Nun sitze ich nicht in der Ratsversammlung der Stadt Leipzig, und manchmal habe ich schon gedacht, was machen die da eigentlich in den letzten fünf Jahren? Man hat das Gefühl, die wichtigen Entscheidungen für diese Stadt werden im stillen Kämmerlein des OB getroffen, und der Stadtrat hat dann nur noch eine Abnickfunktion.
Vielleicht muss man den Damen und Herren einfach nochmals ins Gedächtnis rufen, dass sie nur ein Mandat auf Zeit haben und gehalten sind, Entscheidungen zum Wohle der Bürger dieser Stadt zu treffen. Nun will die Stadt Leipzig ein Grundstücksgeschäft mit einer Gesellschaft machen, die ihren Sitz in Lützen in Sachsen-Anhalt hat, sicherlich aus Gründen des Gewerbesteuerhebesatzes, denn der ist in Lützen, Sachsen-Anhalt, wesentlich geringer. Geschäfte machen mit der Stadt Leipzig ja, aber Gewerbesteuer will man dann möglicherweise hier eben keine zahlen. Geschäftlich völlig in Ordnung aus Unternehmenssicht, aber aus Sicht der Bürger dieser Stadt sicherlich ethisch anrüchig.
Nun hat uns Jemand detaillierte Unterlagen zu dem bevorstehenden Abschluss eines Kaufvertrages zwischen der Stadt Leipzig und der Ackwitzer Straße 38-42 Erste Wohnen GmbH & Co. KG zukommen lassen.
Ganz ehrlich, meine Damen und Herren, haben Sie sich eigentlich mal angeschaut, mit was für einer Gesellschaft die Stadt da ein Millionengeschäft macht? Laut letzter im Unternehmensregister hinterlegten Bilanz des Unternehmens weist man hier ein Eigenkapital von rund 700 Euro aus. Wahnsinn.
Schaut man sich dann den uns vorliegenden Kaufvertragsentwurf an, dann kann man eigentlich nur noch den Kopf schütteln, denn natürlich hat man hier einiges gut geregelt, aber das Wichtigste ist für uns die Frage, wer bezahlt eigentlich den Schadensersatz an die Stadt Leipzig, wenn das Gebäude nicht rechtzeitig fertig wird und wenn man das Gebäude dann nicht mehr haben will? Will man dann wirklich eine Gesellschaft mit 700 Euro Eigenkapital verklagen? Lassen wir die Frage mal so im Raum stehen, denn die kann sich eigentlich jeder selbst beantworten.
Wichtig aus meiner Sicht ist hier, dass es genau über den im Kaufvertrag gedeckelten Schadensersatz dann bitte auch eine Bürgschaft gibt. Das sollte für ein solventes und seriöses Unternehmen, wovon wir ausgehen, damit kein Problem haben sollte. Im Vertrag selber, der der Redaktion vorliegt, finden wir nur eine Gewährleistungsbürgschaft.
Die Stadt will auf dem Grundstück der genannten Adresse eine Geflüchtetetenunterkunft bauen, eine lobenswerte Sache ohne Frage, denn Menschen, die zu uns kommen, denen müssen wir in dieser Stadt mehr bieten als eine Zeltunterkunft, wir müssen sie menschenwürdig unterbringen. Trotzdem hier geht es nicht um die Unterbringung, sondern um den Kaufvertrag, den der OB hier im Namen der Stadt abschließen will, und da sind wir der Meinung, dass dieser Kaufvertrag nicht gut ausgehandelt ist, um das einmal deutlich zu sagen.
Anschauen sollte man sich bitte auch einmal das gesamte Unternehmensmodell, was hinter der Gesellschaft steht. Was es da alles an Firmen gibt, da noch den Überblick zu behalten, braucht man möglicherweise einen eigenen Manager. Alle Ratsmitglieder, die über diesen Kaufvertrag abstimmen sollten, müssen hier Nachbesserungen verlangen, damit die Stadt, als Vertreter der Bürger, bestmöglich abgesichert ist. Gerade als Treuhänder der Bürger muss man dann bitte immer vom Worst-Case-Szenario ausgehen. Das Gebäude wird nicht fertig, die Stadt nimmt es nicht ab und dann geht es eben um den Schadensersatz. Ganz klar, Augen auf beim Immobilienkauf.
Was uns erstaunt hat, ist aber auch, dass bereits innerhalb von sechs Wochen für das Projekt eine Baugenehmigung gegeben soll. Wenn es klappt innerhalb dieser Zeit, dann frage ich mich, warum andere große Projekte manchmal Jahre dauern, bis diese genehmigt werden? Anbei finden Sie die erwähnte Bilanz und eine aktuelle Übersicht über das Firmenkonstrukt.
So stellt sich der Sachverhalt aus Sicht der Stadt Leipzig dar.
Die Unterbringung von Geflüchteten und die Gewährung von Leistungen nach dem
Asylbewerberleistungsgesetz ist eine weisungsgebundene Pflichtaufgabe.
Seit November 2021 ist die Zahl der unterzubringenden Personen wieder deutlich
angestiegen. Insbesondere die Folgen des Krieges in der Ukraine führten zu erhöhten
Unterbringungsbedarfen im Jahr 2022.
In der Folge mussten alle verfügbaren Kapazitäten in Betrieb genommen werden. Diese sind jedoch nicht ausreichend, um alle geflüchteten Personen unterzubringen. Reserveplätze stehen ebenfalls nicht mehr zur Verfügung. Zur temporären Unterbringung Geflüchteter wurden bis zum jetzigen Zeitpunkt bereits sechs Notunterkünfte (Zelte und Messe- und Leichtbauhalle) mit einer Gesamtkapazität von ca. 1.600 Plätzen zusätzlich generiert.
Um dem steigenden Kapazitätsbedarf gerecht zu werden, sind Kapazität-serweiterungen erforderlich. Hierfür verfolgt das Sozialamt zwei Strategien. Einerseits werden die Anstrengungen verstärkt, berechtigten Personen einen Auszug aus einer
Gemeinschaftsunterkunft zu ermöglichen. Andererseits müssen neue Objekte als
Gemeinschaftsunterkünfte gebunden werden.
Für eine detailliertere Anlassdarstellung wird auf die regelmäßige Berichterstattung zur „Unterbringung von Geflüchteten in der Zuständigkeit der Stadt Leipzig“ verwiesen.
Mit dem Objekt Rackwitzer Straße 38-42 kann langfristig ein großer Teil des zu deckenden Bedarfes abgebildet werden. Insbesondere ist eine Umverteilung der derzeit in den Notunterkünften (Zelte und Leichtbauhallen) untergebrachten Geflüchteten unumgänglich. Aufgrund der Anzahl der unterzubringenden Personen ist eine Schaffung von Plätzen ausschließlich in kleinen Einrichtungen nicht im gebotenen Zeitraum möglich. Das Objekt in der Rackwitzer Straße 38-42 ist als Wohnhaus mit abgeschlossenen Wohneinheiten konzipiert, wodurch eine selbstbestimmte und individuelle Lebensführung der Geflüchteten ermöglicht wird.
Das Objekt ist für eine dauerhafte Unterbringung von Geflüchteten und für die Erfüllung der Pflichtaufgaben dringend notwendig.
2. Beschreibung der Maßnahme
Der derzeitige Eigentümer wird auf dem Grundstück einen Neubau errichten, der nach dem Erwerb als Unterkunft für Geflüchtete dienen soll. Auf dem rund 6.062 m² großen Grundstück sollen zukünftig Wohneinheiten unterschiedlicher Größe sowie Gemeinschafts-/ und Aufenthaltsflächen im Innen- und Außenbereich entstehen. Der Gebäudekomplex wird als 6-geschossiges Gebäude entlang des Flurstücks 3805/6 errichtet und erstreckt sich über das gesamte Baufeld.
Das Objekt wird gemäß RBV-1826/13 der Kategorie A „Häuser für gemeinschaftliches Wohnen mit in der Regel befristeter Unterbringungsdauer“ zugeordnet. Hinsichtlich der Sicherheitsausstattung werden die in RBV-1825/13 beschriebenen Maßnahmen der Kategorie I angewendet. Bei dem Standort in handelt es sich um ein Objekt aus einzelnen Wohnmodulen, die in 4 Aufgängen erstellt werden. Die einzelnen Module sind im EG als barrierefreie Wohneinheiten konzipiert. Durch den Einbau von Trenntüren können die Module je nach Bedarf zusammen oder getrennt genutzt werden, was eine hohe Flexibilität für die Belegung des Hauses bedeutet. Im Objekt können auf einer Wohnfläche von 7.550 m² insgesamt ca. 660 Personen untergebracht werden. Die Unterbringung erfolgt im Wohnungscharakter. Jedes Modul verfügt über mindestens einen Wohnraum, eine Küche und einen Sanitärbereich. Das Objekt verfügt darüber hinaus über ausreichend Gemeinschaftsräume sowie Räume für die soziale Betreuung. Der Außenbereich der Unterkunft wird mit Grünanlagen und Sitzmöglichkeiten versehen und ist umzäunt. Die Umzäunung des Geländes sowie der Zugangsbereich sollen videoüberwacht werden. Die Maßnahme dient dem Schutz der Bewohner und stellt sicher, dass ein unbefugter Zutritt zum Objekt nicht erfolgt. Bei vergleichbar großen Objekten und Flächen traten bei Objekten ohne Videoüberwachung der Zaunanlagen häufig Vandalismus, Diebstahl und Übergriffe auf. Als Gegenmaßnahmen können Videoüberwachungen der Zaunanlagen mit Aufschaltung auf den jeweiligen Wachschutz eine sinnvolle Lösung sein.
Die Betreibung, der Sicherheitsdienst und soziale Betreuung sollen extern vergeben werden.
Betreibung/Sicherheitsdienst beinhaltet:
• die Unterhaltung, Instandsetzung sowie Versorgung und Reinigung der Unterkunft,
• die Durchsetzung von Sauberkeit, Sicherheit und Ordnung sowie die Einhaltung der Verkehrssicherungspflichten,
• die Einhaltung der brandschutzrechtlichen und hygienischen Vorschriften,
• die Ersatzbeschaffung von Einrichtungsgegenständen,
• die Gewährleistung von Versicherungsschutz zur Absicherung etwaiger Risiken (Personenschäden, Sachschäden, Vermögensschäden und insbesondere Haft-
5/10pflichtschäden usw.),
• eine Hausleitung,
• rund-um-die-Uhr-Sicherheitsdienst,
• Zutrittskontrollen
Die soziale Betreuung beinhaltet:
• Sozialpädagogische Beratung und Unterstützung spezifiziert nach Alters- und Ge-schlechtsgruppen,
• Orientierungshilfen zu den Lebensbedingungen und Lebensgewohnheiten in der Bundesrepublik Deutschland,
• Unterstützung bei der Gestaltung des Zusammenlebens der Bewohner/innen der Gemeinschaftsunterkunft,
• Unterstützung bei der Organisation des täglichen Lebens und Motivation zur Eigenverantwortlichkeit der Bewohner/innen,
• Unterstützung der Familien bei der Erfüllung der Schulpflicht der Kinder sowie Integration kleinerer Kinder in Kitas,
• Erkennen von Konfliktsituationen und Hilfe bei der Beseitigung bzw. Vermeidung,
• Unterbreitung von Beschäftigungsangeboten, z.B. zur Instandhaltung und Pflege der Objekte und ihrer Außenanlagen,
• Bildungsangebote, z.B. zum Spracherwerb,
• Förderung von Kontakten zur Wohnbevölkerung,
• Erkennen vorhandener oder sich entwickelnder Suchtmittelabhängigkeiten und Motivation zur Annahme bestehender Hilfsangebote. Gemäß RBV-1826/13 vom 21.11.2013 ist für die soziale Betreuung ein Personalschlüssel von 1 VzÄ/50 Bewohner vorzuhalten. Für Leistungsempfänger nach dem SGB II ist ein Betreuungsschlüssel von 1VZÄ/100 Bewohnern vorgesehen.
Eine durchgeführte Wirtschaftlichkeitsbetrachtung kommt zu dem Ergebnis, dass sowohl die Betreibung, als auch die Betreuung und der Sicherheitsdienst mit externen Partnern wirtschaftlicher gestaltet werden kann.
Insbesondere die Größe des Objektes und die unterschiedlich mögliche Belegungsstruktur erfordert hohe Flexibilität im Mitarbeitendenbereich sowohl beim Auf- als auch beim Abbau von Kapazitäten. Dieser kann bei einem Betreiben durch die Stadt Leipzig nicht im erforderlichen Umfang Rechnung getragen werden. Kurzfristige personelle Ausfälle durch Krankheit oder Urlaub sind mit eigenem Personal nicht kompensierbar.
Auch bei marginal höheren Kosten je Einzelbereich ist der Einsatz externer Dienstleister als wirtschaftlich sinnvoller und günstiger einzuschätzen.
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