Im Zusammenhang mit den mutmasslichen Korruptionsfällen rund um den staatlichen venezolanischen Ölkonzern Petróleos de Venezuela S.A. (PDVSA) sowie den internationalen Fussballverband FIFA hat die FINMA bei mehreren Schweizer Banken abgeklärt, ob die Regeln zur Geldwäschereibekämpfung eingehalten worden sind. #
In diesem Zusammenhang setzte sie bei der Julius Bär 2017 einen Untersuchungsbeauftragten ein. 2018 hat die FINMA den Untersuchungsgegenstand nach der Verhaftung eines Kundenberaters der Bank in den USA ausgeweitet und mit Blick auf den Venezuela-Kontext weiter vertieft. Das nun abgeschlossene Verfahren hat ergeben, dass Julius Bär die Pflichten in der Geldwäschereibekämpfung sowie die Anforderungen an ein angemessenes Risikomanagement verletzt und damit schwer gegen Finanzmarktrecht verstossen hat.
Systematische Mängel in Geldwäschereidispositiv und Risikomanagement
Die FINMA stellte in ihrer Untersuchung systematische Mängel bei der Einhaltung der geldwäschereigesetzlichen Sorgfaltspflichten sowie Verstösse gegen die Meldepflicht fest. Zu diesem Schluss kommt die FINMA aufgrund der grossen Anzahl an Mängeln: Nahezu alle der 70 risikobasiert ausgewählten Geschäftsbeziehungen und die überwiegende Mehrzahl der mehr als 150 gleichermassen selektierten Transaktionsstichproben waren zu beanstanden. Die Verfehlungen fielen zudem über einen Zeitraum von mehreren Jahren (2009 bis Anfang 2018) an. Systematische Mängel stellte die FINMA aber auch im Risikomanagement der Bank fest, da diese auf klare Hinweise auf Geldwäschereirisiken wiederholt nicht oder nicht entschieden genug reagierte.
Mangelhafte Know-Your-Customer-Prozesse
Konkret klärte die Bank die Identität von Kunden sowie den Zweck und die Hintergründe ihrer Geschäftsbeziehungen ungenügend ab. So waren die Angaben in der sogenannten Know-Your-Customer-Dokumentation bei der überwiegenden Mehrzahl der geprüften Geschäftsbeziehungen unvollständig oder unklar. Zum Beispiel fehlten häufig die Angaben dazu, wie die einzelnen Kunden zu ihrem Vermögen gekommen waren, weshalb sie bei Julius Bär ein Bankkonto eröffnen wollten oder welche Geschäfte sie planten. Transaktionen wurden zu wenig konsequent überwacht und ungenügend hinterfragt. Dies auch zu einem Zeitpunkt, als die Bank bereits klare Warnsignale betreffend Geldwäscherei haben musste. So wurde beispielsweise bei einem grossen venezolanischen Kunden im Jahr 2014 eine Transaktion von 70 Millionen Franken ohne die erforderlichen Abklärungen durchgeführt, obschon die Bank im gleichen Jahr von Korruptionsvorwürfen gegen den Kunden erfahren hatte. Noch im Jahr 2017 ermöglichte die Bank diesem Kunden schliesslich eine mangelhaft abgeklärte Durchlauftransaktion in der Höhe von einigen Millionen US-Dollar. Der Kunde hatte nur angegeben, damit nicht näher beschriebene Beratungsdienstleistungen bezahlen zu wollen.
Ungenügende Organisation und Risikokultur
Das FINMA-Verfahren zeigte auch, dass organisatorische Mängel und Fehlanreize die Verletzungen der geldwäschereirechtlichen Pflichten begünstigten. Das Vergütungsmodell der Bank stellte fast ausschliesslich auf monetäre Aspekte ab und berücksichtigte die Einhaltung der Regeln und das Risikomanagement nur sehr punktuell. So erhielt ein für venezolanische Kunden zuständiger Kundenberater noch in den Jahren 2016 und 2017 Boni und Entschädigungen in Millionenhöhe, obwohl die Bank eine ganze Reihe seiner Kunden nach Ermittlungen oder Verdächtigungen im Kontext des PDVSA-Falles der Meldestelle für Geldwäscherei (MROS) gemeldet hatte. Dennoch kürzte die Bank den Bonus des Kundenberaters im Jahr 2017 lediglich um 2,5 Prozent. Noch im Vorjahr hatte sie ihm sogar noch einen Sonderbonus als „Top Performer“ zugesprochen. In den beiden Jahren erhielt er auf diese Weise die höchsten Entschädigungen seiner Karriere bei dieser Bank.
Die festgestellten Verfehlungen beschränkten sich jedoch nicht auf einzelne Kundenberater. Julius Bär hatte insgesamt eine mangelhafte Compliance- und Risikokultur, in der den geldwäschereirechtlichen Pflichten nicht das erforderliche Gewicht beigemessen wurde. Zum Beispiel überprüfte nicht der zuständige Manager die Erklärungen der Kundenberater zum Hintergrund von Transaktionen in mehreren Fällen mit Venezuela-Bezug, sondern lediglich dessen Assistenz. In einigen Fällen wurden Geldwäschereirisiken zwar erkannt und auch thematisiert, von den zuständigen Stellen aber nicht konsequent angegangen. Zudem verzögerte sich der Beginn einer bereits im Jahr 2016 beschlossenen bankinternen Aufarbeitung des PDVSA-Falls um fast anderthalb Jahre. Überdies beantwortete die Bank Fragen der FINMA zum Ausmass ihrer PDVSA-relevanten Geschäftsbeziehungen zu Beginn der Abklärungen 2016 nur unvollständig, was eine Verletzung ihrer Auskunftspflicht gegenüber der Aufsichtsbehörde darstellt. Erst 2018 setzte die Bank längst fällige operationelle und personelle Massnahmen in ihrem Venezuela-Geschäft konsequent um.
FINMA verfügt eine Reihe von Massnahmen
Bereits vor und seit Beginn des FINMA-Verfahrens hat Julius Bär operationelle, organisatorische und personelle Massnahmen zur Verbesserung des Geldwäschereidispositivs getroffen. Diese sind grundsätzlich geeignet, das Kontrollsystem und die Compliance-Kultur zu stärken. Die FINMA anerkennt, dass diese Massnahmen unter der heutigen Führung entschieden vorwärts getrieben werden. Die FINMA ordnet nun die rasche vollständige Umsetzung dieser und die Ergreifung weiterer Massnahmen an, damit die geldwäschereirechtlichen Bestimmungen in der Bank effektiv eingehalten werden. Die FINMA verfügt folgende weiteren Massnahmen:
- Die Bank muss einen Prozess etablieren, damit sie Kundenberater mit einem Kundenbuch mit erhöhten Geldwäschereirisiken identifizieren, die identifizierten Risiken beurteilen und angemessen begrenzen kann.
- Die Bank muss ihre Vergütungs- und Sanktionspolitik so anpassen, dass diese keine Anreize mehr bietet, unter Inkaufnahme unangemessener Risiken oder fehlender Compliance möglichst hohe Erträge zu generieren.
- Die Bank muss im Verwaltungsrat einen auf Conduct- und Compliance-Fragen spezialisierten Ausschuss oder einen ähnlich wirksamen Mechanismus etablieren.
- Der Bank wird bis zur Wiederherstellung des ordnungsgemässen Zustands untersagt, Transaktionen (beispielsweise bedeutende Akquisitionen von Firmen) durchzuführen, welche die operationellen Risiken (namentlich die Geldwäschereirisiken) sowie den Komplexitätsgrad der Organisation erheblich erhöhen.
Die FINMA wird die Umsetzung dieser verfügten und der eingeleiteten bankeigenen Massnahmen von einem unabhängigen Beauftragten etappenweise überprüfen lassen.
Die FINMA wird nun wie üblich nach Abschluss des Verfahrens gegen die Bank in einem zweiten Schritt prüfen, ob Verfahren gegen Einzelpersonen eröffnet werden.
FINMA geht konsequent gegen Verstösse im Geldwäschereibereich vor
Der Schweizer Finanzplatz war in den vergangenen Jahren im Zusammenhang mit internationalen Korruptionsfällen (Petrobras, Odebrecht, 1MDB, Panama Papers, FIFA oder PDVSA) stark exponiert. Die FINMA hat ihren Aufsichtsfokus in der Geldwäschereibekämpfung deshalb auf den Umgang der Institute mit solchen internationalen Geldwäschereifällen (Dossier Geldwäschereibekämpfung) gerichtet. Die FINMA stellte bei den Beaufsichtigten generell zuletzt eine konsequentere Praxis hinsichtlich der Einhaltung der geldwäschereirechtlichen Pflichten fest. In ihrem Risikomonitor hat die FINMA die Geldwäschereigefahr jedoch weiterhin als ein Hauptrisiko des Finanzplatzes bezeichnet. Damit bleibt dieses Thema ein Schwerpunktthema ihrer Aufsichtstätigkeit.
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