und Schöpfungskraft erfahrbar und möglich.“ (aus einer Herzkreis-Werbemappe)

„Der durch die Circles ermöglichte Umgang mit Geld macht uns unsere abgespaltenen Anteile nach und nach sichtbar und verständlich. Im geschützten Raum können wir sie aufgeben und transformieren. Der „Geldaspekt“ verliert sein Angstpotential, seine Energie wird gereinigt und verändert, es kann wieder frei fließen und wir fühlen uns erleichtert.“ (s.o.)

„Die Position der Empfängerin erweitert unser Gefühl der Dankbarkeit für die täglichen Geschenke des Lebens und hilft, die Kunst des Empfangens auf tiefer zellulärer Ebene unserer physischen Realität zu verankern; so wird das Feld für das Kollektiv verankert.“ (s.o.)

„Das „Mangeldenken“ hat uns immer noch im Griff. Es durchdringt unsere Kultur mit dem Glauben es sei nicht genug da; nicht genug Geld, Einkommen und Gesundheit (…). Wir wurden gelehrt, dass im Universum alles unendlich reich vorhanden ist, dass Gott für die Vögel und die Lilien auf dem Felde sorgt. Dennoch haben wir im vergangenen Jahrtausend in der westlichen Zivilisation – Armut mit Frömmigkeit und Spiritualität gleichgesetzt.“ (s.o.)

„Die letzte, vielleicht bedeutendste Segnung, die wir durch den Schenkungsprozess erhalten, sind ein überwältigendes Gefühl für das Leben an sich (…). Leben bedeutet loslassen und mit tiefer Dankbarkeit annehmen; Tod bedeutet Zwang der Furcht und Verkrampfung“. (s.o.)

 

Faszination und ihre Gründe

Frau Z, eine aktive Herzkreisteilnehmerin, bat um ein persönliches Gespräch in unserer Beratungsstelle, weil sie sich über die plötzliche Abkehr Angeworbener wunderte, nachdem diese bei uns angerufen und sich informiert hatten. Sie könne die Kritik nicht verstehen und wolle feststellen, ob hier Vorurteile auszuräumen seien. Während des Gespräches wurde die Dame zunehmend nachdenklicher. Doch die Erfahrung der positiven Stimmung des Kreises und der deutliche Wunsch nach unbeschwerter und bereichernder Gemeinschaft ließen ihr keine Möglichkeit, die klaren Folgen zu erkennen. Aber sie stimmte mit mir darin überein, dass diese „Energien“ durch das Geld bestimmt seien.

Frau X fragte in unserer Beratungsstelle um Informationen zum Herzkreis, da sie von einer neuen Bekannten angeworben wurde. Sie hat dann das System sehr wohl durchschaut. Dies führte (während unseres Gespräches) aber nicht zur Abstandnahme von einer Beteiligung. Stattdessen sagte sie: „Jetzt bin ich mal dran. Früher bin ich viel ausgenutzt worden.“ „Ich habe denen gesagt, dass ich niemanden werben werde, da ich doch gerade erst hergezogen bin und niemanden kenne. Ich brauche das Geld.“

„Circle Energie ist eine kraftvolle Transformation für die Frauen darin. Sie ist eine Insel der Freiheit in einer ansonsten patriarchal-hierarchisch strukturierten Global-Gesellschaft, in der immer mehr Macht und Geld in den Händen weniger liegt, in der durch die Herrschaft des Geldes die Ressourcen der Erde, der Natur, des Menschen rücksichtslos ausgebeutet werden, in der unser Denken und Fühlen von den Medien bestimmt werden und uns vom selbstbestimmten, freien Leben entfernt. Unsere Welt braucht eine Infusion weiblicher Weisheit, die Form des Kreises selbst ist eine Verkörperung dieser Weisheit.“ (s.o.)

Hier, wie in den Zitaten kommen Enttäuschung und Sehnsüchte gleichermaßen zum Ausdruck. Der Wunsch nach Freundschaft, Harmonie, Ganzheitlichkeit und Einklang mit sich und der Welt, verbindet sich leicht mit der erfahrenen „Herzenswärme“ im Kreis. Es braucht keinesfalls die Zustimmung zu allen „Glaubens-Sätzen“. Das „Ideal“ kann belächelt werden, doch es wird nicht widersprochen. Die Auswahl findet nach eigenem Bedarf statt.

Auch Seneca wird zitiert: „Nicht weil es schwer ist wagen wir es nicht, sondern weil wir es nicht wagen ist es schwer.“ Der Spruch hilft, das Geld abzugeben. Außerdem wird suggeriert, dass die Zeit der verpassten Chancen nun vorbei sei. Gemeinsam werden jetzt Erfolge produziert. Der Kreis hat das „rettende Rezept“ für die persönlichen Krisen. Das „Feld der Fülle“ meint sehr wohl auch Geldfülle. Diese wird – ohne jegliche Leistung oder Wertschöpfung – als selbstverständlicher und einem zustehenden Teil eines ab sofort erfolgreichen Lebens gedeutet. Geld ist notwendig – viel Geld ist selbstverständlich?

Die Illusion „funktioniert“ kurze Zeit. Aufgrund sich selbst erfüllender Profezeiungen, der Bestätigung von Erwartetem wird die Wahrnehmung fokussiert und manipuliert – durchaus von einem selbst. So kann Kritik völlig abgeblockt werden und kleinste, zufällige Erfolge mutieren zum Systembeweis. Die Selbstbestätigung dient auch der Gruppenanpassung.

Frau Z: „Ich bin insgesamt viel positiver eingestellt. Der Kreis leitet einen Entwicklungsprozess ein, der Früchte trägt. Beruflich habe ich seitdem auch mehr Erfolge.“

 

Ähnlichkeiten mit dem Bereich der sogenannten Sekten und Psychogruppen

„Meine Freundin ist neuerdings sehr verändert. Sie ist total euphorisch.“
„Sie ist überzeugt, dass der Herzkreis funktioniert und lässt keine kritischen Nachfragen zu.“
„Sie scheint kein anderes Thema mehr zu kennen.“
„‚Du sendest schlechte Energien aus, und was schlecht für Dich ist, ist auch schlecht für uns. Es ist besser, Du trittst aus unserem Kreis aus.‘ Ich kam mir vor wie eine Katholikin, die exkommuniziert wird!“.
„Zu keiner der Frauen habe ich mehr Kontakt, die haben mich als geistesgestört beschimpft.“

Die vielen Informationsanfragen zeigen teils identische Beobachtungen von Angehörigen und Freundinnen der Herzkreisteilnehmerinnen. Auch bei den Beratungsgesprächen mit Teilnehmerinnen sind deutlich Parallelen zu erkennen zum Bereich der „neuen religiösen und ideologischen Bewegungen und Psychogruppen“:

  • Es gibt ein „rettendes Rezept“ zur Lösung eigener und fremder Probleme
  • In die geschlossenen Veranstaltungen kommt man nur mit persönlicher Einladung
  • Die Gruppeninszenierung erzeugt eine gemeinsame Illusion
  • Es herrschen unklare Verhältnisse, teils durch Vortäuschung falscher Tatsachen
  • Es entsteht ein psychischer Druck, neue Teilnehmer zu werben
  • Wer aussteigt oder Probleme hat, ist selber schuld
  • Wer die Erwartungen nicht erfüllt, sich nicht konform verhält, erfährt Druck
  • Abkehr von Kritikern und Ehemaligen, Verdrängung von Widersprüchen

 

Auf den Prozess der Herzkreismitgliedschaft bezogen ergeben sich folgende Stadien:

Die Situation vor dem Eintritt

  • Tatsächliche oder vermeintliche materielle Not
  • Sachzwänge, sich eingeengt fühlen, das Gefühl festzustecken
  • Minderwertigkeitsgefühle
  • Leere, Hoffnungslosigkeit, Langeweile

Das Angebot

  • Geld, Schuldenabzahlung, materielle Traumerfüllung
  • persönliches Wachstum, „Fülle“, „Freiheit“
  • Netzwerk gegenseitiger Hilfe, Freundschaft mit erfolgreichen Menschen
  • Verständnis für momentane veränderungsbedürftige Lage

Die Veränderung

  • Das Geld (dessen Abgabe, die „bevorstehende Beschenkung“) wirkt wie ein Katalysator für die Gefühle innerhalb der Gruppe
  • Lenkung der Aufmerksamkeit. Zufällige positive Ereignisse werden nun im Zusammenhang mit dem „Energiefluss“ gesehen
  • Zweifel, Probleme, Ungeduld, Kritik sind zu überwindende „Transformationsprozesse, in denen Wachstum geschieht“
  • entstehender Druck, Abwendung vom kritischen Umfeld, „Missionierung“ anderer

Das Resultat

  • Scham aufgrund der eigenen Verführbarkeit und Leichtgläubigkeit
  • Desillusionierung bezüglich der neuen Freunde, des neuen Lebens
  • Gefühl, betrogen worden zu sein/ Scham, andere (un-) wissentlich betrogen zu haben
  • Evtl. Verlust der angeworbenen alten Freunde als auch der neuen „Freunde“
  • Geldverlust / Schulden

Im seltenen Falle des „Gewinnens“:

  • Vorläufiges Fortbestehen der Illusion/ anwachsendes Unrechtbewusstsein
  • Verlust von angeworbenen alten Freunden, die verloren haben
  • Verlustgefahr (Geld und Freunde) durch weitere Einsätze (gleiche oder höhere)

 

(Selbst-) Betrug und Tatsachenverdrehung

Nicht immer gehen Schenkkreise mit esoterischer Weltsicht einher. Die rein männliche „Tafelrunde“ für Knappen, Ritter, Edelmänner und Könige setzt auf Ritterlichkeit, Ehrlichkeit und Gemeinsamkeit. Stets heißt es, es sei ein „faires“ oder „soziales“ System. Dies „belegt“ auch die Gründungsgeschichte: 15 kanadische Nonnen halfen mit dem ersten Kreis notleidenden Menschen. Andere erzählen vom Selbsthilfekreis jemenitischer Witwen.

Da es oft kritische Anfragen gibt, ob Herzkreise etwas mit (illegalen) Kettenbriefen zu tun haben, gibt es immer „Abgrenzungs-Argumente“, oder eine Gegenüberstellung:
„Beim Lotusblüten-Kreis handelt es sich nicht um einen Kettenbrief. Hier wird niemand zum Mitmachen überredet. Es wird keinerlei Gewinngarantie gegeben.“ „Hallo Ihr lieben Lotusblüten!! (…) Auf der Überweisung vermerken ‚Geschenk von ……‘ – für das Finanzamt ganz wichtig!!“

Kettenbrief

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O O O O O O O O
  • Bewegung läuft wie ein Wasserfall von oben nach unten; sozial aufgebaut, von Anfang an Einbindung in Gemeinschaft
  • Nur Frauen, daher Aufbau eines weiblichen Energiefeldes; Teilen und Freude
  • Bewegung läuft gegen die Schwerkraft von unten nach oben; hierarchisch strukturiert, einer oben, viele anonyme unten
  • Einziges Interesse ist Geld. Einige kassieren viel, der Rest geht leer aus: Neid, Missgunst
(teilweise aus einer Herzkreis-Broschüre zitiert)

Gerne wird behauptet, dass Lottospiel und Börse gefährlicher seien, weniger Rendite brächten und dennoch legal seien. Im Unterschied zu Lotto und Börse profitiert der Werbende persönlich vom eingebrachten Geld des Angeworbenen. Der Totalverlust des Geworbenen wird in Kauf genommen. An der Börse kann man auch übers Ohr gehauen werden. Doch stellt es nicht das Grundprinzip der Börse dar.

Vielfach findet sich die Argumentation, das Geld bleibe im Kreislauf, da viele Gewinner im nächsten Kreis wieder neu einsteigen. Eine einfache Gewinnrechnung zeigt, dass im Gegenteil ein Neueinsteigen nur noch mehr Geld aus dem Kreis zieht und das Ungleichgewicht noch größer wird:

Mit 5.000 Euro Einsatz kann eine 40.000 Euro Schenkung und damit 35.000 Euro „Gewinn“ erzielt werden. Mit einem weiteren Einsatz in zwei parallelen Kreisen (jeweils 5.000, „Gewinn“ insgesamt 70.000) sind wir bereits bei 105.000 Euro, bezahlt von mittlerweile 24 (noch) freundlichen Damen.

Moralische Bedenken werden auch mit der Empfehlung gedeckelt, 10% des Gewinns zu spenden. Es wird auf die besonders soziale Möglichkeit der Unterstützung / des Sponsoring hingewiesen, die es Freundinnen ermöglicht, mit einem Teilbetrag einzusteigen, wenn der Gesamtbetrag nicht leistbar ist. Umgekehrt ist genau dies ein Beweis für die Asozialität, da es auch denen noch das letzte Geld aus der Tasche zieht, die ohnehin wenig oder keines zur Verfügung haben.

Es gibt deutliche Empfehlungen, die Teilnahme am Schenkkreis oder die Höhe des Einsatzes vor Familienangehörigen zu verschweigen. Insbesondere Ehemänner seien oft so kritisch und dem rationalen Denken verhaftet, welches die Energie nicht gut begreifen könne.

Offene Zweifel, Ungeduld, Ausstiegswunsch werden als Vertrauensbruch und Wachstumshemmer deklariert.

Quelle:Christoph Grotepass

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