Bundesjustizminister Dr. Marco Buschmann erklärt dazu:
„Massenverfahren mit vielen tausend Klägerinnen und Klägern sind eine Herausforderung für die Justiz. Wenn etwa unzulässige Klauseln in Verträgen von Versicherungen, Internetanbietern oder Fitnessstudios verwendet werden, sind oft zahlreiche Kunden von den gleichen Rechtsfragen betroffen. Wir werden deshalb Leitentscheidungen einführen, in denen sich der Bundesgerichtshof zu solchen grundsätzlichen Rechtsfragen äußern kann, damit bei Amts-, Land- und Oberlandesgerichten schneller und einheitlicher entschieden werden kann. Dies ist ein weiterer wichtiger Baustein, um solche Verfahren in Zukunft noch effizienter erledigen zu können. Das ist gut für Verbraucherinnen und Verbraucher – und entlastet zugleich die Justiz. Das Vorhaben ergänzt damit die bereits erfolgte Einführung der neuen Abhilfeklage sowie unsere vielfältigen Vorhaben zur Digitalisierung der Justiz.“
Unser Ziel: Schneller Rechtssicherheit und Entlastung der Justiz in Massenverfahren
Dem Bundesgerichtshof (BGH) soll es erleichtert werden, grundsätzliche Rechtsfragen zu entscheiden, die sich in einer Vielzahl von Verfahren in gleicher Weise stellen. Dies schafft schneller Rechtssicherheit für alle und ist ein Baustein zur Entlastung der Gerichte, indem weitere Klagen zur selben Rechtsfrage vermieden werden.
Zum Hintergrund:
Das massenhafte Einklagen von gleichgelagerten Ansprüchen im Wege einzelner Verfahren (z. B. im Diesel-Skandal oder wegen unzulässiger Klauseln in Fitnessstudio-, Versicherungs- oder Bankverträgen) hat stark zugenommen. Häufig gibt es dabei rechtliche Streitfragen, die alle Verfahren gleichermaßen betreffen. Solange diese Fragen noch nicht durch den Bundesgerichtshof geklärt wurden, laufen die meisten dieser Verfahren bis zur letzten Instanz. Sind die Verfahren beim Bundesgerichtshof angekommen, kann eine höchstrichterliche Entscheidung allerdings „verhindert“ werden, indem das Revisionsverfahren von den Parteien z. B. durch eine Rücknahme oder einen Vergleich beendet wird. Ohne eine solche höchstrichterliche Klärung werden die Instanzgerichte daher immer wieder mit neuen Verfahren zu gleichgelagerten Sachverhalten belastet. Das verlängert die Verfahrensdauer in den einzelnen Verfahren und belastet die Gerichte unnötig.
Was soll sich ändern?
Wir wollen mit dem Leitentscheidungsverfahren eine neue Möglichkeit für den BGH schaffen, grundsätzliche Rechtsfragen in Massenverfahren auch dann zu entscheiden, wenn die Parteien das Verfahren anderweitig beendet haben (zum Beispiel durch eine Rücknahme).
Das heißt konkret:
• Wird in einem Massenverfahren eine Revision eingelegt, so kann der Bundesgerichtshof dieses Verfahren zu einem Leitentscheidungsverfahren bestimmen.
• Der Bundesgerichtshof entscheidet über die grundsätzlichen Rechtsfragen auch dann, wenn sich das Revisionsverfahren z.B. durch Rücknahme erledigt hat: Er trifft die Entscheidung dann als neuartige Leitentscheidung.
• Die Leitentscheidung hat keine Auswirkungen auf das einzelne Revisionsverfahren; den Parteien bleibt es unbenommen, sich zu vergleichen oder die Revision zurückzunehmen.
• Die Leitentscheidung dient – wie eine Revisionsentscheidung sonst auch – den Gerichten und der Öffentlichkeit als Richtschnur und Orientierung. Dies sorgt für schnellere Rechtssicherheit bei Betroffenen und Rechtsanwendern, eine Entlastung der Gerichte durch Vermeidung weiterer Klagen oder Rechtsmitteleinlegungen zur selben Rechtsfrage und verursacht keine zusätzlichen Kosten.
• Gerichte können bei ihnen anhängige Parallelverfahren im Einverständnis mit den Parteien bis zur Revisions- oder Leitentscheidung aussetzen.
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