Sonstige Entscheidungen 15 Kap 1/21 Beteiligungsgesllschaft CPO Nordamerika-Schiffe 2 mbH & Co. KG

Published On: Mittwoch, 26.06.2024By


In der Sache

Jochen Schwarz, Ravensberger Straße 18 a, 10709 Berlin
– Musterkläger –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte von Ferber, Langer, Neuer Wall 61, 20354 Hamburg, Gz.: Z-386/​17-OR

gegen
1)

MPC Capital Investments GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer Holger Glandiek und Karen Key, Palmaille 67, 22767 Hamburg
– Musterbeklagte –
2)

TVP Treuhand- und Verwaltungsgesellschaft mbH & Co. KG, Palmaille 67, 22767 Hamburg, vertreten durch die persönlich haftende Gesellschafterin Verwaltung TVP Treuhand GmbH, diese vertreten durch den Geschäftsführer Tobias Boehnke
– Musterbeklagte –
3)

Reederei Claus-Peter Offen (GmbH & Co. KG), vertreten durch die persönlich haftende Gesellschafterin Verwaltungsgesellschaft Reederei Claus-Peter Offen GmbH, diese vertreten durch die Geschäftsführer Telge-Sascha Krantz und Andreas Baron von der Recke, Bleichenbrücke 10, 20354 Hamburg
– Musterbeklagte –
4)

Verwaltungsgesellschaft Reederei Claus-Peter Offen mbH, Bleichenbrücke 10, 20354 Hamburg, vertreten durch die Geschäftsführer Telge-Sascha Krantz und Andreas Baron von der Recke
– Musterbeklagte –
5)

Verwaltung TVP Treuhand GmbH, vertreten durch den Geschäftsführer Tobias Boehnke, Palmaille 67, 22767 Hamburg
– Musterbeklagte –
6)

Verwaltung Beteiligungsgesellschaft CPO Nordamerika-Schiffe mbH, vertreten durch die Geschäftsführer Jan Hendrik Offen und Andreas Baron von der Recke, Bleichenbrücke 10, 20354 Hamburg
– Musterbeklagte –
7)

UniCredit Bank AG, vertreten durch d. Vorstand, Arabellastraße 12, 81925 München
– Musterbeklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1 – 6:
Rechtsanwälte Könnecke Naujock, Königsallee 98 A, 40215 Düsseldorf, Gz.: 2018-0153 Mf/​nb

Prozessbevollmächtigte zu 7:
Rechtsanwälte Sernetz, Schäfer, Karlsplatz 11, 80335 München, Gz.: 24832/​18, 24924/​18

Nebenintervenientin zu 7:
MPC Capital Investments GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer Jörn Ulf Klepper und Stephan Langkawel, Palmaille 67, 22767 Hamburg

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Könnecke, Naujok, Westendstraße 28, 60325 Frankfurt, Gz.: 2018-0276 JK/​kc

beschließt das Hanseatische Oberlandesgericht – 15. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Korte, die Richterin am Oberlandesgericht Ellerbrock und den Richter am Oberlandesgericht Dr. Hewicker am 17.06.2024:

Nach erneuter Beratung in veränderter Besetzung sowie unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des BGH erteilt der Senat folgende – vom Hinweisbeschluss vom 03.06.2021 teilweise abweichende – Hinweise:

I. Hinsichtlich der Musterbeklagten (MB) 2 bis 6 dürfte der Vorlagebeschluss gegenstandslos sein.

Die MB 2, 3 und 6 haften nicht aus spezialgesetzlicher Prospekthaftung. Zwar sind die MB 2, 3 und 6 als Gründungsgesellschafterinnen der Beteiligungsgesellschaft (s. dazu S. 42ff. und 105 des Prospekts gem. Anlage MK2, im Folgenden „Prospekt“) als Prospektverantwortliche im Sinne des § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BörsG in der bis zum 31.05.2012 gültigen Fassung (von nun an: „BörsG a.F.“) anzusehen (vgl. zur Prospektverantwortlichkeit von Gründungsgesellschaftern: BGH, Beschl. v. 05.03.2024 – XI ZB 17/​22, BeckRS 2024, 9052, Rn. 48). Etwaige Ansprüche aus den §§ 13 VerkProspG, 44 ff. BörsG a.F. wären indes gemäß § 46 BörsG a.F. verjährt.

Auch eine Haftung der MB 2, 3, und 6 nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne scheidet aus. Im Anwendungsbereich der spezialgesetzlichen Prospekthaftung ist eine Haftung unter dem Aspekt einer vorvertraglichen Pflichtverletzung allein aufgrund der Verwendung eines unrichtigen, unvollständigen oder irreführenden Prospekts als Mittel der schriftlichen Aufklärung nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB ausgeschlossen (BGH, a.a.O., Rn. 49). Dies gilt auch für eine auf diesen Aspekt gestützte Haftung als Treuhandkommanditistin (BGH, a.a.O., Rn. 49), mithin vorliegend im Hinblick auf die MB 2 (zu deren Stellung als Treuhandkommanditistin vgl. S. 45 des Prospekts).

Damit entfällt zugleich eine Haftung der MB 4 und 5, da diese – soweit ersichtlich – lediglich als Komplementärinnen der MB 2 und 3 in Anspruch genommen werden.

II. Hingegen dürfte der Vorlagebeschluss hinsichtlich der MB 1 nur dann als gegenstandslos anzusehen sein, wenn keine Prospektfehler festgestellt werden sollten.

Zwar unterfällt gem. § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 BörsG a.F. auch die MB 1 als Gründungsgesellschafterin der Beteiligungsgesellschaft (s. dazu S. 44 des Prospekts) sowie zusätzlich als Prospektverantwortliche (s. dazu ebenfalls S. 44 des Prospekts) im Sinne des § 44 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BörsG a.F. der spezialgesetzlichen Prospekthaftung.

Gleichwohl dürfte aber für sie daneben auch eine Haftung nach den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB in Betracht kommen, da sie Vertriebsverantwortung übernommen hat. Zur Haftung des Vertriebsverantwortlichen hat der BGH jüngst ausgeführt (Beschl. v. 05.03.2024 – XI ZB 17/​22, BeckRS 2024, 9052, Rn. 50):

Eine Haftung eines Gründungsgesellschafters nach § 280 Abs. 1, § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 2 BGB neben der spezialgesetzlichen Prospekthaftung nach § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG aF kommt allerdings dann in Betracht, wenn der Gründungsgesellschafter dadurch einen zusätzlichen Vertrauenstatbestand setzt, dass er entweder selbst den Vertrieb der Beteiligungen an Anleger übernimmt oder in sonstiger Weise für den von einem anderen übernommenen Vertrieb Verantwortung trägt (Senatsbeschluss vom 11. Juli 2023 – XI ZB 20/​21, BGHZ 237, 346 Rn. 41 ff.; BGH, Urteil vom 24. Oktober 2023 – II ZR 57/​21, BGHZ 238, 302 Rn. 11). Vertriebsverantwortung trägt ein Altgesellschafter, wenn er selbst den Vertrieb übernimmt, beispielsweise als Vertriebsgesellschaft. Vertriebsverantwortung kann jedoch auch bestehen, wenn ein Altgesellschafter den Vertrieb nicht selbst übernimmt. Vertriebsverantwortung tragen danach, soweit der Vertriebsauftrag von der Fondsgesellschaft erteilt wurde, die geschäftsführungsbefugten Altgesellschafter.

Vorliegend hat die MB 1 den Vertriebsauftrag offenbar selbst übernommen. Ausweislich S. 44 des Prospekts fungierte sie als „Kapitalbeschafferin“. Die MB 1 bis 6 haben dementsprechend vorgetragen, die MB 1 sei von der Beteiligungsgesellschaft sowie den Schifffahrtsgesellschaften mit der Einwerbung des Kapitals beauftragt gewesen und habe zur Erfüllung dieser Verpflichtung ihrerseits Vermittlungsunternehmen eingeschaltet (vgl. dazu S. 6 des Schriftsatzes vom 17.07.2020, Bl. 243 d.A.).

Für die MB 1 wird es daher darauf ankommen, ob einer oder mehrere der gerügten Prospektfehler vorliegen (vgl. zu einer insoweit vergleichbaren Konstellation: BGH, Beschl. v. 05.03.2024 – XI ZB 17/​22, BeckRS 2024, 9052, Rn. 40).

III. Auf die Frage, ob einer oder mehrere der gerügten Prospektfehler vorliegen, dürfte es auch im Hinblick auf die MB 7 ankommen.

Der dem Senat vorliegenden Anmeldung gemäß § 10 Abs. 2 KapMuG des Anmelders Karl Richter vom 07.06.2019 (dort S. 10) ist zu entnehmen, dass er sich an der vorliegend in Rede stehenden Beteiligungsgesellschaft infolge eines Beratungsgesprächs mit einem Mitarbeiter der MB 7 beteiligt habe, dem der streitgegenständliche Prospekt zugrunde gelegen habe und in dem er nicht über Prospektmängel aufgeklärt worden sei. Sollten ein oder mehrere Prospektfehler vorliegen, käme daher eine Haftung der MB 7 nach den §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2, 311 Abs. 2 BGB in Betracht. Diese Haftung würde auch nicht durch die spezialgesetzliche Prospekthaftung gemäß § 13 VerkProspG, §§ 44 ff. BörsG a.F. verdrängt, denn eine Prospektverantwortung der MB 7 gemäß § 44 Abs. 1 S. 1 BörsG a.F. ist nicht ersichtlich.

IV. Aus der Rechtsprechung des II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs ergeben sich hinsichtlich der vorstehenden Feststellungen unter Ziffern I. bis III. keine Abweichungen, denn die Rechtsprechung des II. Zivilsenats steht mit der Rechtsprechung des XI. Zivilsenats im Einklang (s. dazu: BGH, Beschl. v. 05.03.2024 – XI ZB 17/​22, BeckRS 2024, 9052, Rn. 130).

V. Vor dem Hintergrund der obigen Feststellungen beabsichtigt der Senat, den Vorlagebeschluss des Landgerichts Hamburg vom 16.10.2018 (309 OH 2/​18) antragsgemäß um die nachfolgenden Feststellungsziele zu erweitern.

Auf Antrag des Munsterklägers (MK) vom 14.04.2020 (Bl. 208 d.A.) um das

Feststellungsziel Nr. 10:
Die Aussage im Prospekt auf S. 35 linke Spalte:

„Demgegenüber bleibt festzustellen, dass die Konsolidierung der Chartermärkte ab Mitte 2005 zu sinkenden Bestellaktivitäten geführt hat, …“

ist insoweit irreführend, als nicht darauf hingewiesen wird, dass im Ergebnis im Jahre 2005 mehr neue Containerschiffskapazität geordert wurde als 2004 und weiter nicht darauf hingewiesen ist, dass die Bestellungen ab dem 1. Quartal 2006 wieder anzogen und im 3. Quartal 2007 einen neuen Höchststand erreicht hatten.

Auf Antrag der Beigeladenen Oppel vom 28.07.2020 (Bl. 335 d.A.), dem sich der MK und die von den RAe von Ferber Langer vertretenen Beigeladenen mit Schriftsatz vom 17.03.2021 (Bl. 436ff. d.A.) angeschlossen haben, um das

Feststellungsziel Nr. 11:
Die den „Erläuterungen zur Liquiditäts- und Ertragsprognose“ (Prospekt, Seite 72 ff.) zugrunde liegende Steigerung der Betriebskosten „um 3 % p.a. für jeweils 365 Einsatztage“ (Prospekt, Seite 72) entsprach nicht den Erfahrungswerten des Vertragsreeders und wurde unvertretbar niedrig angesetzt.

Die Zulässigkeit der Erweiterung eines Musterverfahrens um weitere Feststellungsziele richtet sich nach § 15 Abs. 1 KapMuG. Hinsichtlich der Auslegung der darin enthaltenen Tatbestandsmerkmale schließt sich der Senat der vom MK in seinem Schriftsatz vom 25.02.2021, S. 5f. (Bl. 440f. d.A.) zitierten Rechtsprechung des 13. ZS des HansOLG sowie der Rechtsprechung des OLG Köln (Beschl. v. 15.01.2019 – 24 Kap 1/​18, abrufbar bei Juris) an. Entscheidungserheblichkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG ist danach bereits dann gegeben, wenn zumindest plausibel erscheint, dass die Klärung des Feststellungsziels für den Ausgang des Verfahrens erheblich werden kann, auch wenn der Erfolg der Klage noch von weiteren Voraussetzungen abhängig ist (OLG Köln, a.a.O., Rn. 3). Für die Bestimmung des „gleichen Lebenssachverhalts“ im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG kommt es nicht auf die einzelnen in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen an, sondern auf die den Schadensersatzanspruch unmittelbar auslösende Handlung oder Unterlassung des Schuldners, wie sie etwa in der Veröffentlichung eines Emissionsprospektes liegen kann (a.a.O., Rn. 4). Sachdienlichkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Nr. 3 KapMuG ist i.d.R. bereits dann zu bejahen, wenn die Feststellung des weiteren Feststellungsziels potentiell über das Verfahren des Antragstellers hinaus Bedeutung hat (a.a.O., Rn. 5). Danach dürften vorliegend die Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 KapMuG im Hinblick auf die beantragten Erweiterungen zu Nr. 10 und Nr. 11 erfüllt sein.

VI. Zu den obigen Hinweisen besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen 3 Wochen. Im Anschluss beabsichtigt der Senat, einen Beschluss hinsichtlich der o. g. Erweiterungsanträge zu erlassen sowie einen Termin zur mündlichen Verhandlung zu bestimmen.

Dr. Korte

Vorsitzender Richter
am Oberlandesgericht Ellerbrock

Richterin
am Oberlandesgericht Dr. Hewicker

Richter
am Oberlandesgericht

ist wegen Ortsabwesenheit an der Unterschrift gehindert

Dr. Korte

Leave A Comment