In einem der verstörendsten Strafprozesse der jüngeren französischen Geschichte wurde Dominique Pelicot, ein 72-jähriger Rentner, im Dezember 2024 wegen mehrfacher Vergewaltigung und der Organisation von Massenvergewaltigungen zu 20 Jahren Haft verurteilt. Insgesamt wurden 51 Männer schuldig gesprochen, darunter 48 wegen schwerer Vergewaltigung und zwei wegen sexueller Übergriffe. Der Fall hat nicht nur Frankreich erschüttert, sondern auch eine intensive Diskussion über den Umgang mit geschlechtsspezifischer Gewalt und die tief verwurzelte Kultur der Frauenfeindlichkeit im Land ausgelöst.
Ein Jahrzehnt des Grauens
Pelicot hatte seine damalige Ehefrau, Gisèle Pelicot, über zehn Jahre hinweg regelmäßig betäubt und sie Männern zum Missbrauch angeboten. Die Taten wurden sorgfältig geplant: Über ein Chatforum auf der mittlerweile abgeschalteten Dating-Seite „Coco.fr“ und später über Skype sowie Textnachrichten arrangierte er Treffen, bei denen die Männer seine bewusstlose Ehefrau vergewaltigen konnten. Dabei wurden intime Bilder von Gisèle geteilt, ohne dass sie davon wusste.
Die erschütternde Wahrheit kam erst ans Licht, als Pelicot im September 2020 wegen „Upskirting“ – dem heimlichen Filmen unter Röcke von Frauen – in einem Supermarkt verhaftet wurde. Bei der Durchsuchung seiner technischen Geräte entdeckte die Polizei hunderte Bilder und Videos, die die systematische Vergewaltigung von Gisèle dokumentierten.
Die Tochter: Opfer und Zeugin
Caroline Darian, die 46-jährige Tochter von Gisèle und Dominique Pelicot, äußerte in einem Interview mit der BBC ihre tiefe Betroffenheit und den Verdacht, selbst Opfer ihres Vaters geworden zu sein. Wenige Tage nach einem erschütternden Telefonat mit ihrer Mutter im November 2020, in dem diese die systematischen Verbrechen offenbarte, wurde Darian von der Polizei kontaktiert. Auf Pelicots Laptop fanden sich Bilder von Caroline, die bewusstlos auf einem Bett lag. Sie trug lediglich ein T-Shirt und Unterwäsche, konnte sich jedoch an keine solche Situation erinnern.
„Ich weiß, dass er mich betäubt hat, und ich vermute, dass ich auch vergewaltigt wurde“, erklärte Darian. Dennoch fehlen ihr Beweise, und das schmerzt sie besonders: „Wie viele Opfer werden nicht gehört, weil sie keine Beweise haben?“
Im Gerichtssaal konfrontierte sie ihren Vater direkt: „Ich werde dich nie wiedersehen! Du wirst allein wie ein Hund sterben!“
Ein kultureller Wendepunkt
Der Fall hat in Frankreich eine öffentliche Debatte über sexuelle Gewalt und die Verantwortung von Institutionen angestoßen. Gisèle Pelicot selbst bestand darauf, dass der Prozess öffentlich stattfindet, um das Ausmaß der Verbrechen zu verdeutlichen. Frauenrechtsgruppen sehen den Fall als Symbol für den dringenden Bedarf an Reformen im Umgang mit geschlechtsspezifischer Gewalt.
In ihrem kürzlich veröffentlichten Buch „I’ll Never Call Him Dad Again“ schildert Caroline Darian die traumatischen Erfahrungen ihrer Familie und geht insbesondere auf das Konzept der „chemischen Unterwerfung“ ein – die Nutzung von Betäubungsmitteln zur Ermöglichung von Verbrechen.
Schlussfolgerung
Der Prozess hat nicht nur die Abscheulichkeit der Verbrechen von Dominique Pelicot und seinen Komplizen ans Licht gebracht, sondern auch das Bewusstsein für die systemischen Probleme in der französischen Gesellschaft geschärft. Während Gisèle Pelicot versucht, ein Leben nach diesem unfassbaren Trauma aufzubauen, bleibt die Hoffnung, dass die öffentliche Aufmerksamkeit langfristig zu einem besseren Schutz der Opfer und zu umfassenderen Maßnahmen gegen geschlechtsspezifische Gewalt führen wird.
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