Fast jede fünfte Selbstständige in Deutschland sieht aktuell seine wirtschaftliche Existenz gefährdet. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des Münchner ifo-Instituts hervor. Demnach befürchten 18 Prozent der Selbstständigen, ihr Geschäft aufgeben zu müssen – ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr, als der Wert noch bei 16,5 Prozent lag. Besonders alarmierend: Diese Entwicklung könnte weitreichende Folgen für den Arbeitsmarkt haben, da weniger Aufträge nicht nur die Selbstständigen selbst treffen, sondern auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze behindern.
Der Hauptgrund für die Krise ist laut ifo-Institut eine weit verbreitete Auftragsflaute. Viele kleine und mittlere Unternehmen, Freiberufler und Solo-Selbstständige kämpfen derzeit mit einem massiven Rückgang der Nachfrage. „Die Auftragspipeline ist vielerorts nahezu leer“, heißt es in der Analyse. Besonders betroffen sind Branchen wie die Kreativwirtschaft, das Gastgewerbe und das Bauwesen.
Kettenreaktion am Arbeitsmarkt
Die Auswirkungen dieser Auftragsknappheit gehen jedoch über die Selbstständigen hinaus. Denn viele dieser Unternehmer agieren als Auftraggeber für andere – sei es in Form von Werkverträgen, Projekten oder der Beschäftigung von Mitarbeitenden. Wenn ihnen die Aufträge fehlen, sinkt die Chance, dass sie selbst neue Jobs schaffen können. Das bedeutet: Weniger Aufträge für Selbstständige führen direkt zu weniger neuen Stellen auf dem Arbeitsmarkt.
„Wenn Selbstständige in den Konkurs gehen, verlieren wir nicht nur einen wichtigen Motor der Wirtschaft, sondern auch eine potenzielle Quelle für neue Arbeitsplätze“, sagt eine Expertin des ifo-Instituts. Selbstständige seien in vielen Bereichen entscheidend, um flexibel auf Marktbedürfnisse zu reagieren und innovative Geschäftsmodelle zu entwickeln – all das gehe verloren, wenn sie in finanziellen Schwierigkeiten stecken.
Wirtschaftliche Abwärtsspirale droht
Die Situation könnte sich weiter verschärfen, wenn nicht gegengesteuert wird. Sinkende Aufträge und Umsätze zwingen Selbstständige dazu, Investitionen zu streichen oder zu verschieben. Das wirkt sich nicht nur auf ihre eigene wirtschaftliche Stabilität aus, sondern bremst auch das Wachstum ganzer Branchen. Gleichzeitig sinkt die Nachfrage nach Zulieferdiensten, Beratungen und anderen Dienstleistungen, was eine gefährliche Abwärtsspirale in Gang setzen könnte.
Auch die gesellschaftliche Bedeutung von Selbstständigen wird oft unterschätzt. Sie sind nicht nur Arbeitgeber , sondern auch wichtige Impulsgeber für lokale und regionale Wirtschaftsräume. Wenn diese Strukturen wegbrechen, leidet das gesamte wirtschaftliche Ökosystem – von Handwerksbetrieben bis hin zu digitalen Start-ups.
Handlungsbedarf in der Politik
Um den drohenden Kollaps vieler Existenzen zu verhindern, ist laut ifo-Institut schnelles Handeln gefragt. Neben der Stärkung der Nachfrage durch gezielte Förderprogramme könnten auch Steuererleichterungen und Bürokratieabbau helfen, die finanzielle Belastung der Selbstständigen zu reduzieren. Besonders wichtig sei jedoch, das Vertrauen in die wirtschaftliche Zukunft zu stärken, etwa durch Anreize für Investitionen und eine verbesserte öffentliche Auftragsvergabe.
Andernfalls droht nicht nur ein weiteres Schrumpfen der Selbstständigenzahlen, sondern auch eine Verfestigung der ohnehin angespannten Lage am Arbeitsmarkt. „Die Situation zeigt, wie eng die Schicksale von Selbstständigen mit der Dynamik der gesamten Wirtschaft verknüpft sind“, betont die ifo-Expertin. „Ein Rückgang in diesem Bereich ist letztlich ein Rückgang für uns alle.“
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