Die Sonnenbrille „Snap Spectacles“ hat eine Kamera im Bügel und soll auf Knopfdruck zehn- bis dreißigsekündige Videos aus der Perspektive des Trägers aufnehmen. In einer App des verbundenen Smartphones stehen die Clips dann bereit, um sie zu verschicken oder zum Beispiel in soziale Netzwerke einzustellen. So wollte auch Google schon vor einigen Jahren mit der Videobrille „Glass“ punkten, zog sich dann aber zurück, um das Produkt nun jedoch weiterzuentwickeln.
Wer bei „Snap Spectacles“ den Knopf zur Aufnahme drückt, setzt sich allerlei Risiken aus. Nimmt die Kamera andere ohne deren Einwilligung auf, können Sie als Anwender in deren allgemeines Persönlichkeitsrecht eingreifen. Kurz gesagt: Jeder darf selbst entscheiden, wann Dinge seines persönlichen Lebens offenbart und ob Videos oder Fotos von ihm hergestellt und verbreitet werden. Sie dürfen grundsätzlich einen anderen weder heimlich noch gegen dessen Willen filmen.
Schon die Angst vor Aufnahmen kann andere unter Druck setzen
Obwohl eine LED an der „Snap Spectacles“ anzeigt, wann die Brille aufzeichnet, kann allein die deutlich sichtbare Kamera andere Menschen unter Überwachungsdruck setzen. Im Zweifel sollten Sie jedes Mal vor dem Aufsetzen der Brille alle umstehenden Menschen fragen, ob sie mit Aufnahmen einverstanden sind. Ebenso problematisch können Aufnahmen von Passanten sein, sofern sie erkennbar sind. Da es sich um eine Brille handelt, kann dies besonders schnell passieren – drehen Sie den Kopf, schwenkt die Kamera ja jedes Mal mit.
Bei Verstößen drohen Bußgeld sowie zivilrechtliche Forderungen auf Unterlassung und Schadenersatz.
Unter der Brille steht ein Unternehmen, das mit dem Nachrichtendienst Snapchat groß geworden ist. Daher mag das mühelose Teilen von Videos in Chatnachrichten und sozialen Netzwerken im Vordergrund stehen. Gerade hier lauert aber Ärger: Auf keinen Fall sollten Sie wegen des Rechts am eigenen Bild Videomaterial veröffentlichen, auf dem Passanten oder Menschen erkennbar sind, die mit den Aufnahmen nicht einverstanden waren bzw. hiervon gar nichts wussten. Denn auch solche Videoaufnahmen zu veröffentlichen, ist nur ausnahmsweise erlaubt ‒ zum Beispiel wenn es sich um Aufnahmen einer öffentlichen Veranstaltung handelt, an der die gefilmte Person teilgenommen hat, oder sie bloßes, in der Regel anonymes, Beiwerk auf einer Landschaftsaufnahme darstellt.
Problematisch ist es auch, urheberrechtlich geschütztes Material mit der Brille aufzunehmen und öffentlich zu machen – also zum Beispiel Ausschnitte aus Filmen, Videos oder von Konzerten.
Die Regeln nicht einzuhalten und jemand ohne dessen Einwilligung zu filmen und/oder die Aufnahmen zu veröffentlichen, kann sehr unangenehme Folgen haben: Die Datenschutzbehörde kann ein Bußgeld verhängen, und es drohen zivilrechtliche Forderungen auf Unterlassung und Schadenersatz.
Das Unternehmen will weitreichenden Zugriff auf Daten.
Darüber hinaus sollten Sie auch das Kleingedruckte in Form der Nutzungsbedingungen und Datenschutzbestimmungen des Unternehmens beachten. So genehmigt sich die Snap Inc. für viele Inhalte, die Nutzer erstellen, eine „weltweite, gebührenfreie, unterlizensierbare und übertragbare Lizenz“ für jede erdenkliche Form der Verbreitung: „zum Hosten, Speichern, Verwenden, Anzeigen, Reproduzieren, Verändern, Anpassen, Bearbeiten, Veröffentlichen und Verteilen“ Die Snap Inc. soll die Inhalte insbesondere nutzen dürfen, um „die Services […] zu bewerben“.
Im Rahmen der grundsätzlich öffentlichen „Crowdsourcing-Services“ wie den Local-Storys lässt sich das Unternehmen noch weitergehende Rechte einräumen: Vor allem Bild, Name und Stimme von Nutzern, die in solchen Services erscheinen, dürfen Snap Inc. und die Geschäftspartner ohne Vergütung weltweit nutzen. Die Firma will außerdem „jederzeit und aus beliebigem Grund auf […] Inhalte zugreifen und diese prüfen, einsehen und löschen“ können.
Nutzerdaten können etwa an Dienstanbieter, Händler und Partner weitergegeben werden – und bei Anfragen zum Beispiel unter bestimmten Voraussetzungen auch an Behörden. Sie können in die USA und weitere Länder übermittelt, dort gespeichert und verarbeitet werden. Dabei können die Länder einem geringeren Datenschutzstandard als in Deutschland unterliegen und zum Beispiel einem Zugriff von Geheimdiensten ausgesetzt sein.
Kommt es zu Rechtsstreitigkeiten mit der Snap Inc., offenbart der Blick ins Kleingedruckte eine weitere unerfreuliche Überraschung. Nach dem Willen der Snap Inc. müssen juristische Auseinandersetzungen in Schiedsverfahren bzw. vor einem Gericht in Kalifornien ausgetragen werden.
Quelle:VBZ
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