Das Landgericht hatte das Strafverfahren gegen drei angeklagte ehemalige Sportfunktionäre wegen Steuerstraftaten (im Zusammenhang mit Angaben hinsichtlich einer Zahlung von 6,7 Mio. € im Jahr 2005) im Hinblick auf die Einstellung des schweizerischen Strafverfahrens und das zu beachtende Doppelbestrafungsverbot eingestellt.
Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (OLG) mit heute veröffentlichter Entscheidung diesen Beschluss aufgehoben. Der Aburteilung der Angeklagten stehe nicht das Doppelbestrafungsverbot entgegen, da das schweizerische Verfahren nicht dieselbe Tat, sondern ein Vortatgeschehen betreffe, begründete das OLG die Entscheidung. Das Verfahren ist nun vom Landgericht Frankfurt am Main fortzuführen.
Die Staatsanwaltschaft wirft den – nunmehr noch – drei Angeklagten Hinterziehung bzw. Beihilfe zur Hinterziehung von Körperschaftsteuer, Solidaritätszuschlag, Gewerbesteuer und Umsatzsteuer für das Jahr 2006 vor. Die Angeklagten sollen bewirkt bzw. daran mitgewirkt haben, dass in den genannten Steuererklärungen die Rückzahlung eines Privatdarlehens des Fußballers F.B. in Höhe von 6,7 Mio. € im Jahr 2005 zu Unrecht als Betriebsausgabe des DFB im Jahr 2006 ertrags- und steuermindernd verrechnet worden sei. Es sei fälschlich angegeben worden, dass es sich bei der Zahlung von 6,7 Mio. € des Organisationskomitees WM 2006 an die FIFA um eine Beteiligung des DFB an den Kosten einer FIFA-Gala 2006 gehandelt habe. Das Landgericht hatte die Eröffnung des Hauptverfahrens aus tatsächlichen Gründen abgelehnt. Es fehle ein hinreichender Tatverdacht für die angeklagten Taten.
Auf die hiergegen von der Staatsanwaltschaft eingelegte sofortige Beschwerde hatte das OLG die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt am Main eröffnet (vgl. Presseerklärung vom 26.08.2019, Nr. 47/2019). Zur Begründung hatte es ausgeführt, dass nach Würdigung des gesamten Akteninhalts ein hinreichender Tatverdacht dafür gegeben sei, dass der im Rahmen des Betriebsausgabenabzugs geltend gemachte Bestimmungsgrund der Zahlung in Höhe von 6,7 Mio. € vom April 2005 des Organisationskomitees WM 2006 an die FIFA falsch gewesen sei. Die Zahlung habe tatsächlich nicht die Beteiligung an den Kosten der FIFA-Gala zum Gegenstand gehabt.
In der Schweiz hatte das dem Strafverfahren zu Grunde liegende Gesamtgeschehen ebenfalls zu strafrechtlichen Ermittlungen geführt. Gegen die drei Angeklagten wurde dort wegen Betrugs bzw. Gehilfenschaft zum Betrug Anklage erhoben seitens der schweizerischen Bundesanwaltschaft. Die Verfahren wurden mit Beschluss vom 20.05.2021 eingestellt, da spätestens im Jahr 2020 Verfolgungsverjährung eingetreten sei.
Mit Beschluss vom 27.10.2022 hat nachfolgend die 2. große Strafkammer des Landgerichts Frankfurt am Main das hiesige Strafverfahren eingestellt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, dass es sich bei den angeklagten Taten um dieselbe Tat im Sinne des Art. 54 des Schengener Durchführungsübereinkommens handele, die in der Schweiz angeklagt und hinsichtlich der das dortige Verfahren wegen Verfolgungsverjährung eingestellt worden sei.
Gegen diese Einstellungsentscheidung wendet sich die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft. Sie hatte vor dem OLG Erfolg. Die Einstellungsentscheidung sei aufzuheben, beschloss das OLG. Es liege kein Verfahrenshindernis vor. Insbesondere stehe der Aburteilung der Angeklagten nicht das Verbot der Doppelbestrafung entgegen. Mit dem Verbot solle erreicht werden, dass ein Beschuldigter wegen einer bestimmten Tat im prozessualen Sinne nicht mehrfach in verschiedenen Vertragsstaaten mit einem Strafverfahren überzogen werde. Die Verfahrenseinstellung im schweizerischen Strafverfahren betreffe aber nicht dieselbe Tat in diesem Sinne (Art. 54 Schengener Durchführungsübereinkommen). Beide Anklagen knüpften zwar an einen zusammenhängenden historischen Gesamtkomplex an. Die im hiesigen Verfahren streitigen Steuerstraftaten im Jahr 2007 bauten auf der im schweizerischen Verfahren zur Last gelegten Betrugstat im April 2005 auf. Es handele sich bei wertender Gesamtbetrachtung aber gerade nicht um einen Komplex „unlösbar miteinander verbundener Tatsachen“, der die Annahme derselben Tat im Sinne des Art. 54 rechtfertigen würde. Die Umstände im schweizerischen Verfahren stellten vielmehr das „Vortatgeschehen“ für die hier verfahrensgegenständlichen Steuerstraftaten dar. Die in der Schweiz angeklagte Betrugstat soll im April 2005 in Köln begangen worden sein; die hiesigen Steuerstraftaten im Jahr 2007 in Frankfurt am Main. Im schweizerischen Verfahren sei den Angeklagten zur Last gelegt worden, dass sie aus Mitteln des DFB einen Betrag von 6,7 Mio. € zur Befriedigung eines Darlehensrückzahlungsanspruchs gegenüber F.B. verwendet und zu diesem Zweck Mitglieder des OK-Präsidialausschusses über den Anlass der Zahlung getäuscht und die Überweisung an die FIFA zur Weiterleitung an den Darlehensgeber veranlasst haben sollen. Im hiesigen Verfahren werde den Angeklagten dagegen zur Last gelegt, die Zahlung in Höhe von 6,7 Mio. € unberechtigt als Betriebsausgabe in die Gewinnermittlung des DFB einbezogen zu haben.
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 20.04.2023, Az. 7 Ws 294/22
Erläuterungen:
Art. 54 Schengener Durchführungsübereinkommen [Verbot der Doppelbestrafung]
Wer durch eine Vertragspartei rechtskräftig abgeurteilt worden ist, darf durch eine andere Vertragspartei wegen derselben Tat nicht verfolgt werden, vorausgesetzt, dass im Fall einer Verurteilung die Sanktion bereits vollstreckt worden ist, gerade vollstreckt wird oder nach dem Recht des Urteilsstaats nicht mehr vollstreckt werden kann.
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