Interview mit Rechtsanwalt Maurice Högel: Vertraulichkeit bei möglicherweise betrügerischen Solarinvestments
Interviewer: Herr Högel, wir haben von einer Person aus Nürnberg gehört, die Solaranlagen auf fremden Grundstücken verkauft hat. Die Käufer mussten Vertraulichkeitserklärungen unterschreiben, die sie verpflichten, nicht mit anderen über ihr Investment zu sprechen. Einige der Investoren haben nun Strafanzeige erstattet. Dürfen die Investoren trotz dieser Vertraulichkeitserklärungen schweigen?
Maurice Högel: Zunächst einmal ist es wichtig, zu verstehen, dass Vertraulichkeitserklärungen zwar rechtlich bindend sein können, jedoch nicht über dem Gesetz stehen. Wenn es um potenzielle Straftaten, wie etwa Betrug, geht, kann eine solche Vertraulichkeitserklärung Investoren nicht daran hindern, die Behörden zu informieren oder sich gegenseitig auszutauschen. Das Strafrecht hat in solchen Fällen Vorrang.
Interviewer: Können Sie erklären, warum das so ist? Was genau bedeutet das für die betroffenen Investoren?
Maurice Högel: Eine Vertraulichkeitserklärung dient üblicherweise dazu, sensible Informationen – etwa Geschäftsgeheimnisse oder vertrauliche Vertragsdetails – vor der Weitergabe an Dritte zu schützen. Aber wenn ein Investor den Verdacht hat, dass ein Betrugsfall vorliegt, ist er nicht an die Vertraulichkeit gebunden, wenn es darum geht, diesen Verdacht zu melden oder strafrechtlich zu verfolgen.
Das bedeutet, dass Investoren, die Strafanzeige erstatten möchten, dies tun können, ohne sich um rechtliche Konsequenzen aus der Vertraulichkeitserklärung sorgen zu müssen. Selbst wenn die Vertraulichkeitserklärung eine Klausel enthalten sollte, die die Kommunikation mit anderen Investoren oder Dritten verbietet, kann diese Klausel nicht dazu benutzt werden, einen Betrugsverdacht zu vertuschen.
Interviewer: Wie sollten die betroffenen Investoren in dieser Situation am besten vorgehen?
Maurice Högel: Investoren sollten zunächst ihre eigene Position genau prüfen. Wenn sie den Verdacht haben, dass es sich bei dem Solarinvestment um ein Betrugsmodell handelt, sollten sie die Strafanzeige so schnell wie möglich stellen. Es ist ratsam, dabei auch alle relevanten Unterlagen und Verträge, einschließlich der Vertraulichkeitserklärung, der Polizei oder der Staatsanwaltschaft zur Verfügung zu stellen.
Zusätzlich können sie sich rechtlich beraten lassen, um sicherzustellen, dass ihre Interessen vollständig gewahrt werden. Es könnte auch sinnvoll sein, den Austausch mit anderen Investoren zu suchen, um gemeinsam stärker auftreten zu können – und wie gesagt, die Vertraulichkeitserklärung steht dem nicht im Weg, wenn es um die Aufdeckung von Betrug geht.
Interviewer: Gibt es Konsequenzen für den Verkäufer, wenn er Investoren dazu verpflichtet, eine solche Vertraulichkeitserklärung zu unterschreiben, und dies im Kontext eines mutmaßlichen Betrugs?
Maurice Högel: Ja, sollte sich herausstellen, dass der Verkäufer versucht hat, mittels Vertraulichkeitserklärungen potenzielle Betrugsfälle zu verschleiern, könnte das zu einer zusätzlichen strafrechtlichen Verfolgung führen. Dies könnte als eine bewusste Täuschung oder gar als Versuch gewertet werden, die Aufklärung einer Straftat zu verhindern. In solch einem Fall würde der Verkäufer nicht nur wegen des möglichen Betrugs, sondern auch wegen weiterer Vergehen belangt werden.
Interviewer: Wie bewerten Sie generell solche Vertraulichkeitsvereinbarungen bei Investments? Gibt es typische Warnzeichen, auf die Anleger achten sollten?
Maurice Högel: Vertraulichkeitsvereinbarungen bei Investments sind nicht unüblich, vor allem bei hochsensiblen oder exklusiven Investitionen. Aber wenn eine solche Vereinbarung in einem Kontext erscheint, in dem sich Investoren unsicher fühlen oder den Eindruck haben, dass etwas nicht stimmt, sollten die Alarmglocken läuten.
Ein typisches Warnzeichen ist, wenn die Vertraulichkeit sehr strikt durchgesetzt wird oder wenn Investoren aktiv daran gehindert werden, sich untereinander auszutauschen. Ein weiteres Zeichen könnte sein, wenn die Kommunikation mit dem Verkäufer zunehmend schwieriger wird oder er keine klaren Informationen zu wichtigen Fragen wie den Eigentumsrechten oder der Sicherheit der Anlage liefern kann.
Interviewer: Welche rechtlichen Schritte können Investoren einleiten, wenn sie glauben, dass sie betrogen wurden?
Maurice Högel: Der erste Schritt sollte immer die Strafanzeige bei der Polizei sein, um den Betrug offiziell zu melden. Parallel dazu können Investoren zivilrechtliche Ansprüche gegen den Verkäufer geltend machen, etwa auf Schadensersatz oder Rückabwicklung des Vertrags. Dazu sollten sie einen Anwalt einschalten, der sich auf Kapitalanlagebetrug spezialisiert hat.
Darüber hinaus könnten weitere rechtliche Schritte wie eine einstweilige Verfügung gegen den Verkäufer sinnvoll sein, um beispielsweise weitere Verkäufe oder die Zerstörung von Beweismaterial zu verhindern.
Interviewer: Zum Abschluss: Was ist Ihre wichtigste Empfehlung für Anleger, die eine solche Vertraulichkeitserklärung unterschrieben haben und nun den Verdacht hegen, dass sie betrogen wurden?
Maurice Högel: Meine wichtigste Empfehlung lautet: Lassen Sie sich nicht von der Vertraulichkeitserklärung einschüchtern. Wenn Sie den Verdacht haben, dass Sie Opfer eines Betrugs geworden sind, sollten Sie sofort handeln. Wenden Sie sich an die Strafverfolgungsbehörden und holen Sie sich juristischen Beistand. Vertraulichkeitsvereinbarungen schützen nicht vor der strafrechtlichen Verfolgung, und Ihre Rechte als Opfer eines möglichen Betrugs haben absoluten Vorrang.
Interviewer: Vielen Dank, Herr Högel, für Ihre Zeit und die wertvollen Ratschläge.
Maurice Högel: Gern geschehen! Es ist wichtig, dass Anleger wissen, dass sie auch in solchen Situationen nicht allein sind und rechtliche Unterstützung erhalten können.
Kommentar hinterlassen