Hanseatisches OberlandesgerichtAz.: 13 Kap 3/20 Verkündet am 03.11.2023 BeschlussIn der Sache Dr. Gerd Bode, Herzberger Landstraße 93, 37085 Göttingen – Musterkläger –Prozessbevollmächtigte‘ gegen
– Musterbeklagte –
– Musterbeklagte –
– Musterbeklagte –Prozessbevollmächtigte zu 1 und 2: beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht – 13. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Panten, die Richterin am Oberlandesgericht Löffler und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Tonner am 03.11.2023:
Gründe:Das vorliegende Musterverfahren bezieht sich auf den am 18.06.2008 veröffentlichten Anlageprospekt „Lloyd Fonds 92″. Beworben wurde hier die Beteiligung von Anlegern an einer Kommanditgesellschaft (MS „Bermuda“ Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG), der in ein Panamax-Containerschiff, die MS „Bermuda“, investieren sollte. Die Musterbeklagte zu 1 war Anbieterin, Prospektverantwortliche (S. 5 und 77 des Prospekts) und als Gründungskommanditistin mit € 25.000,00 an der Kommanditgesellschaft beteiligt. Die Musterbeklagte zu 2) war Gründungskommanditistin mit einem Anteil von € 5.000,00 und außerdem Treuhänderin der Fondsgesellschaft. Auf Grundlage des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Hamburg vom 19.11.2019, Az. 318 OH 4/19, sind dem Senat folgende Feststellungsziele vorgelegt worden:
Der Musterkläger hat – wie die anderen Kläger – die Musterbeklagten in den ausgesetzten Verfahren auf Schadensersatz wegen Prospekthaftung im weiteren Sinne in Anspruch genommen. Er ist der Auffassung, dass der streitgegenständliche Emissionsprospekt fehlerhaft sei. Zur Begründung führt er aus: In dem Prospekt werde dargestellt, dass es sich bei dem Fondsschiff um ein Schiff der Panamax-Klasse handele, es finde sich jedoch kein Hinweis auf den Ausbau des Panama-Kanals und sich aus diesem ergebende Risiken für die Wettbewerbsfähigkeit des Fondsschiffs. Darin liege ein Prospektfehler. Die Eröffnung des neuen Panama-Kanals habe dazu geführt, dass für Panamax-Schiffe ein deutlich geringerer Bedarf bestehe, was zu einem Einbruch der Charterraten geführt habe. Eine Vielzahl von Veröffentlichungen in der Presse und Studien der Containerwirtschaft, von Hafenbetreibern, von Wirtschaftsinstituten und anderen Emtscheidungsträgern wie der US Army und dem Europäischen Parlament, die sich mit der Entwicklung der Containerschifffahrt beschäftigt hätten und die vor Auflegung des streitgegenständlichen Fondsprospekts erschienen seien, beurteilten den Ausbau des Panama-Kanals als einen wesentlichen Einflussfaktor auf den Containerverkehr, der insbesondere dazu führen würde, dass der Wettbewerbsdruck auf Panamax-Schiffe durch den Kanalausbau erheblich zunehmen werde. Dies sei zum Zeitpunkt der Auflegung des Fondsprospekts am 18.06.2008 angesichts des im Jahr 2006 bekannt gewordenen Beschlusses zum Ausbau des Kanals und des Baubeginns im September 2007 mit einem geplanten Abschluss der Bauarbeiten im Jahr 2014/2015 vorhersehbar gewesen. Ein Prospektfehler liege auch wegen des fehlenden Hinweises vor, dass das Fondsschiff nicht mehr zu den „größeren Schiffen“ gehöre, zu denen der Trend im Containerverkehr gehe. Nach der Darstellung auf S. 28 f. des Prospekts habe ein Leser nicht wissen können, dass ein Post-Panamax-Schiff wesentlich größer als 5.000 TEU Stellplatzkapazität sei. Der Leser habe davon ausgehen müssen, dass das Fondsschiff als großes Schiff der Panamax-Klasse zu den großen und weiterhin stark nachgefragten Schiffen, zu denen der Trend gehe, gehören würde. Diese Prospektdarstellung sei grob irreführend, denn aus ihr habe sich nicht ergeben, dass das Fondsschiff mit einer Kapazität von 4.330 TEU zwar ein großes Panamax-Schiff gewesen sei, dass der Trend im Schiffbau und in der maritimen Wirtschaft sich aber längst über diese Größenklasse hinwegbewegt habe. Der Prospekt sei fehlerhaft, weil er die erwartete Marktentwicklung für den Containerschifffahrtsmarkt und das Fondsschiff irreführend darstelle. Gegenüber dem durchschnittlichen Anleger werde durch die Formulierungen auf den Seiten 27 bis 31 des Fondsprospekts der unzutreffende Eindruck erweckt, dass im Schiffsmarkt ausschließlich positive Tendenzen für die Containerschifffahrt im Allgemeinen und für das Fondsschiff im Besonderen vorliegen würden, während dies tatsächlich nicht der Fall gewesen sei. Alle bekannten negativen Fakten seien vollständig ignoriert worden. Entgegen der Darstellung in dem Prospekt sei entscheidend für die Entwicklung der Nachfrage nach Containertransportkapazitäten nicht die Entwicklung der Weltwirtschaft insgesamt, sondern die Entwicklung der Nachfrage in Europa und Nordamerika und insofern bestehe allenfalls ein geringes Wachstum. Zudem sei nicht dargestellt worden, dass ab dem Jahr 2010 Überkapazitäten auf dem Angebotsmarkt bestehen würden. Im Bereich der relativ jungen Panamax-Flotte seien kaum Verschrottungen zu erwarten gewesen. Der Prospekt erwecke fälschlicherweise den Eindruck, die Firma Dynamar habe eine Bewertung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der APL (Bermuda) Ltd. vorgenommen und diese auf einer Skala von 1 bis 10 mit 2 bewertet. Das sei unzutreffend. Es würden in dem „Standard Report“ (Anlage JS 24) lediglich Anlagen zur NOL Group, der Holding, nicht aber zur APL (Bermuda) Ltd. selbst gemacht. Die Prognoserechnung für die Anschlusscharter ab dem Jahr 2015 und hier die Annahme einer Tagescharter von 27.000 $ sei im Hinblick auf den sog. Kaskadeneffekt nicht vertretbar. Der Festchartervertrag mit einer Charterrate von 29.150 $ sei zu einem absoluten Boomzeitpunkt im Herbst 2007 abgeschlossen worden. Insofern sei mit einem Absinken der Charterrate zu rechnen und die Prognose sei jedenfalls nicht konservativ. Hieran änderten die Angaben auf S. 30 des Prospekts nichts. Die dort aktuell angegebene 1-Jahres-Charter für Schiffe der Größenordnung 4.400 TEU von 36.000 $ sei eine absolute Spitzenrate, was nicht deutlich gemacht werde. Der im Anschluss erfolgende Verweis auf den langfristigen 10-Jahres-Durchschnitt von Schiffen mit 3.500 TEU gehe fehl. Empfehlenswert sei ein längerer Zeitraum. Der Musterkläger meint, der Prospekt sei fehlerhaft, weil nicht darauf hingewiesen werde, dass die Darlehensverträge der Fondsgesellschaft Regelungen enthielten, nach denen Verletzungen der vereinbarten Wertsicherungsgrenze zu zusätzlichen Zahlungsverpflichtungen führen könnten, die keine Tilgungsleistungen darstellen. Zur Begründung nimmt der Musterkläger Bezug auf ein Urteil des Landgerichts Hamburg (Urteil vom 07.03.2019, Az. 321 0 10/18, BeckRS 2019, 5825). Der Kläger meint weiter, dass der Prospekt fehlerhaft sei, weil in diesem nicht darauf hingewiesen werde, dass die Kommanditisten der Fondsgesellschaft mit dem Fondsschiff für Schulden des Charterers des Fondsschiffs haften. Schließlich meint der Musterkläger, dass die Musterbeklagten zu 1. und 2. für die dargestellten Prospektfehler als Gründungsgesellschafterinnen haften Wegen weiterer Einzelheiten der gerügten Fehler wird insbesondere auf den Schriftsatz des Musterklägers vom 12.05.2021 (BI. 33 ff. d.A.) Bezug genommen. Der Musterkläger beantragt – z.T. abweichend von den Feststellungszielen des oben dargestellten Vorlagebeschlusses -, die folgenden Feststellungen zu treffen:
Die Musterbeklagten bestreiten das Vorliegen von Prospektfehlern und treten einer Haftung unter Verweis auf die BGH-Rechtsprechung zur Verdrängung der Prospekthaftung im weiteren Sinne durch die Vorschriften über die spezialgesetzliche Prospekthaftung der Gründungsgesellschafter entgegen. Die Musterbeklagten beantragen,
Die Musterbeklagten beantragen hilfsweise,
Die Musterbeklagten haben ursprünglich hilfsweise für den Fall, dass das Gericht das Feststellungsziel zu Ziff. 9. für (teilweise) begründet hält, beantragt, die Feststellungsziele des Vorlagebeschlusses des Landgerichts Hamburg zum Az. 318 OH 4/19 vom 19.11.2019 um folgendes Feststellungsziel gemäß § 15 KapMuG zu erweitern:
Diesen Antrag haben die Musterbeklagten in der mündlichen Verhandlung vom 27.09.2023 zurückgenommen. Wegen der Begründung für die Zurückweisungsanträge wird auf den Schriftsatz der Musterbeklagten vom 13.01.2022 (BI. 502 d.A.) Bezug genommen. Die Musterbeklagten zu 1) und 2) haben ursprünglich als Lloyd Fonds AG und Lloyd Treuhand GmbH firmiert. Nach Umfirmierung hat der Senat das Rubrum wie aus selbigem ersichtlich berichtigt. 1. Die Feststellungsziele zu den Ziff. 1 bis 5. sind mangels Vorliegens von Prospektfehlern unbegründet, wobei sich der Senat hinsichtlich der zu bescheidenden Feststellungsziele an dem allein maßgeblichen Vorlagebeschluss des Landgerichts Hamburg vom 19.11.2019, Az. 318 OH 4/19, und nicht an der teilweise abweichenden Formulierung des Musterklägers orientiert. Die Feststellungsziele zu den Ziff. 1 bis 5 des Vorlagebeschlusses sind auch nicht etwa gegenstandslos, weil es an einer dem Grunde nach haftbaren Musterbeklagten fehlen würde. Im Hinblick auf die Verständigung des II. und XI. Zivilsenats des BGH zur Frage der Verdrängung der allgemein-bürgerlichen Prospekthaftung durch die Vorschriften über die spezialgesetzliche Prospekthaftung (BGH, Beschluss vom 11.07.2023, XI ZB 11/21, Rn. 16; Beschlüsse vom 27.06.2023, II ZR 58/21 und II ZR 59/21) kommt nach Ansicht des Senats eine Haftung der Musterbeklagten zu 1) als Gründungsgesellschafterin dem Grunde nach in Betracht, da diese nach den Darstellungen im Prospekt (S. 77) Vertriebsverantwortlichkeit im Sinne der Rechtsprechung des BGH hat und damit im Hinblick auf ihre Haftung grundsätzlich das Institut der Prospekthaftung im weiteren Sinne anwendbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 11.07.2023, XI ZB 20/21, Rn. 44). Im Einzelnen gilt zu den gerügten Prospektfehlern das Folgende:
2. Das Feststellungsziel zu Ziff. 6 des Vorlagebeschlusses ist gegenstandslos. Gegenstandslos wird der dem Musterverfahren zugrundeliegende Vorlagebeschluss hinsichtlich eines Feststellungsziels, wenn die Entscheidungserheblichkeit dieses Feststellungsziels aufgrund der vorausgegangenen Prüfung im Musterverfahren entfallen ist (BGH, Beschluss vom 19.01.2021, XI ZB 35/18 – juris Rn. 30). Das ist vorliegend der Fall, weil – wie vorstehend unter 1. ausgeführt wurde – Prospektfehler nicht vorliegen und es insoweit auf die Feststellung der grundsätzlichen Haftung der Musterbeklagten nicht ankommt. Der Senat verkennt dabei nicht, dass der BGH in der vorstehend zitierten Entscheidung über eine umgekehrte Konstellation zu entscheiden hatte: in der dortigen Entscheidung kam es auf die Frage, ob die gerügten Prospektfehler vorliegen oder nicht, nicht mehr an, weil der BGH eine Haftung der dortigen Musterbeklagten als Gründungsgesellschafter schon dem Grunde nach verneinte. Für die Frage der Entscheidungserheblichkeit kann es aber keinen Unterschied machen, ob die Frage des Vorliegens von Prospektfehlern mangels fehlender Haftung dem Grunde nach gegenstandslos wird, oder umgekehrt die Frage der Haftung dem Grunde nach mangels Vorliegens von Prospektfehlern (vgl. BGH, Beschluss vom 08.06.2021, XI ZB 22/19, Rn. 75). 3. Das Feststellungsziel zu Ziff. 7 des Vorlagebeschlusses ist ebenfalls hinsichtlich beider Musterbeklagten gegenstandslos. Auf die Frage, ob die in Ziffern 1. bis 5. gerügten Prospektfehler sowohl im Rahmen einer durch einen Anlagevermittler durchzuführenden Plausibilitätsprüfung des Emissionsprospekts als auch im Rahmen einer Prüfung desselben mit banküblichem kritischem Sachverstand erkennbar waren, kommt es nicht (mehr) an, weil keine Berater oder Vermittler Parteien des Musterverfahrens sind, nachdem die Commerzbank AG als ehemalige Musterbeklagte zu 3) nach Erledigung des letzten Ausgangsverfahrens, an dem sie beteiligt war, durch Feststellung der Erledigung aus dem Musterverfahren ausgeschieden ist. 4. Die Erweiterungsanträge des Musterklägers, die nicht ausdrücklich als solche nach § 15 KapMuG gestellt wurden, sich aber aus Umformulierungen des Vorlagebeschlusses und einzelnen ergänzenden Feststellungszielen (Ziff. 3.,4.,6. Und 7. Des Antrages des Musterklägers) ergeben, werden nicht zugelassen. Im Falle ihrer Zulassung wären sie – wie die Feststellungsziele 1. Bis 5. Des Vorlagebeschlusses- ebenfalls unbegründet. Insoweit geltend die vorstehenden Ausführungen unter 1. Entsprechend. 5. Eine Kostenentscheidung war nicht zu treffen (§ 16 Abs. 2 KapMuG).
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